
Hintergrund
Kann Instagram meinen Geschmack manipulieren? Eine Trendforscherin steht mir Rede und Antwort
von Laura Scholz
Von der Strasse auf die Laufstege: Sämtliche High Fashion Brands wollen gerade Teil der Carhartt-Ästhetik sein. Wer besonders dreist abschaut und was die Interpretationen kosten.
Es ist mir noch immer ein kleines Rätsel, wie gewisse Produkte es gefühlt über Nacht schaffen, aus der «eines unter vielen»-Schublade auf den Olymp der begehrtesten Teile einer Saison oder gar einer ganzen Generation zu klettern. Dort oben angekommen ist gerade auch die «Detroit Jacket» von Carhartt WIP.
Du weisst ganz bestimmt, von welcher Jacke ich rede. Sie ist der absolute Klassiker im Carhartt-WIP-Repertoire: robuster «Dearborn»-Canvas (aus 100 Prozent Bio-Baumwolle), camelfarben, dunkelbrauner Kordkragen, drei schlichte Reissverschlusstaschen.
Schon seit den frühen 1980ern ist die eigentliche Arbeiterjacke fester Bestandteil der Hip-Hop-, Skate- und Graffitiszene. Sie gehört zur Street-Kultur wie Netflix zum Chillen. Heute läuft sie plötzlich bei High Fashion Brands wie Louis Vuitton und Miu Miu über die Laufstege. Also natürlich nicht das Original. Nein, man lässt sich inspirieren. Trickle-up nennt sich das Phänomen, wie mir Trendforscherin Alexandra Viert letzten Sommer in einem anderen Zusammenhang erklärte.
Ein Trend oder Hype trickled (zu Deutsch: sickert, tröpfelt) also aus der Strassenmode nach oben. Man möchte dort nun auch etwas von der Workwear-Ästhetik, bitte. Das darf auch gerne etwas kosten.
Pharrell Williams, seit Februar 2023 Creative Director der Louis Vuitton Menswear, liess für die aktuelle Herbst-/Winter-Kollektion des Brands Jacken auf den Laufsteg los, die eindeutig «Detroit Jacket»-DNA in sich tragen. Die gleiche Carhartt-Affinität war auch schon bei Prada zu erkennen. Kostenpunkt: über 2000 Franken. Und bei Miu Miu. Hier zahlst du für den Hype zum Überziehen gleich mehr als 4000 Franken. Zum Vergleich: Das gute alte Original des 1889 in Detroit gegründeten Workwear-Labels bekommst du aktuell für 189 Franken.
Aber nicht nur hochpreisige Brands haben ihre Herzen an die schlicht-schöne Canvasjacke verloren. Du kannst auch im erschwinglichen Preissegment fündig werden, bei Marken wie Jack & Jones, Arket oder Monki. Ich frage mich nur: Warum solltest du? Besser als jede Kopie ist schliesslich immer noch das Original … oder?
Original oder (teure) Fälschung?
Der Wettbewerb ist inzwischen beendet.
Im besten Fall profitiert Carhartt WIP selbst von der neu gewonnenen Aufmerksamkeit. Und auf jedes trickle-up- folgt früher oder später eh das trickle-down-Prinzip – auch das habe ich von Alexandra Viert gelernt. Dann bekommt die Street-Culture ihre Ästhetik zurück. Wir müssen nur Geduld haben.
Leider haben wir die «Detroit Jacket» aktuell nicht im Sortiment. Mit diesen Teilen holst du dir weitere Klassiker von Carhartt WIP nach Hause.
Titelbild: Carhartt WIPImmer zu haben für gute Hits, noch bessere Trips und klirrende Drinks.