Hintergrund

Die Sonne scheint auch ohne Doppel-«n»

Ümit Yoker
14.5.2018

Dass Schulkinder oft keine Lust zum Lernen haben, sei «eine ganz normale Motivationslage eines ganz normalen Kindes», beruhigt der Schulpsychologe Christoph Eichhorn. Hausaufgaben müssen aber trotzdem gemacht werden. Deshalb hat der Erziehungsberater ein paar Tipps für Eltern.

Kinder kümmert es in der Regel nicht allzu sehr, ob man «Sonne» mit einem «n» schreibt oder mit zwei. Gar nicht egal ist ihnen hingegen, dass besagte Sonne gerade scheint und die Freunde draussen am Spielen sind. So in etwa beschreibt der Schulpsychologe Christoph Eichhorn den Kern so manchen Dramas um die Hausaufgaben, das in vielen Familien regelmässig stattfindet.

Wenn Kinder keine Lust haben, ihre Hausaufgaben zu machen, muss das nicht unbedingt bedeuten, dass der Lernstoff sie nicht interessiert. Nur gibt es nach Schulschluss ziemlich vieles, das noch spannender ist. Trotzdem: Matheaufgaben müssen gelöst und Diktate geübt werden. Was also können Eltern tun, damit es Kindern leichter fällt, sich nach der Schule noch einmal hinzusetzen?

Ruhe, Platz und Licht

Beginnen wir dort, wo schon ein paar Handgriffe etwas bewirken: bei der Lernumgebung. Wie Erwachsene sollten auch Kinder einen konstanten Platz haben, an dem sie arbeiten können. Der Ort muss ruhig sein, was bedeutet, dass Geschwister (und Smartphones) eher draussen bleiben. Der Platz sollte genügend Licht haben und vor dem Lernen gelüftet werden, wie Sabine Seyffert im Buch «Entspannte Kinder lernen besser» schreibt. Kinder müssen bequem sitzen können, am besten auf einem Schreibtischstuhl, dessen Sitzhöhe und Rückenlehne sich verstellen lassen. Es ist wichtig, dass das Kind sich wohlfühlt; den Arbeitsort gemeinsam mit ihm einzurichten, kann dazu beitragen.

Regeln und Rituale

In der Schule strukturiert eine Lehrperson den ganzen Lernprozess. Zu Hause jedoch fehlt dieser Rahmen und das Lernen fordert den Kindern viel mehr Selbstkontrolle und Selbstorganisation ab, wie der Erziehungsberater Eichhorn in seinem Buch «Bei schlechten Noten helfen gute Eltern» schreibt. Er empfiehlt Müttern und Vätern deshalb, schon von Anfang mit dem Kind festzulegen, wann und wie lange Hausaufgaben gemacht werden sollen. Dazu gehört auch zu besprechen, was die Konsequenzen sind, wenn es sich nicht an die vereinbarten Zeiten hält. Das kann etwa ein Vermerk im Aufgabenheft sein, dass das Kind zu spät mit den Hausaufgaben begonnen hat und nun nicht alles erledigen konnte. Ein solcher Rahmen sorgt nicht nur dafür, dass Kinder bei den Hausaufgaben nicht trödeln, sondern auch, dass ihnen noch genügend Zeit für anderes bleibt.

Ein Ritual kann den Übergang von der Freizeit zur Lernzeit erleichtern. Das kann sein, dass man beispielsweise einen Wecker so stellt, dass er ankündigt, dass in fünf Minuten die Hausaufgabenzeit beginnt. Es kann aber auch die Zeit sein, in der das Kind seinen Arbeitsplatz einrichtet oder in der man mit ihm ein Glas Orangensaft trinkt und fragt, wie sein Tag war.

Helfen ist nicht immer Hilfe

Das Ziel solcher Grundregeln ist es, dem Kind möglichst bald die Verantwortung für seine Hausaufgaben zu übergeben. Es soll nicht nur lernen, seine Hausaufgaben selbstständig zu lösen, sondern auch selbst zu überprüfen, ob alles gemacht ist und ob es die Aufgabe richtig verstanden hat. Wenn Eltern aus Sorge um die schulischen Leistungen vermehrt die Kontrolle übernehmen, sei das eher kontraproduktiv, ist Eichhorn überzeugt. Beim Kind verstärke sich so der Eindruck, dass es die Situation ja offenbar nicht alleine zu lösen vermöge. Gleichzeitig fühlt es sich weniger verantwortlich für seine Arbeit, weiss es doch, dass die Eltern noch einen Blick darauf werfen.

Wann soll man bei den Hausaufgaben helfen und wie? Eichhorn rät davon ab, dass Eltern zwischendurch zum Kind gehen und nachsehen, was es gerade tut. Am besten bringt man sich nur ein, wenn man ausdrücklich um Hilfe gebeten wird. Und selbst dann gehe es keinesfalls darum, für den Nachwuchs Englischwörter zu übersetzen, wenn er diese auch selbst im Wörterbuch nachschauen könnte. Damit vermittle man dem Kind letztlich nur, dass es offenbar selbst nicht in der Lage sei, die gestellten Anforderungen zu bewältigen. Man kann aber durchaus nachhaken, was es denn tun könnte, um selbst auf eine Lösung zu kommen. Vielleicht schlägt es dann zum Beispiel vor, den Text nochmals durchzulesen.

Fehler und Frust gehören dazu

Auch wenn man als Eltern alles richtig macht und sein Kind vorbildlich beim Lernen coacht, kann es durchaus sein, dass es oft keine Lust zum Lernen hat, wie Eichhorn schreibt. «Das ist eine ganz normale Motivationslage eines ganz normalen Kindes.» Entsprechend gebe es auch keine Zaubertricks, die das eigene Kind plötzlich zu einem begeisterten Lerner machen würden.

Eltern können ihren Kindern ein realistisches Bild vermitteln und mit ihnen darüber sprechen, dass Lernen oft anstrengend sei. Dass es normal sei, Fehler zu machen und ebenso menschlich, sich darüber zu ärgern. Dass dies jedoch kein Grund sei, aufzugeben. Denn auch später im Leben werde man manchmal Dinge ordentlich erledigen müssen, die keinen besonderen Spass machen.

Fundament des Lernerfolgs

Eltern sind keine Lehrer – und sollen es auch nicht sein. Obwohl man aber meistens in der Schule lernt, wie man dividiert und was die Hauptstadt von Venezuela ist, hat das Zuhause einen entscheidenden Einfluss auf den Lernerfolg der Kinder. In der Familie sehen sie nicht nur, wie und ob ihre Eltern und Geschwister lernen, sondern eignen sich im Idealfall das Fundament an, das es braucht, um sich durch komplizierte Bruchrechnungen durchzubeissen und spanische Gedichte zu verstehen: Neugier, Leistungsbereitschaft, Selbstkontrolle, Frustrationstoleranz und Durchhaltewillen.

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Journalistin und Mutter von zwei Söhnen, beides furchtbar gerne. Mit Mann und Kindern 2014 von Zürich nach Lissabon gezogen. Schreibt ihre Texte im Café und findet auch sonst, dass es das Leben ziemlich gut mit ihr meint.<br><a href="http://uemityoker.wordpress.com/" target="_blank">uemityoker.wordpress.com</a> 


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