
Hintergrund
Patricks Challenge: Rudern gegen den Profi
von Patrick Bardelli
Ort: Zürichsee. Challenge: 250 Meter Rudersprint. Heute bin ich beim Belvoir Ruderclub und mache Sport mit Jonathan Perraudin. Oder besser gesagt, ich würde gerne Sport machen. Aber ich habe andere Probleme.
Erstens: Es ist kalt, so richtig kalt. So kalt (ich halte gerade meinen kleinen Finger in die Luft) ist es. Du verstehst. Aber man soll sich ja angeblich antizyklisch verhalten. Darum gehe ich aufs Wasser, während der Rest der Welt in beheizten Unterhosen auf den Skipisten seinen Spass hat. Und zweitens habe ich keine Ahnung vom Rudern. Keine Ahnung und steifgefroren zum ersten Mal in einem Ruderboot, das kann nicht gut gehen. Oder doch?
Jonathan Perraudin vom Belvoir RC will mir in einem Crashkurs die Basics in Sachen Rudern beibringen. Und am Ende des Tages soll ich ihn zu einer Wettfahrt herausfordern. Wie es dazu gekommen ist, erfährst du hier:
In den meisten von uns steckt ein kleiner Besserwisser. Oder Besserwisserin. Gerade wenn’s um Sport geht, hätten wir dies oder jenes ganz anders und viel besser gemacht. So schwer ist das doch nicht, im Fernsehen sieht’s jedenfalls immer ganz leicht aus. Wie anspruchsvoll kann so ein bisschen Rudern schon sein? Du hast das Video oben gesehen? Dann weisst du es.
Schon das Einsteigen in ein sogenanntes Gigruderbooot vom Typ C fällt mir nicht ganz leicht. Dieser Bootstyp hat eine wesentlich stabilere Wasserlage als ein reines Rennboot. Trotzdem bin ich auf dem See hauptsächlich damit beschäftigt, nicht ins Wasser zu fallen. Jonathan ermahnt mich deshalb auch immer wieder, ich solle die Rudergriffe mit den Daumen nach aussen drücken, um das Boot zu stabilisieren. Ausserdem muss ich darauf achten, beide Ruder gleich tief ins Wasser einzutauchen. Es ist auch sehr wichtig, links wie rechts mit demselben Kraftaufwand zu rudern, da du sonst im Kreis fährst. Die linke Hand immer über die rechte Hand ziehen – alte Seemannsregel. Und das Abdrehen der Ruderblätter nicht vergessen. Und entspannen. So einfach ist das.
Jonathan Perraudin studiert Maschinenbau an der ETH. Seit rund zwölf Jahren rudert er. Als Teenager hat Jonathan damit im Schulsportkurs begonnen und ist seither dabei geblieben. Er fährt am liebsten im Zweier und im Achter und sagt, das Teamwork sei für ihn der schönste Aspekt beim Rudern. Und draussen in der Natur zu sein. Ich kann das trotz des ganzen Gewackels in meinem Boot sehr gut nachvollziehen. Es ist neun Uhr morgens und wir sind praktisch alleine auf dem Zürichsee. Hinter den Hügeln hängt der Nebel, die Sonne gibt alles und der See glitzert golden. Die Szenerie hat etwas Märchenhaftes.
«Mit den Daumen die Ruder nach aussen drücken, Patrick. Sofort, sonst kippt das Boot.» Jonathan wird laut und meine Gedanken ganz leise. Was habe ich auf dem Ergometer gelernt? Catch, Drive, Finish, Recovery, Repeat, also Auslage, Durchzug, Endzug, Vorrollen und wieder auf Anfang. Die Basis der Rudertechnik. Im Trockenen beherrsche ich sie allmählich. Auf dem Wasser überhaupt nicht.
«Du musst dein Boot ausrichten, du ruderst einseitig.» Ohne dass ich es bemerkt habe, sind wir plötzlich ein gutes Stück vom Ufer entfernt. Aber vor allem sind wir wegen mir viel zu weit rechts den See entlang gefahren. Also alles wieder zurück. «Du musst dein Boot ausrichten, du ruderst einseitig. Jetzt einfach auf die andere Seite.» Jonathan hat es nicht einfach mit mir. Ich bin einseitig. Mal links, mal rechts – ich hatte schon immer Mühe, meine Mitte zu finden.
Nach einer guten halben Stunde spüre ich mich nicht mehr. Hände? Klamm. Beine? Eingefroren. Der Rest? Komplett verkrampft. Entspannung? Fehlanzeige. Ich gebe auf. Und die Challenge? Ursprünglich sollte ich 250 Meter gegen Jonathan sprinten, mit aggressiver Schlagzahl von etwa 32 Schlägen pro Minute. Daran ist nicht zu denken. Ich will nur noch zurück an Land und in die Wärme. Und plötzlich fühlt es sich fast an wie richtiges Rudern. Während ein paar wenigen Sekunden und Schlägen spüre ich auf dem Rückweg zum Steg, wie es mit ein bisschen regelmässigem Training sein könnte. Es bleibt jedoch beim Konjunktiv.
Beim Steg angekommen bin ich einfach nur froh, wieder festen Boden unter den Füssen zu haben. Challenge nicht bestanden und dennoch: Danke Jonathan Perraudin für eine ausserordentliche Erfahrung.
Genug gefroren, jetzt geht's in die Halle. Und zwar in die Kletterhalle in Schlieren. Meine nächste Challenge: Bouldern. Folge mir hier in luftige Höhen.
Vom Radiojournalisten zum Produkttester und Geschichtenerzähler. Vom Jogger zum Gravelbike-Novizen und Fitness-Enthusiasten mit Lang- und Kurzhantel. Bin gespannt, wohin die Reise noch führt.