
Hintergrund
Die neuen AMD-Grafikkarten überzeugen die Tester
von Kevin Hofer
RTX 30, Ryzen 5000, Radeon 6000 und Playstation 5 sowie Xbox Series X/S: Das Hardware-Jahr 2020 geht mit fünf Knüllern zu Ende. Kein Knüller sind jedoch die Verfügbarkeiten. Und auch der Launch lief alles andere als befriedigend ab.
68! Nein, damit meine ich nicht das Jahr 1968 mit seinen grossen sozio-kulturellen Umwälzungen. Ich spreche von der Anzahl der Radeon-6000-Referenzmodellen, die digitec für den Launch-Tag zugeteilt wurden. Eine Zahl, die du gemäss Agreement mit AMD eigentlich gar nicht kennen dürftest. Ich verrate sie dir bloss, weil die Zahl bei dem Ansturm auf die neuen Grafikkarten einfach nur lächerlich ist. Aber auch bei uns im Shop ist einiges schief gelaufen.
Ein Blick auf den Traffic kurz vor und nach dem Launch der Radeon 6000 am 18.11.2020 um 15:00 Uhr zeigt, dass dieser erheblich stieg. Die Lastspitzen waren zu viel für unsere Server.
Das sorgte für Time-outs, ungleiche Verkaufsstarts für dich als Kund*in und Probleme beim Check-out. Zudem konnte die Karte, kurz nachdem sie eigentlich ausverkauft war, dennoch zu einem Preis von 9999 Franken gekauft werden – ein Fehler unsererseits. Die betroffenen Bestellungen wurden storniert
Kurz: Fast alles, was schief laufen kann, ist missglückt. Von digitec gibt’s dafür ein grosses Sorry. Die Kolleg*innen ziehen ihre Lehre daraus und sorgen dafür, dass es beim nächsten Mal besser läuft. Die Betroffenen haben nicht mit so einem Ansturm gerechnet. Es ist der fünfte unbefriedigende Launch in diesem Jahr. Das kommt auch daher, dass der Ansturm auf die Radeon 6000, die Ryzen 5000 und RTX 30 dieses Mal viel grösser war als bei vergleichbaren Launches. Leider habe ich keine verlässlichen Daten zu der Playstation 5 und der Xbox Series X/S. Du kannst aber davon ausgehen, dass es sich hier ähnlich verhält.
Du willst wissen, wie viel grösser der Ansturm auf die PC-Hardware im Jahr 2020 war? Ich auch. Deshalb habe ich die Zahlen des Traffics miteinander verglichen. Der Zuwachs beim Launch der Radeon 6000 ist krass: Der Traffic in der Launch-Stunde auf die Produktgruppe GPU ist rund 40 Mal höher als bei dem gleichzeitigen Ryzen-3000- und Radeon-5000-Launch. Das ist schier unvorstellbar. Mit so einem Zuwachs hat auch im Corona-Jahr niemand gerechnet.
Die Launches der RTX 3080 und 3090 sind auch nicht ohne. Sie toppen einzeln den gleichzeitigen Launch der RTX 2080 und 2080 Ti bei Weitem. In der Launch-Stunde der RTX 3080 war der Traffic bei der Produktgruppe GPU drei Mal grösser als beim gemeinsamen Launch der RTX 2080 und 2080 Ti. Beim Launch der RTX bei der RTX 3090 war der Traffic gar fünfeinhalb Mal grösser.
AMD hat dieses Jahr wahre Spitzenprodukte veröffentlicht. Das zeigt sich beim Traffic deutlich: In der Launch-Stunde der Ryzen-5000-Serie war der Traffic bei der Produktgruppe CPU rund 14,5 Mal so gross wie beim gemeinsamen Launch der Ryzen-3000- und Radeon-5000-Serie.
Hier noch der Vergleich aller sechs erwähnten Launches:
Die absoluten Zahlen darf ich dir aus Geheimhaltungsgründen nicht verraten. Der grafische Vergleich dieser absoluten Zahlen spricht jedoch für sich: Der Zuwachs ist enorm.
Wenn ein solcher Ansturm auf knappe Stückzahlen trifft, sorgt das bei allen Beteiligten für rote Köpfe: Bei dir als Kunde, weil du deine Karte, CPU oder Konsole nicht kriegst. Bei digitec/Galaxus als Händler, weil wir gerne mehr verkaufen würden. Aber auch die Hersteller/Distributoren würden gerne mehr Ware liefern. Zumal auch sie erst kurz vor dem Release von AMD und Nvidia mit Infos versorgt worden sind. Gleiches gilt für die Playstation und Xbox. Die Infos sickern in diesem Jahr bei allen Launches nur spärlich durch. Das bringt mich zu AMD, Nvidia, Sony und Microsoft. Wieso veröffentlichen sie Produkte, die sie nicht in angemessener Stückzahl liefern können? Das zeige ich dir anhand der Grafikkarten auf. Du kannst jedoch davon ausgehen, dass dasselbe für CPUs und Konsolen gilt.
AMD und Nvidia haben ihre Produktzyklen. Nvidia veröffentlicht im Schnitt alle zwei Jahre neue Hardware. Die RTX-20-Serie kam im September 2018 und die RTX-30-Serie im September 2020. AMD hat dieses Jahr mehrfach bekräftigt, dass Ryzen 5000 und Radeon 6000 noch vor den neuen Konsolen erscheinen werden. Das schürt Erwartungen bei dir als Kunde. Für die beiden Unternehmen noch wichtiger: Es schürt Erwartungen bei den Aktionären. Diese müssen erfüllt werden, wenn der Wert des Unternehmens steigen soll. Erfüllen sie die Erwartungen nicht, erreichen die Firmen die Geschäftsziele nicht. Dem Unternehmen droht ein Verlust. Das ist alles sehr vereinfacht ausgedrückt, stimmt aber als Faustregel unseres Wirtschaftssystems.
Und dann müssen sich AMD und Nvidia halt auch noch zeigen wer den Längsten ...ähm, die schnellste und beste Hardware hat. Die beiden setzen sich gegenseitig unter Druck und schmeissen neue Hardware auf den Markt– viel zu früh, um die enorme Nachfrage befriedigen zu können.
Neue Hardware ist bei einem Release immer knapp. Das war bereits bei der RTX-20-Serie, Radeon 5000 und Ryzen 3000 der Fall. Und bei früheren Launches war es genauso. 2020 ist aber in jeder Hinsicht ein spezielles Jahr. Fabriken mussten/müssen aufgrund diverser Massnahmen wegen der Covid-19-Pandemie schliessen oder können nicht unter Volllast produzieren. Fabrikanten wie Samsung oder TSMC, welche die Halbleiter für AMD und Nvidia fertigen, geraten ins Hintertreffen mit der Fertigung. Es folgt ein Rattenschwanz an Verzögerungen. Nebenbei sind AMD und Nvidia nicht die einzigen Kunden der Fabrikanten – alle sitzen im gleichen Boot.
Gleichzeitig konsumieren wir weniger auswärts, weil wir zuhause bleiben müssen. Da das Reisen eingeschränkt ist, fällt auch der Tauchurlaub auf den Malediven aus. Wir haben also mehr Geld für anderes zur Verfügung. Toll, dieses Jahr kommen ja neue Grafikkarten, Konsolen und Prozessoren raus. Und dann kommt, was kommen muss: Die Anfrage übersteigt das Angebot bei Weitem.
Der ganze Ärger und Frust wird durch die wenigen und unbefriedigenden Informationen nur noch verstärkt. Hersteller und Distributoren werden von AMD und Nvidia spät und mit wenigen Informationen zum Launch versorgt. Das führt dazu, dass auch digitec/Galaxus auf die Infos warten muss. Niemand weiss genau, wann und wie viel Ware reinkommt. Dasselbe gilt für die Playstation und Xbox. Wann sind wieder neue an Lager, die dann direkt an die Vorbesteller weitergeschickt werden? Keine Ahnung.
RTX-30-Serie, Radeon 6000 und Ryzen 5000 sowie Playstation 5 und Xbox Series X/S: Geniale, leistungsfähige Produkte, die aber nebst Staunen vor allem für Frust sorgen. digitec hat daraus gelernt. Bei Artikeln, die sowieso nur in limitierter Stückzahl verfügbar sind, entscheidet künftig das Los. Wie das genau funktioniert, entnehmt ihr dann den jeweiligen Launch Pages. Hier kannst du deiner F5-Taste also eine Pause gönnen. In allen anderen Fällen gilt weiterhin das First-Come-First-Serve-Prinzip.
Und wie sieht’s mit der Kommunikation aus? Wo’s keine Neuigkeiten gibt, gibt’s leider auch nichts zu sagen. Kollege Yannick Cejka handhabt das beispielsweise so, dass er auf der Launch Page des jeweiligen Produkts informiert, sobald er mehr weiss. Leider ist eine persönliche Kommunikation bei mehreren tausend Vorbesteller*innen wie bei der Playstation nicht möglich. Du kannst bei allen fünf Produkten davon ausgehen, dass sich die Situation erst im Verlauf oder gegen Ende des ersten Quartals 2021 entschärfen wird.
Wird es bei künftigen Launches besser? Ich hoff’s. Hierzu wäre aber auch ein Umdenken von AMD, Nvidia, Sony und Microsoft nötig. Den Release etwas nach hinten verschieben, damit auch genug Ware vorhanden ist. Das sorgt zwar auch für Unmut, aber zumindest ist dann klar, was Sache ist. Dass das klappt, macht die Game Branche vor: Verschiebungen gehören dort zum guten Ton.
Technologie und Gesellschaft faszinieren mich. Die beiden zu kombinieren und aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu betrachten, ist meine Leidenschaft.