

Darum hat es der Balitea-Rap nicht in die Charts geschafft

Kollege Simon Balissat hat auf Galaxus einen Eistee-Rap-Song released und wollte damit in die Charts. Dieses Vorhaben scheiterte. Doch was zählt bei den verschiedenen Musikdiensten überhaupt als Stream und wie hängen diese mit den Charts zusammen?
Wenn du kürzlich auf galaxus.ch warst oder den digitec Podcast gehört hast, konntest du es nicht verpassen: Simon hat zusammen mit Lil Bruzy
einen Rap-Song released. Im Song geht es um seinen eigenen Eistee, den er für Galaxus und sich selbst produziert hat, weil er alle anderen Eistees für ungeniessbar befunden hat. Der Rap ist seit dem 1. April verfügbar und kann seither gestreamt und auf Youtube geschaut werden.
Bescheiden wie Simon ist, hatte er das Ziel, als Newcomer mit seinem Tee-Rap in die Charts zu kommen – hauptsächlich, damit er von seinen ehemaligen Moderatoren-Kollegen im Radio angekündigt und sein Rap überall gespielt wird. Eistees mit einer Etikette, auf der sein Gesicht zu sehen ist, sind Simon nicht genug.
So viel vorab: In die Charts hat es Simon bei Weitem nicht geschafft. Aber was hätte es denn gebraucht, um den Sprung in die Schweizer Top 100 zu schaffen? Um die Fragen beantworten zu können, muss zuerst geklärt werden, wie Streams bei den einzelnen Musik-Plattformen gezählt werden – denn der Balitea-Rap wurde nur digital lanciert, nicht auf physischen Medien.
Spotify
Auf der Spotify-for-Artists-Seite listet der schwedische Streaming-Dienst auf, wie Streams gezählt werden:
- Ein Stream wird gezählt, wenn jemand den Song 30 Sekunden abspielt
- Wird ein Song heruntergeladen, werden die Streams offline gezählt und aufgerechnet, sobald die Hörer*in wieder online geht.
Spotify macht dabei keinen Unterschied, ob du den Song auf Repeat laufen lässt oder nicht. Jedes Mal, wenn der Stream mindestens 30 Sekunden dauert, wird er gezählt.
Auch dann, wenn du einen Song ohne Ton in Dauerwiederholung laufen lässt – theoretisch. Übertreibt man es mit diesem Vorgehen, verstösst man gegen die Richtlinien von Spotify. Bots, Scripts oder andere automatisierte Streams können von Spotify geahndet werden und im schlimmsten Fall zu einer Sperrung führen – es empfiehlt sich also nicht, auf diese Art Streams zu generieren.
Es ist anzunehmen, dass die Spotify-Streams für die Charts am relevantesten sind, da der Dienst mit Abstand der meistbenutzte ist.
Apple Music & iTunes
Auch Apple zeigt relativ transparent auf, was als Stream gilt und zählt zeitlich wie Spotify:
- Wiedergaben werden erfasst, wenn der Titel in Apple Music länger als 30 Sekunden gespielt wird.
- In iTunes gekaufte und dann gespielte Titel zählen hingegen nicht als Stream, sondern als Kauf und fliessen so in die Charts ein.
- Auch Repeats in Apple Music werden als Streams gezählt.
Zudem werden bei Apple Shazams erfasst – also wenn der Song mittels Erkennungs-App gesucht wird. Keine Auskunft gibt Apple hingegen darüber, ob ein Stream zählt, wenn das Gerät auf lautlos geschaltet ist.
Deezer
Bei Deezer muss ich etwas länger suchen, um herauszufinden, was als Stream gilt. RouteNote, ein Musikdistributor schreibt, dass ein Stream wie bei den anderen Anbietern ab einer halben Minute Abspielzeit gezählt wird. Auch Repeats und Offline-Plays sollen gemäss RouteNote als Streams für die Charts mitzählen. Bei Deezer selbst sind keine Angaben zu den Stream-Counts zu finden.
Amazon Music
Der Musikstreaming-Dienst aus den USA informiert in den FAQ über das Stream-Zählsystem. Der Stream zählt, wenn mindestens 30 Sekunden des Stücks gehört wurden. Weiter gibt Amazon die Stream-Quellen an. Diese sind: Amazon-Radiosender, Playlists, Bibliotheken sowie die Suchergebnisse – immer wenn der Song dort eine halbe Minute gehört wird, wird ein Stream generiert.
So funktionieren die Charts
Die Streaming-Dienste zählen also selbst ihre Streams. Die Hitparade, wie die Charts in der Schweiz heissen, filtern da aber mit ihrem eigenen System raus. Erhoben werden die Hitparaden-Statistiken von einem Marktforschungsinstitut im Auftrag der «International Federation of the Phonographic Industry» oder kurz: IFPI Schweiz. Publiziert werden die Resultate dann auf der Plattform hitparade.ch. Das Fundament der Chart-Erhebung bildet ein 13-seitiges Reglement. Dazu gibt es eine Chart-Kommission, die für Recht und Ordnung sorgt sowie dafür verantwortlich ist, dass die Messungen an neue Marktentwicklungen angepasst werden.
Seit dem Jahr 2014 werden für die Erhebung der Charts auch die Streaming-Zahlen gezählt. Damals überholten die digitalen Musikverkäufe in der Schweiz erstmals die physischen Verkäufe. Die Streams werden mit einem sogenannten Beimischungssatz in die physischen Verkäufe und die digitalen Downloads eingerechnet. Dieser Beimischungssatz ist zurzeit 1:267. Das heisst, ein Download ist so viel wert wie 267 Streams.
In diesem Beimischungssatz ist auch eine 65-prozentige Aktiv-Passiv-Gewichtung eingerechnet – denn Streams, welche durch automatisch generierte Playlists zustande kommen, werden nicht gewertet und mit dieser Gewichtung herausgenommen. Die Hitparade bilde den aktiven Musikkonsum der Schweizer Bevölkerung ab, so das IFPI. Digitale Downloads zählen gleich viel wie verkaufte physische Einheiten (CDs oder Platten).

Gratis zählt nicht
Nebst dieser Herunterrechnung mittels Beimischungssatz zählen nur die Streams, welche über ein Bezahl-Abo gehört wurden. Gratis-Abgaben – auch physische CDs, die dir Musiker*innen in die Hand drücken oder Lockvogel- und Wühltisch-Angebote – zählen nicht für die Charts. Dies ist auf Seite neun des Charts-Reglements vermerkt und wird mir von Marco Büsch, Senior Manager Charts beim IFPI, so bestätigt. Wer also den Balitea-Rap auf Spotify rauf und runter streamte, aber kein Premium-Abo besitzt, dessen Streams werden nicht für die Charts mitgezählt. Und Youtube-Streams werden für die Schweizer Hitparade auch nicht gewertet, so Büsch.
Ermittelt werden die hiesigen Charts wöchentlich im Zeitraum von Freitag bis Donnerstag. Die Verkaufsstellen – damit sind Verkäufer von CDs und Platten gemeint, die in der Schweiz ansässig sind sowie Online-Verkaufsstellen mit einer CH-Domain, also beispielsweise Apples iTunes – melden in diesem Zeitabschnitt die verkauften und gestreamten Einheiten.
Am Freitagabend werden die erhobenen Zahlen sowie die erzielten Streams gefiltert und ausgewertet, um am Sonntag publiziert zu werden. Das IFPI stellt diesen Ablauf zur Erhebung der Charts mit einer übersichtlichen Grafik dar. Wäre Simon in die Charts gekommen, hätten wir es also am Sonntag, 10. April erfahren.

So weit ist der Balitea-Rap gekommen
Leider kann mir Büsch vom IFPI keine Auskunft darüber geben, wie viele Streams nötig gewesen wären, um es in die Hitparade zu schaffen. Simons 8000 Streams – Stand 12. April – haben aber scheinbar bei Weitem nicht gereicht. Dabei wurde der Löwenanteil von Spotify generiert, danach folgt Apple Music mit grossem Abstand. Frauen scheint Simon mit seinem Gangster-Rap weniger anzusprechen: Nur einer von fünf Streams ist einer weiblichen Person zugeordnet. Dafür hat jemand aus Indonesien zugehört – zählt aber leider nicht.
Zu Simons Verteidigung muss aber auch gesagt werden, dass er ohne physisches Medium bei der Schweizer Chart-Berechnung massiv im Nachteil ist. Und als Trost für die miserablen Streaming- und Chart-Ergebnisse kann immerhin der Eistee selbst grosse Erfolge verzeichnen. Beide Eistees waren innerhalb von ein paar Tagen ausverkauft.
Damit die Streaming-Zahlen doch noch an den Erfolg des Eistees anknüpfen können, plant Simon eine Radiowerbung. In diesem Zusammenhang hat er im Büro irgendetwas von einem Bademantel und einer Sonnenbrille erzählt – immerhin lässt er dieses Mal die Speedo-Badehose daheim. Falls du Simon helfen willst, nächste Woche in den Top 100 aufzutauchen, kannst du den Song hier auf Spotify und Co. hören.


Experimentieren und Neues entdecken gehört zu meinen Leidenschaften. Manchmal läuft dabei etwas nicht wie es soll und im schlimmsten Fall geht etwas kaputt. Ansonsten bin ich seriensüchtig und kann deshalb nicht mehr auf Netflix verzichten. Im Sommer findet man mich aber draussen an der Sonne – am See oder an einem Musikfestival.