© Mark Witton, 2025; Pressebild zu Torres, R.C. et al.: Cretaceous Antarctic bird skull elucidates early avian ecological diversity. Nature 638, 2025 (Ausschnitt)
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Ältester moderner Vogel gefunden

Die Untersuchung eines fossilen Vogelschädels verrät: Das Tier teilte sich seinen Lebensraum mit den Dinosauriern des Erdmittelalters, gehörte aber bereits zu den modernen Vögeln.

Der älteste bekannte Vertreter der modernen Vögel gehörte zu den Gänsevögeln (Anseriformes) und jagte wahrscheinlich in Gewässern. Mit langem, spitzem Schnabel und kräftigen Kiefermuskeln dürfte er Fische und andere Beutetiere gefangen haben, wobei er sich unter Wasser mit den Füssen vorwärtsstiess – eine Jagdstrategie, die der von heutigen Lappentauchern ähnelt. Das Tier lebte bereits vor 69 Millionen Jahren und war somit ein Zeitgenosse des Tyrannosaurus rex. Fachleute um Christopher Torres von der Ohio University haben einen fossilen Schädel des urzeitlichen Gänsevogels untersucht und berichten darüber in der Fachzeitschrift «Nature».

Der versteinerte Schädel wurde bereits 2011 auf einer Forschungsexpedition in die Antarktis gefunden. Er ist grossteils erhalten und gehört zur ausgestorbenen Vogelart Vegavis iaai. Die Forschungsgruppe hat den Knochenüberrest per Computertomografie untersucht und rekonstruiert, wie er zu Lebzeiten ausgesehen hat. Das erlaubt es, die Art in den Stammbaum der modernen Vögel einzuordnen.

Vegavis iaai war stehend etwa einen halben Meter hoch, besass einen schmalen, zahnlosen Schnabel sowie ein vergleichsweise voluminöses Grosshirn. Diese und weitere Merkmale stimmen mit denen heutiger Wasservögel überein. Anders als diese weist der fossile Schädel die Spuren kräftiger Kiefermuskeln auf, die der Urzeitvogel offenbar für die Unterwasserjagd benötigte. Weitere Fossilfunde von Vertretern seiner Spezies lassen vermuten, dass sich Vegavis iaai im Wasser nach vorn katapultierte, indem er seine Füsse nach hinten stiess.

Rekonstruierter Schädel | Computertomografische Analysen erlauben es herzuleiten, wie der Schädel des Urzeitvogels Vegavis iaai einmal ausgesehen hat. Das Tier lebte auf dem Gebiet der heutigen Antarktis, wo vor 69 Millionen Jahren ein mildes Klima mit üppiger Pflanzen- und Tierwelt herrschte.
Rekonstruierter Schädel | Computertomografische Analysen erlauben es herzuleiten, wie der Schädel des Urzeitvogels Vegavis iaai einmal ausgesehen hat. Das Tier lebte auf dem Gebiet der heutigen Antarktis, wo vor 69 Millionen Jahren ein mildes Klima mit üppiger Pflanzen- und Tierwelt herrschte.
Quelle: © C. Torres, Ohio University and J. Gronke, University of the Pacific; Torres, R.C. et al.: Cretaceous Antarctic bird skull elucidates early avian ecological diversity. Nature 638, 2025, Extended Data fig. 5a (Ausschnitt)

Laut Datierungsdaten lebte der urzeitliche Gänsevogel während der Kreidezeit auf dem Gebiet der heutigen Antarktis. Sie war damals nicht von Schnee und Eis bedeckt, sondern bot ein gemässigtes Klima mit üppiger Vegetation und Tierwelt. Auch Dinosaurier gab es dort.

Die Studie von Torres und seinem Team könnte helfen, eine jahrelange Debatte darüber zu beenden, wie Vegavis iaai verwandtschaftlich einzuordnen ist. Fossile Überreste dieses Tiers kennen Fachleute schon länger und ordneten sie zunächst den frühen Entenvögeln zu. Weitere Untersuchungen liessen jedoch Zweifel daran aufkommen. Laut der neuen Analyse von Torres & Co. zählt die ausgestorbene Spezies zu den modernen Vögeln (Neornithes) und war ein früher Vertreter der Gänsevögel. Sollte sich das Alter von 69 Millionen Jahren bestätigen, wäre sie die älteste bekannte moderne Vogelart.

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Titelbild: © Mark Witton, 2025; Pressebild zu Torres, R.C. et al.: Cretaceous Antarctic bird skull elucidates early avian ecological diversity. Nature 638, 2025 (Ausschnitt)

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