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Digitec am Herofest: «Age of Empires 2»-Finale, basteln, gamen und virtuelle Realitäten
von Domagoj Belancic
«Counter-Strike» gehört seit jeher zu den beliebtesten kompetitiven Spielen weltweit. Auch in der Schweiz hat das Game eine aktive E-Sport-Community. Im Gespräch mit «Counter-Strike»-Experte Remo Blaser blicke ich auf die Anfänge und die Entwicklung der Szene zurück.
Die zwölfte Ausgabe des Digitec Playground steht ganz im Zeichen von «Counter-Strike 2». Die Qualifier für die Cups laufen. Am 20. April findet das grosse Offline-Finale in Zürich statt. Moderiert und analysiert wird das Turnier unter anderem von Remo Blaser. Der «Counter Strike»-Experte und -Caster ist seit Jahren ein fester Bestandteil der Schweizer E-Sport-Szene.
Ich habe mich mit Remo über die Geschichte, den aktuellen Stand und die Zukunft der Schweizer «Counter-Strike»-Szene ausgetauscht.
Remo, du bist einer der meistgefragten «Counter-Strike»-Caster in der Schweiz und moderierst auch den Digitec Playground mit. Erzähl mir über deinen Werdegang in der Schweizer E-Sport-Szene.
So richtig eingestiegen bin ich vor ungefähr 15 Jahren mit «Call of Duty 4: Modern Warfare». Zusammen mit meinen vier Freunden haben wir das E-Sports-Team «mYinsanity» übernommen und sind damit durchgestartet. Mit dem Start von «Counter-Strike: Global Offensive» (kurz: «CS:GO», Anm. d. Red.) habe ich einige Jahre später in der Welt von «Counter-Strike» Fuss gefasst. Unter anderem auch, weil die «Call of Duty»-Szene in der Schweiz immer kleiner und inaktiver wurde. Mit dem Wechsel zu «CS:GO» bin ich dann auch zu einem neuen Team gewechselt: «Silentgaming».
Dort habe ich drei bis vier Jahre aktiv gespielt. Irgendwann hatte ich das Gefühl, dass ich mich nicht mehr verbessere, dass ich meinen Zenit erreicht habe. Zudem konnte ich die benötigte Zeit nicht mehr aufwenden, um mitzuhalten – unter anderem aufgrund meines Studiums. Heutzutage spiele ich «Counter-Strike» immer noch mehrere Male pro Woche, halt einfach nicht mehr auf diesem extrem hohen, kompetitiven Level.
Hast du nach deiner Karriere als aktiver Spieler sofort mit dem Casten angefangen?
Der Übergang vom Spieler zum Caster war fliessend. Das erste Turnier, das ich gecastet habe, war 2017 «Prefire The League». Das waren ein paar Freunde, die das organisierten und mich angefragt haben. Weil ich mich gut in «CS:GO» auskenne und gut quatschen kann. Als kleiner Junge habe ich immer Beni Thurnheer nachgemacht – deshalb habe ich mir gedacht, wieso nicht. Ich fand es auch toll, dass ich so immer noch in der Szene aktiv sein konnte – nicht mit Maus und Tastatur, sondern mit einem Mikrofon bewaffnet.
So richtig ernst wurde das Ganze mit dem Start der Hero League 2019. Das war das erste Mal, dass ich regelmässig für ein Turnier verpflichtet wurde. Zwei Mal zwei Monate im Jahr, in denen ich jeden Mittwoch vor der Kamera stehen durfte. Die Organisation und Produktion waren auf einem komplett anderen Level als alles bisher Dagewesene.
Drehen wir die Zeit ein bisschen zurück. Hattest du vor deiner «CS:GO»-Karriere schon Berührungspunkte mit der Schweizer «Counter-Strike»-Szene – zu Zeiten von «Counter-Strike Source» und «Counter-Strike 1.6»?
Wirklich aktiv war ich in der kompetitiven «Counter-Strike»-Szene als Spieler damals nicht. Wir hatten aber als mYinsanity auch ein «Counter-Strike Source»-Team. Und mir war immer klar: «Counter-Strike» war der König in der kompetitiven Szene. Wir «Call of Duty»-Spieler waren bei den LAN-Parties in der Unterzahl, alle haben «Counter-Strike» gespielt.
Ich habe aber die ESL-EPS-Meisterschaften im deutschsprachigen Raum mitverfolgt – da haben Spieler aus der Schweiz, Österreich und Deutschland mitgemacht. Gespielt wurde sowohl «Source» als auch «1.6». Das war eines der ersten Turniere, die ich live im Internet verfolgt habe.
Wie würdest du die Schweizer E-Sport- und «Counter-Strike»-Szene der Nullerjahre beschreiben?
Es hat sich alles sehr familiär angefühlt. Ein grosser Unterschied zu heute war, dass es eine Plattform gab, die alle «Counter-Strike»-Spieler verbunden hat: gamersnet.ch. Die ist übrigens immer noch online – dort kann man sich das ganze Archiv der Turniere und Ligen aus dieser Zeit anschauen. Das Game war früher weniger populär als heute. Weniger Leute haben es gespielt, man musste aktiv nach Mitspielern suchen. Es gab auch kein Matchmaking-System, wie wir es heute kennen. Darum war gamersnet.ch umso wichtiger.
LAN-Parties waren ein essenzieller Bestandteil der Szene, an denen man sich mit Gleichgesinnten ausgetauscht hat. Heutzutage passiert vieles über Social-Media-Kanäle, die es damals in dieser Form noch nicht gab. Zudem kann ich heute einfach «Counter-Strike 2» starten und mit dem Matchmaking Mitspieler und Kontrahenten finden – ohne persönlichen Austausch.
Schwierig war die Situation damals mit den zwei Lagern. Ich schätze, dass rund 60 Prozent «Counter-Strike 1.6» und 40 Prozent «Counter-Strike: Source» gespielt haben. Die beiden Szenen konnten nichts miteinander anfangen. Zum Glück war die dritte «Counter-Strike»-Variante, «Condition Zero», in der Schweizer Szene nie beliebt.
Die beiden ‹Counter-Strike›-Szenen konnten nichts miteinander anfangen.
Gaming und E-Sport ist heutzutage in der Gesellschaft akzeptiert. Auch grosse Schweizer Brands trauen sich «Counter-Strike»-Turniere durchzuführen oder zu sponsern. Wie war das früher?
«Counter-Strike» hatte zu dieser Zeit stark mit der «Killergames»-Debatte zu kämpfen. Es war das «realistischste» und «brutalste» kompetitive Spiel. Und ganz klar auch das beliebteste. Da war es logisch, dass in der Debatte um gefährliche Games schnell «Counter-Strike» genannt wurde.
Die Szene war aber nicht so sichtbar wie heute. Da trafen sich irgendwelche «Nerds» für ein Wochenende an einer LAN-Party und spielen nonstop «Killergames». Das wirkte auf Aussenstehende befremdlich – das müssen einsame, depressive Menschen sein. Mainstream-Medienberichterstattung über solche Events gab es entsprechend auch kaum – und wenn, dann war sie skeptisch bis negativ gefärbt.
Wie würdest du die Grösse der aktuellen Schweizer Szene im Vergleich zur Szene der Nullerjahre einschätzen?
Der harte Kern der Szene ist definitiv kleiner geworden. Eben: Früher musstest du ein aktiver Teil der Szene sein, um überhaupt gegen andere spielen zu können. Heute musst du das nicht mehr, Matchmaking sei Dank.
Ich denke auch, dass die Hardcore-Szene mit dem Release von «Counter-Strike 2» nochmal kleiner geworden ist. Viele Spieler nutzen diesen Umbruch als Gelegenheit, um eine Pause zu machen oder ganz aufzuhören. Schön ist aber auch, dass es viele Spieler aus «Source»- und «1.6»-Zeiten gibt, die sich immer noch in irgendeiner Form aktiv an der Szene beteiligen. Sie casten, gründen Teams oder sind organisatorisch bei Turnieren beteiligt. Das ist sehr cool.
Was man aber auch ganz klar sagen muss: Obwohl der Kern kleiner geworden ist, ist die Peripherie der Szene exponentiell gewachsen. Es gibt unzählige Casual-Spieler, die ab und zu spielen. Darum finde ich Turniere wie den Digitec Playground extrem wichtig. Die Grümpi-Turniere am Playground sind für alle da und nicht nur für den kleinen Hardcore-Kern. Das gibt der Szene mehr Visibilität.
Wie hast du den Wechsel von «Counter-Strike Source» und «Counter-Strike 1.6» auf «Counter-Strike: Global Offensive» im Jahr 2012 miterlebt?
Sowohl in der Schweiz als auch international gab es wenige Spieler, die den Wechsel sofort gewagt haben. Der Launch war katastrophal, voller Bugs und mit unausgereiftem Gameplay. Das Spiel ist ungefähr ein Jahr lang vor sich hingeplätschert. Erst mit dem «Arms Deal»-Update wurden viele Bugs gefixt. Das Update hat auch Skins in das Spiel eingeführt – ein wichtiger Meilenstein und eine grosse Motivation, immer wieder zu spielen.
Mit diesem Update ist «CS:GO» explodiert – auch in der Schweiz. Das Spiel hat es auch geschafft, die verfeindeten «Source»- und «1.6»-Lager zusammenzuführen. Danach ging es in der Schweiz so richtig ab in der Szene. Es wurden viele neue Teams gegründet und neue Turniere gestartet.
Welche wichtigen Meilensteine in Bezug auf Turniere und Events gab es in der Schweizer Szene seit dem Launch von «CS:GO»?
Sicher der Start der «Swiss E-Sports League». Ähnlich wie damals gamersnet.ch erfüllte die «Swiss E-Sports League» die Funktion als zentrale Plattform, auf der man Turniere austragen konnte. Auch die ersten «SwitzerLAN»-Turniere waren wegweisend. Sie haben es geschafft, nicht nur 100 oder 200 Leute, sondern 500 oder 600 Leute an die Veranstaltung zu locken.
Ebenfalls wichtig waren die «Supreme Masters» – «CS:GO»-LAN-Parties mit einem Twist. Die Teilnehmenden mussten einen etwas höheren Betrag zahlen, um mitzumachen. Dafür wurde das eingenommene Geld in einen Topf geworfen, der dann an die Gewinner ausgeschüttet wurde. Das hat auch Pro-Teams aus ganz Europa angezogen, mit Spielern aus der internationalen Spitze.
Erwähnen muss ich auch die «Hero League». Die Liga hat die Schweizer Szene deutlich professionalisiert. Sicher auch, weil das entsprechende Budget vorhanden war. Dass ein so grosses Unternehmen wie die Swisscom in «Counter-Strike» eingestiegen ist, hat der Szene sehr geholfen.
Wie werden kleinere, nicht regelmässige Turniere wie der Digitec Playground in der Szene aufgenommen?
Solche Turniere sind wichtig, damit die Szene wächst. Wir haben oft Turniere, an denen einfach die acht Top-Teams der Schweiz teilnehmen und alle anderen können nicht mitmachen. Bei Formaten wie dem Playground profitieren sowohl die «Pro»-Spieler im harten Kern, als auch die Casual-Spieler, die ohne Einschränkungen beim Grümpi mitmachen können. In der Szene wird Digitec als Paradebeispiel gehandelt, wie man die Casual- und Pro-Szene miteinander verbinden kann. Gerade jetzt, in einer Zeit, in der einige langfristige Liga-Formate wie die Hero League verschwinden, sind solche kleineren Formate umso wichtiger für die Szene.
Kleinere Turniere wie der Digitec Playground sind wichtig, damit die Szene wächst.
Wie schneidet «Counter-Strike» in Sachen Popularität im Vergleich zu anderen E-Sports-Titeln in der Schweiz ab?
Aktuell ist die Kern-Szene von «Counter-Strike» sicherlich die grösste aller E-Sports-Titel in der Schweiz. «League of Legends» ist mit den vielen Spielern, die ab und zu zocken, vielleicht insgesamt ein bisschen beliebter.
In der Schweiz ist auch «Super Smash Bros» ein Dauerbrenner. «Overwatch» und «Rainbow Six Siege» haben ebenfalls eine kurze Zeit in der Sonne genossen. Die Mobile-Gaming-Szene kann ich nicht einschätzen, die tummelt sich auf anderen Plattformen und sind für mich fast unsichtbar. Ich denke aber, dass beispielsweise «Brawl Stars» auch eine riesige Community in der Schweiz hat.
Wie steht es um den «Counter-Strike»-Konkurrenten «Valorant»?
«Valorant» hatte in der Schweiz zum Launch einen riesigen Hype. Viele «Counter-Strike»-Spieler haben das ausprobiert, ich auch. Aber der Hype ist aufgrund der komplizierten Lizenzrechte und Gebühren von Entwicklerstudio Riot schnell wieder verflogen. Riot gibt für Turniere und Cups alle Regeln vor, da gibt es sehr wenig Spielraum. Die Leute wollten «Valorant»-Turniere spielen, aber das ging aufgrund der strengen Auflagen oft nicht. Ich wurde auch von einem Brand angefragt, ein Turnier zu casten und zwei Tage vor Start musste es aufgrund von Problemen mit Riot abgesagt werden.
International gesehen ist «Valorant» trotzdem eine grosse Konkurrenz für «Counter-Strike». Und das ist gut so. Ich denke auch, dass «Counter-Strike 2» ohne «Valorant» nicht so schnell erschienen wäre.
Wie bewertest du den Launch von «Counter-Strike 2» – welche Auswirkungen wird das auf die Schweizer Szene haben?
Insgesamt ist das Erscheinen von «Counter-Strike 2» eine gute Sache. Obschon einige Spieler aufgrund von fehlenden Updates und einigen Bugs noch gefrustet sind, wurde das Spiel in einem viel besseren Zustand als «CS:GO» veröffentlicht. Einige Spieler finden Neuerungen wie das neue Rauchsystem nicht cool. Ich finde es aber gut, dass sich Valve etwas traut. In der E-Sports-Szene stösst man immer auf Widerstand, wenn man den Status Quo ändert.
Ich bin auch froh, dass «Counter-Strike 2» das alte «CS:GO» komplett ersetzt hat. Sonst hätten wir wieder diese Spaltung der Szene gehabt, wie damals mit «Source» und «1.6». Langfristig wird die Schweizer Szene mit «Counter-Strike 2» wachsen, da bin ich mir sicher.
Wie hoch ist das spielerische Niveau in der Schweiz und wie gut schneiden wir im internationalen Vergleich ab?
«mYinsanity», «Lausanne E-Sports» und «Team Solid», ehemals bekannt als «Sans Vergogne», gehören zu den drei Top-Teams der Schweiz. «mYinsanity» ist auf dem Papier am stärksten – gerade mit den Spielern aus Deutschland, die sie verpflichtet haben.
Die Schweizer Szene als Ganzes ist international gesehen aber auf sehr tiefem Niveau, da muss man ehrlich sein. Nimmt man eine Fussball-Analogie, spielen Schweizer Teams nicht in der Champions League, sondern eher in der Conference League. Das hat man zum Beispiel gesehen, als sich Schweizer Teams via Hero League für internationale ESL-Turniere qualifiziert haben. Es ist auch schwierig. In anderen Ländern kannst du mit einem E-Sport-Gehalt viel schneller Vollzeitspieler werden – in der Schweiz ist das fast unmöglich.
Trotzdem haben wir immer wieder Einzelspieler, die internationale Erfolge feiern können. Maniac beispielsweise, einer der ganz grossen. Oder auch SolEk, damals. Und aktuell gerade rigoN.
Schweizer Teams spielen international in der Conference League und nicht in der Champions League.
Und wie beurteilst du die Qualität der Caster in der Schweiz?
Allgemein ist das Niveau stark gestiegen. Das liegt vor allem daran, dass mit zunehmender Anzahl an Turnieren und Events viele Caster regelmässig vor der Kamera stehen durften und so regelmässig Erfahrung sammeln konnten – teilweise auch vor einem Live-Publikum, wie beispielsweise am Herofest. Auch die Produktion ist viel professioneller geworden. Ich kann mich als Caster viel besser vorbereiten, mich auf das Spiel fokussieren und mich auf eine Produktionscrew im Hintergrund verlassen.
Was würdest du dir für die Schweizer «Counter-Strike»-Szene wünschen?
Wir brauchen wieder eine konstante Liga, die einen gewissen Rhythmus vorgibt. Einerseits für die Spieler, die dadurch regelmässig an Turnieren teilnehmen können, aber andererseits auch für das Publikum. Durch regelmässige Events können auch die Zuschauerinnen und Zuschauer mehr mitfiebern und Fans von Teams werden. Ohne konstante Liga ist das schwierig.
Bei anderen Titeln ist das auch ein Problem, aber aus anderen Gründen. «League of Legends» hat beispielsweise das gleiche Problem wie «Valorant». Riot kontrolliert alles, hat strenge Regeln und hohe Gebühren für Turniere. Das macht Valve bei «Counter-Strike» nicht. Dort kannst du einfach mal machen. Daher wünsche ich mir, dass in den nächsten Jahren eine von der Community getriebene Liga aufgebaut wird, die durch den Grassroots-Ansatz möglichst lange am Leben bleibt.
Am Samstag, 23. März, starten die ersten Qualifier für den Playground Cup Vol. 12. Gespielt wird «Counter-Strike 2» – das hat die Community in einem öffentlichen Voting deutlich entschieden.
Moderiert werden die Streams von den «Counter-Strike»- und Shooter-Experten Remo Blaser und aRTycH. Ebenfalls mit von der Partie ist unser Ballermann Simon Balissat. Die beiden Qualifier des Pro-Turniers sowie die beiden Finale der Pro- und Grümpi-Turniere werden live auf Twitch und Youtube übertragen.
Alle Infos zum Turnier und zur Anmeldung findest du in diesem Artikel:
Meine Liebe zu Videospielen wurde im zarten Alter von fünf Jahren mit dem ersten Gameboy geweckt und ist im Laufe der Jahre sprunghaft gewachsen.