

Frühling, Sommer, Winter können einpacken! Der Herbst ist die geilste Jahreszeit
Ich mag den Herbst. Weil er kühl ist. Weil er windig ist. Weil er regnerisch ist. Weil mein Kleiderschrank endlich wieder mehr hergibt als T-Shirts und kurze Hosen (rsp. ich in den langen nicht mehr sofort schwitze wie ein Schwein). Und weil ich endlich wieder Lust habe, ausgiebig zu kochen. Suppen am liebsten.
Hach geht’s mir gut. Draussen peitscht der Regen gegen die Fenster, das Thermometer in der Wohnung zeigt knapp unter 20 Grad Celsius an (und draussen eher knapp über 10), im Backofen wird die orangfarbene Haut des Kürbisses langsam braun und ich sitze in gemütlichen Kleidern auf der Couch, während der frische Ingwer-Zitronen-Aufguss friedlich neben mir vor sich hin dampft. Endlich ist Herbst.
Ja, endlich. Ich liebe den Herbst, er ist die beste Jahreszeit überhaupt. Meine Kollegin Katja hat in ihrem «Herbst mit Kindern»-Ratgeber zwar durchaus wohlwollende Worte für den Herbst gefunden, ihn aber doch auch etwas bemitleidet: Gemeinhin fänden Sommer und Winter viel mehr Anklang und selbst der Frühling sei beliebter. Und tatsächlich bestätigt eine kurze Google-Suche, dass der Sommer vor dem Frühling weltweit die Jahreszeit der Wahl zu sein scheint.
Das wiederum ist für mich Grund genug, einen Lobgesang auf den Herbst zu singen. Denn, und ich sage das im Brustton der vollsten Überzeugung, ich finde die Nach-Sommer-vor-Winter-Monate die mit sehr grossem Abstand wunderbarste Zeit des Jahres. Das hat Gründe. Drei, um genau zu sein.
1. Mode
Manche mögen mir da gerne widersprechen, aber ich halte den Sommer für die völlige Modehölle. Es ist schlicht zu heiss. Kurze Hosen, T-Shirt oder Leinenhemd, fertig. Für alles andere ist es mir zu warm. Wobei das mit kurzen Hosen je nach Job auch nur am Wochenende in Frage kommt. An offenen Schuhen an Männerfüssen scheiden sich zudem die Geister. Flipflops gehören an den Strand. Sandalen sollen der heisse Sch(w)eiss sein, findet zwar Moderedaktorin Stephanie. Aber nachdem ich das bei gefühlten 40 Grad im Schatten am Winterthurer Albanifest ausprobiert habe, sehe ich das als keine Alternative. Erstens hat es mir nicht gefallen, zweitens meiner Tochter auch nicht und drittens habe ich trotzdem geschwitzt.
Jetzt aber, bei Tageshöchsttemperaturen von 15 Grad Celsius, kann ich endlich wieder Hemden mit Pullunder oder T-Shirts mit Strickpullovern tragen; Sneakers, Boots oder Halbschuhe anziehen, ohne innert Kürze in schweissgetränkten Socken zu stehen; und vor allem endlich wieder mein gut sortiertes Übergangsjackenangebot ausgiebig nutzen. Während Kollege Richard Müller für einen Trip nach Hamburg auf den letzten Drücker noch eine solide Jacke kaufen musste, habe ich kürzlich an einem windig-kühl-sonnigen Samstag bei viermaligem Wohnung-Verlassen, vier verschiedene Jacken angezogen: Leder-, Kord-, Jeansjacke und einen Parka.
Das sind aber noch lange nicht alle Übergangsjacken, die da im Schrank hängen.
Im Winter bin ich einfach warm eingepackt – dicke Jacke, Mütze, Boots – und im Frühling schwankt es zwischen «zu lange im Winter- oder zu früh im Sommer-Modus». Einfach (zu) selten passend.
2. Kulinarik
Andere schwitzen sich beim Sport den Arbeitsstress aus dem Leib oder versuchen beim Feierabendbier von Arbeits- auf Freizeit umzustellen. Für meine Me-Time am Abend schlurfe ich vom Homeoffice in die Küche und improvisiere einen Znacht zusammen. Beim Kochen kann ich abschalten und entspannen. Aber nicht im Sommer. Wenn’s in der Wohnung rund um die Uhr weit über 20 Grad Celsius hat, vergeht mir die Lust auf warmes Essen. Salate sind nett, aber auf lange Sicht irgendwann langweilig (und das schliesst Nudel-, Reis- und Couscous-Salate mit ein). Es mag Leute geben, die auch im Hochsommer Hackbraten, Ossobuco, Cremesuppen oder Gulasch kochen. Ich kann das nicht.
Und auch wenn ich einen anständig grossen – aber putzintensiven – Grill auf dem Balkon stehen habe, mag ich nicht mehrmals pro Woche ein Stück Fleisch oder Fisch und die üblichen verdächtigen Gemüse auf Rost und Platte werfen.
Was lobe ich mir da den Herbst, wenn's draussen kühl und drinnen warm ist. Wenn Kürbisse reif sind und Wild gejagt wird. Wenn es Zeit für den Papet aus dem Vaudois ist und für die Fleischtorte aus Chur und für Grünkohl in Hamburg. Wenn Essen nicht mehr leicht sein muss, sondern herzhaft sein darf.

Quelle: Oliver Fischer

Ganz besonders aber ist der Herbst (und zugegebenermassen auch der Winter) bei mir die Zeit für Suppen. Am liebsten Suppen nach den Rezepten der grandiosen Tine Giaccobo:
3. Freizeit
Google mal «Freibad» und «China» und schau dir die Bilder an. Ziemlich ähnlich hat es diesen Sommer an den meisten Wochenenden in den Freibädern Winterthurs ausgesehen. Kein Freizeitvergnügen, das ich mir allzu oft angetan habe. Zu Hause in der völlig überhitzten Wohnung rumzusitzen, ist auch keine Lösung. Wandern wäre was gewesen. Aber wenn sogar auf über 2000 Metern über Meer kaum ein Lüftchen geht und die Luft locker über 20 oder sogar über 25 Grad Celsius hat, ist auch das nur noch schweisstreibend. An Sport draussen ist höchstens am Morgen in aller Herrgottsfrühe oder spät abends zu denken. Angesichts dieser Umstände lag ich viel zu oft wie eine (halb)tote Fliege irgendwo rum und wünschte mir nichts sehnlicher herbei als herbstliche Kühle und eine steife Brise.
Beides habe ich jetzt. Endlich. Spaziergänge sind wieder erfrischend. Wandern in den Herbstferien im Engadin wird Körper und Geist beleben und nicht betäuben. Sport ist nicht mehr von der Temperatur abhängig, sondern wieder dann möglich, wenn ich Zeit dafür habe.
Und wenn es mir dann doch zu garstig für Spazieren, Wandern oder Sport sein sollte, kann ich mich endlich wieder gemütlich in bequemen Klamotten auf die Couch setzen, einen heissen Ingwer-Zitronen-Aufguss daneben stellen, ein Buch lesen, Red Dead Redemption 2 zocken (das herbstlichste Game, das ich mir vorstellen kann) oder bei Tine Giaccobo den sonntäglichen Znacht recherchieren.
Hach geht’s mir gut.
Weltenbummler, Wandersportler, Wok-Weltmeister (nicht im Eiskanal), Wortjongleur und Foto-Enthusiast.