

Gib Gummi? Aber gern! Ein kleiner Neopren-Ratgeber

Der Mensch ist nicht fürs Wasser gemacht. Keine Schwimmhäute, keine Kiemen, Schuppen nur gelegentlich und leider nicht wärmend. Damit du beim Wassersport dauerhaft Spass hast, gibt es Neoprenanzüge. Hier ist der Überblick.
Mit 18 wollten wir Wellenreiter sein. Wir waren ein paar gute Kollegen, hatten Ferien in Frankreich und keine Ahnung von nichts. Dafür ein geliehenes Board, den Atlantik und ein paar neongrelle 90er-Badeshorts, mit denen wir uns in die Fluten stürzten und von den Wellen vermöbeln liessen. Wenig später sassen wir frierend mit blutiger Brust und aufgescheuerten Oberschenkeln am Strand. Seither weiss ich Neoprenanzüge zu schätzen. Nicht nur, weil sie vor Verletzungen schützen, sondern vor allem auch aufgrund ihrer Kernkompetenz: Sie wärmen und sorgen dafür, dass du dich im Wasser lange wie in deinem Element fühlen kannst. Die Voraussetzung ist natürlich der passende Anzug – und das ist nicht nur auf die Grösse bezogen, denn es gibt je nach Einsatzzweck wichtige Unterschiede.
Neopren – ein geniales Material
Neopren ist ein Gummi, das viele eingeschlossene Luftbläschen enthält und dadurch wunderbar isoliert. Wirst du mit einem Neoprenanzug nass, bildet sich zwischen deinem Körper und dem Material eine dünne Wasserschicht, die du über deine Körpertemperatur schnell aufwärmst. Das kalte Wasser ausserhalb deiner zweiten Haut kann dir also viel weniger anhaben und du kühlst nicht so schnell aus. Nicht nur im Wasser, sondern auch, wenn du auf deinem Board sitzt oder stehst und Wind geht. Er hat zusätzlich noch weitere Vorteile. Ein Neoprenanzug…
…gibt dir Auftrieb und verbessert deine Wasserlage
…schützt vor Schürfungen und anderen Verletzungen
…schützt vor UV-Strahlen
Natürlich gibt es auch bei Neopren verschiedene Qualitätsstufen, die mit ein Grund dafür sind, dass die Preisspanne für einen Anzug beachtlich sein kann. Am unteren Ende bist du mit ca. 70 Franken für einen einfachen Shorty dabei, die teuersten Teile gehen mit bis zu 900 Franken doch sehr ins Geld, enthalten sehr viel mehr als «nur» Neopren und sind vor allem etwas für (Profi)-Triathleten.

Welche Fragen musst du dir vor dem Kauf stellen?
Einfache Frage: Wie kälteempfindlich bist du? Ich bin es extrem. Wenn sich andere ohne mit der Wimper zu zucken ins Wasser stürzen, muss ich mich jedes Mal überwinden. Je nach Einsatzzweck, Reiseziel, Wasser- und Lufttemperatur sowie persönlichem Empfinden, solltest du dir also Gedanken um die Dicke und den Schnitt deines Neoprenanzugs machen. Wie lange du im oder auf dem Wasser bleiben willst und wie intensiv du dich dabei bewegst, spielt natürlich auch immer eine Rolle. Weiter unten findest du spezielle Produkte für verschiedene Sportarten, hier geht es zunächst mit grundsätzlichen Fragen weiter.
Die Angaben zur Dicke
Die Dicke wird bei Neoprenanzügen in Millimetern angegeben und besteht nicht immer nur aus einer Zahl. Häufig wird der Rumpfbereich aus dickerem, die Arme und Beine aus dünnerem Material gefertigt. So bleibt dein Körperkern warm und die Extremitäten bleiben beweglich. Heisst es also in der Produktbeschreibung 3/2 mm, dann weisst du jetzt, was gemeint ist: 3 mm Neopren am Torso, 2 mm an Armen und Beinen.
Welche Dicke bei welchen Temperaturen?
Das hängt natürlich wieder ein Stück weit von deinem Kälteempfinden sowie dem Schnitt und der Qualität des Anzugs ab. Hochwertige Produkte decken einen grösseren Temperaturbereich ab und manche Wetsuits sind auch mit einer Thermofütterung ausgestattet, wodurch dünnere Neoprenschichten in kälterem Wasser ausreichen können. Auch die Hersteller scheuen sich meist, genaue Angaben dazu zu machen, weil eben viele Faktoren eine Rolle spielen.
Trotzdem ein paar Anhaltspunkte als Ausgangslage für weitere Überlegungen:
- Der Hersteller O'Neill gibt in seinem Guide vorsichtige Empfehlungen ab. Ein 1 mm dickes Shirt (rash guard) bei Wassertemperaturen von 21 bis 25 °C, ein 2 mm Shorty bei 18 bis 20 °C, ein 3/2 mm oder 4/3 mm Fullsuit bei 12 bis 17 °C.
- Die Empfehlungen von Quicksilver sind ähnlich, 2/2 mm Neopren in einem Schnitt deiner Wahl bei Wassertemperaturen von 18 bis 22 °C, ein 3/2 mm Fullsuit bei 15 bis 19 °C.
Bei noch kälteren Temperaturen will zumindest ich sicher nicht ins Wasser, dafür bräuchte es dann Anzüge von 5/4 mm Dicke oder sogar noch mehr. Gehen wir mal davon aus, dass du auch nicht Eisbaden willst. Wir haben zwar zwei 5/4-Modelle im Sortiment, aber konzentrieren uns klar auf die gängigen Typen zwischen 3/2 und 1,5 mm Dicke.
Wie sollte der Neoprenanzug sitzen?
Damit dein Neoprenanzug seine Wirkung entfalten kann, muss er eng sitzen. Richtig eng. So eng, dass du dich im Trockenen nur schwer reinzwängen kannst. Wenn du dann drin bist, solltest du in den Schultern beweglich genug sein, um ihn auch zu schliessen. Es gibt Modelle mit Reissverschluss am Rücken (back zip), diagonal an der Brust (chest zip), gerade über Brust und Bauch (front zip) und auch welche ohne. Ein grossflächiger Reissverschluss erleichtert das An- und Ausziehen, allerdings kann hier auch mehr Wasser eindringen, was die wärmende Wirkung und die Flexibilität deines Anzugs mindert. Sobald du im Wasser bist, sollte das Presswurst-Gefühl verschwinden und das Tragegefühl angenehm sein. Detaillierte Grössentabellen findest du in der Regel auf der Webseite des Herstellers deines favorisierten Modells. Und keine Panik, falls du beim ersten Anzieh-Versuch scheiterst – dafür gibt's schliesslich Tutorials.
Die Nähte
Günstige Neoprenanzüge sind oft einfach vernäht, Wasser und Luft können an diesen Stellen also eindringen. Darüber hinaus gibt es hochwertigere Verfahren, die Anzugteile miteinander zu verbinden. Zum Beispiel wasserabweisende GBS-Nähte, die geklebt und vernäht sind, ohne das Neopren komplett zu durchdringen, mit Tape verstärkte Nähte oder auch versiegelte Nähte, die leicht, flexibel und wasserdicht sind.
Die verschiedenen Schnitte
Shorty/Springsuit: Anzüge mit kurzen Beinen und kurzen/halblangen/langen Armen, die in entsprechend warmen Gewässern zum Einsatz kommen.
Fullsuit: Der lange Anzug bedeckt den ganzen Körper bis zu den Hand- und Fussgelenken. «Hooded»-Modelle haben zusätzlich auch noch eine Kapuze. Varianten mit kurzen Ärmeln heissen Steamer oder Short Arm Steamer. Teilweise werden aber auch lange Anzüge als Steamer bezeichnet, womit die Verwirrung komplett wäre. Ein Bild sagt im Zweifel mehr als 1000 Worte.
Long John: Ärmelloser Anzug mit langen Beinen, der volle Flexibilität im Schulterbereich bietet und mit einem Jacket kombiniert werden kann. Auch als Short John mit kurzen Beinen erhältlich.
Entweder bist du jetzt informiert oder maximal verwirrt. Auf jeden Fall ist es Zeit, einige Modelle für die unterschiedlichsten Sportarten genauer anzuschauen. Natürlich brauchst du nicht drei verschiedene Anzüge, wenn du gelegentlich ein bisschen Surfen, Schnorcheln und Stand-up-Paddeln willst. Aber wer voll auf eine Sportart setzt, sollte sich bewusst für ein Modell mit entsprechenden Vorzügen entscheiden.
Neoprenanzüge für Surfer, Wakeboarder und Kite-Surfer
Den O'Neill Hyperfreak FUZE 3/2 mm muss ich dir allein schon deshalb ans Herz legen, weil in der Produktbeschreibung das Wort «Technobutter» vorkommt. Genauer: Technobutter 2-Neopren. Das ist ein leichtes und hochwertiges Material, auf das O'Neill stolz ist, dass man sich diesen schönen Namen dafür ausgedacht hat. Dazu gibt's «unvollendete Bündchen». Nimmt man die Marketing-Poesie weg, bleibt ein flexibler Anzug ohne störenden Reissverschluss übrig, der wasserundurchlässige, verklebte Nähte hat und auch höheren Ansprüchen gerecht wird.

Ein einfacher Shorty für Jugendliche ist der Prolimit Fusion. Nichts Besonderes, mit dem Reissverschluss klassisch am Rücken, aber für die ersten Surf- oder Schnorchel-Erfahrungen in warmem Wasser eine Wahl mit überschaubaren Kosten. Da man den Anzug direkt auf dem Körper trägt, ist Leihen nicht jedermanns Sache – und wenn du ein paar Tage Gebühren dafür zahlst, ist ähnlich viel Geld weg.
Der ION Water Strike Element ist ein entsprechendes Einsteigermodell für Erwachsene, der dem Windchill-Faktor beim Surfen oder Kiten etwas entgegenzusetzen hat. Er schützt dich auf dem Board vor dem Auskühlen.
Alle Neoprenanzüge für Surfer und Kite-Surfer
(Manche) Paddler mögen es ärmellos
Ein Long John hat für Paddler Vorteile, weil er volle Bewegungsfreiheit in den Schultern bietet. Da die Arme nicht im Wasser und kräftig im Einsatz sind, reicht das in der Regel bei moderaten Temperaturen. Unser Community-Mitglied Schwege schreibt über den Prolimit Sup FL Airmax er sei optimal, um im Frühling oder Herbst auf dem SUP unterwegs zu sein.
Modelle für Schwimmer und Triathleten
Wer seine Leistung optimieren will, achtet natürlich auf jedes Detail. Ein guter Neoprenanzug bringt grosse Vorteile was Auftrieb, Wasserlage und Widerstand angeht – es schwimmt sich damit viel schneller. Aus diesem Grund gibt es Regeln, bei welchen Temperaturen das Tragen im Wettkampf erlaubt ist. Hier findest du das Reglement von Swiss Triathlon. High-End-Modelle wie der 2XU Propel Pro Wetsuit bieten zum einen eine optimale Beweglichkeit und zum anderen spezielle Beschichtungen, um den Träger so effizient wie möglich durchs Wasser flutschen zu lassen. Entsprechend viel Geld kannst du dafür ausgeben.
Swimrun – ein Anzug für zwei Sportarten
Wenn dir Triathlon zu langweilig wird und du es mit Swimrun versuchen willst, haben wir auch was für dich. Schwimmen, laufen, schwimmen, laufen – um das möglichst komfortabel mit einem Anzug bewerkstelligen zu können, gibt es ebenfalls ganz spezielle Modelle. Sie sind an den empfindlichsten Stellen elastisch genug, um beim Laufen nicht zu scheuern. Im Wasser sind sie so ausbalanciert, dass das Schwimmen mit Schuhen, Pull Buoy und Paddles möglichst gut funktioniert.
Alle Modelle für Triathlon und Running
Schön trocken bleiben mit dem Drysuit
Wenn du es auch bei kalten Temperaturen nicht lassen kannst und mit dem Surfboard oder SUP auf's Wasser willst, kannst du zu einem Trockenanzug greifen. Mit dem 5/4 mm dicken Prolimit Nordic Drysuit bist du auch dann noch ausgerüstet, wenn du bei ungemütlichem Wetter den See wahrscheinlich für dich alleine hast.
Gut zu wissen, aber wer will jetzt schon an die Kälte denken. Geniessen wir erstmal den Sommer – und der macht mit dem passenden Neoprenanzug noch mehr Spass.


Einfacher Schreiber, zweifacher Papi. Ist gerne in Bewegung, hangelt sich durch den Familienalltag, jongliert mit mehreren Bällen und lässt ab und zu etwas fallen. Einen Ball. Oder eine Bemerkung. Oder beides.