Hintergrund

Dein Hund vermisst dich? Das kannst du dagegen tun

Vanessa Kim
4.5.2020

Dein Hund bellt, wenn du das Haus verlässt? Das ist ein Indiz dafür, dass er dich vermisst. Mit diversen Tricks, wie der Verzicht auf Verabschiedungsrituale, kannst du dem entgegenwirken.

Kratzer an der Tür? Lautes Winseln? Sobald die Tür hinter dir ins Schloss fällt, ist dein Hund auf sich gestellt. Als Rudeltier ist dein Vierbeiner ungern allein. Während es Hunde gibt, die deine Abwesenheit zum Entspannen nutzen, gibt es Artgenossen, die mit dieser Situation nicht klarkommen. Sie bellen konstant, weil sie gestresst sind. Es gibt aber auch weniger offensichtliche Anzeichen, die für eine Trennungsangst sprechen.

Der Hang zu Trennungsstress ist nicht von der Hunderasse abhängig. Grundsätzlich gilt, dass es wie bei Menschen gesellige und weniger gesellige Individuen gibt. «Kein Hund ist dafür geschaffen in stundenlanger Isolation zu leben», so die Hundetherapeutin Sonja Doll Hadorn. Als Richtwert fürs Alleinsein gelten drei bis vier Stunden. Viel bedeutsamer als die Rassenzugehörigkeit sind der Charakter und die Erfahrungen des Tiers, seine Haltung und die Art der Beziehung zu seiner Bezugsperson. «Ein Hund, der 24 Stunden pro Tag mit einer Einzelperson zusammenlebt, hat eher Mühe mit dem Alleinsein als ein Hund in Mehrhundehaltung oder einer, der in einer mehrköpfigen Familie lebt.»

Vier Anzeichen von Trennungsangst

Lautes Kläffen
«Bellen ist primär Ausdruck einer erhöhten Erregungslage», erklärt Sonja Doll Hadorn. Da dein Hund aber nicht in der Lage ist, dadurch Stress abzubauen, steigert er sich hinein und wird immer lauter. «Ob der Hund uns ruft oder seinen Unmut kundtut, hörst du dem Klang an: Bellheulen steht für ’wo bist du?’ und wütendes Gekläffe für ‘komm sofort nach Hause’.» Häufig ruft der Vierbeiner erst nach einer Weile nach dir. Ein Kontrollfreak hingegen beginnt sofort damit. «Verlassenheitsangst verstärkt sich sehr rasch. Vor allem dann, wenn du erst heimkommst, wenn dein Hund so richtig ausser sich ist», so die Expertin. Entsprechend gerät dein Vierbeiner immer schneller in eine hohe Stresslage und beginnt früher mit Lautäusserungen.

Mangelnde Stubenreinheit
Wenn dein vermeintlich stubenreiner Hund auf den Boden macht, will er dich nicht fürs Weggehen bestrafen. Das Malheur geschieht stressbedingt, meistens unmittelbar nachdem du gegangen bist. Und nicht, weil du ihn vermeintlich zu lange allein gelassen hast und er sich deshalb auf dem Teppich erleichtern musste.

Selbstverstümmelung
Von Selbstverstümmelung sprechen Experten dann, wenn der Stress oder die Angst beim Hund zu einer Panikattacke führen. Dein Vierbeiner beginnt sich exzessiv blutig zu lecken oder zu nagen. «Selbstverstümmelung resultiert meistens daraus, dass der Hund an der Situation nichts ändern kann», so die Hundetherapeutin. «Versucht er mit übermässiger Körperpflege Stress abzubauen, kann er eine Art Stereotypie entwickeln: Die durch das hoch repetitive Verhalten im Hirn freigesetzten Endorphine (umgangssprachlich: Glückshormone) verschaffen dem Tier Erleichterung.»

Destruktives Verhalten
Sobald du das Haus verlässt, zerkratzt oder zerkaut deine Fellnase Gegenstände. «Kauen oder Graben sind Verhaltensweisen, die dem Stressabbau dienen», so Doll Hadorn. Ob Türen, Böden Wände, Sofas oder Schuhe – er macht vor nichts Halt. An der Tür oder an Fenstern kratzt er, weil er seinem Rudel, also dir, folgen will. Wenn er es auf Gegenstände wie deine Schuhe abgesehen hat, sucht er nach etwas, das nach dir riecht.

Dein Vierbeiner kaut, um Stress abzubauen. Dabei bevorzugt er Dinge, die nach dir riechen, da ihm dein Duft Vertrautheit vermittelt.
Dein Vierbeiner kaut, um Stress abzubauen. Dabei bevorzugt er Dinge, die nach dir riechen, da ihm dein Duft Vertrautheit vermittelt.

So vermeidest du Trennungsangst

Keine Abschieds- und Begrüssungsrituale
Wenn du dich vor dem Weggehen überschwänglich von deinem Vierbeiner verabschiedest, bestätigst du ihn darin, dass das Alleinsein etwas Schlimmes ist. Womöglich wird dieses negative Gefühl sogar bestärkt und er wird dir künftig, sobald du deine Jacke anziehst, eine Szene machen. Geh stattdessen folgendermassen vor: Ignoriere ihn etwa 30 Minuten bevor du das Haus verlässt und kündige das Weggehen nicht an. Falls er bellt, sobald die Tür hinter dir ins Schloss fällt, darfst du auf keinen Fall zurück, um ihn mit einem Leckerli zu beschwichtigen. Damit belohnst du sein Verhalten. Er wird es immer wieder tun. Dasselbe gilt für die Begrüssung. Ignoriere ihn. Sobald er sich beruhigt hat, kannst du ihn streicheln.

Vermeide Bestrafungen
Wenn du nach Hause kommst und Kot oder Urin auf dem Boden findest, darfst du deinen Vierbeiner nicht nachträglich bestrafen. Eine Strafe wirkt nur dann, wenn du ihn dabei erwischst, da er sonst nicht versteht, wofür er bestraft wird. So ist der Lernerfolg gleich null und dein Hund hat im schlimmsten Fall nicht nur Angst vor dem Alleinsein, sondern auch davor, dass du ihn nach deiner Rückkehr grundlos beschimpfst.

Bewegung
Langeweile kann bei deinem Hund zu einem Fehlverhalten führen. Insbesondere dann, wenn er allein zu Hause ist. Bevor du ihn verlässt, muss er beschäftigt werden. Geh mit ihm spazieren und lass ihn an allem schnuppern. Das macht ihn müde. Achte aber darauf, dass dein Hund nicht zu sehr herumtobt, das macht ihm zwar Spass, stresst ihn aber zusätzlich.

Auf einem Spaziergang kann sich dein Hund etwas auspowern. Lass ihn am Boden rumschnüffeln, das lastet seinen Kopf aus und entspannt ihn gleichzeitig.
Auf einem Spaziergang kann sich dein Hund etwas auspowern. Lass ihn am Boden rumschnüffeln, das lastet seinen Kopf aus und entspannt ihn gleichzeitig.

Übung macht den Meister

Das Alleinsein sollte dein Hund schon als Welpe lernen. Weil das nicht immer möglich ist, da dein Tier aus dem Tierheim kommt oder seine Bezugsperson gestorben ist, muss das nachträglich geübt werden. Es gibt diverse Übungen, um das Alleinsein zu trainieren. Die Hundeexpertin empfiehlt folgende: «Bring deinem Hund bei, dass er nach dem Spazieren ruhig auf seinem Liegeplatz bleibt. Egal, was du selbst gerade machst.» Während dieses Time-outs sprichst du ihn nicht an. Du ignorierst ihn. «Hier kann ein für deinen Hund und allfällige Familienmitglieder gut sichtbares Zeichen helfen. Zum Beispiel immer dasselbe Tuch, das du über eine Stuhllehne hängst.» Es zeigt die Dauer der Auszeit an.

Ein weiterer Tipp von Sonja Doll Hadorn: «Achte darauf, dass dir dein Hund nicht auf Schritt und Tritt folgt, dauernd Kontakt sucht oder dich ständig in Interaktionen verwickelt.» Dieses Verhalten deinerseits fördert die Entstehung von Trennungsangst. «Die meisten Hunde zeigen Trennungsangst nicht aufgrund eines Verlassenheitsgefühls, sondern aus Kontrollverlust über die Bezugsperson.»

Wenn dir dein Hund sogar aufs Klo folgt, musst du handeln.
Wenn dir dein Hund sogar aufs Klo folgt, musst du handeln.

Hat der Hund bereits eine ausgeprägte Trennungsangst entwickelt oder zeigt er schon länger Anzeichen von Trennungsstress, kommst du mit herkömmlichen Massnahmen selten zum Ziel. Eine Methode, die sich hierfür bewährt hat, ist die systematische Desensibilisierung. «Der Hund wird in kleinen Therapieschritten und mit vielen Wiederholungen trainiert, nicht mehr mit ängstlichem Verhalten auf bestimmte Reize zu reagieren», erklärt Sonja Doll Hadorn. «Anstatt sich in Hysterie zu steigern, wenn sich die Bezugsperson fürs Weggehen ankleidet, bleibt der Hund entspannt auf seinem Platz.»

Die Desensibilisierung eines Hundes mit länger bestehender Trennungsangst ist eine heikle Angelegenheit und gelingt häufig nur in enger Zusammenarbeit mit einem Verhaltenstherapeuten. Sobald sich aus dem Verhalten deines Vierbeiners Probleme für ihn und dich ergeben, solltest du dich für weitere Abklärungen an ein Fachkraft wenden.

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Wenn ich mal nicht als Open-Water-Diver unter Wasser bin, dann tauche ich in die Welt der Fashion ein. Auf den Strassen von Paris, Mailand und New York halte ich nach den neuesten Trends Ausschau und zeige dir, wie du sie fernab vom Modezirkus alltagstauglich umsetzt. 


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