Produkttest

Google Stadia startet in der Schweiz mit denselben Kompromissen wie überall

Googles Cloud-Gaming-Dienst ist ab sofort auch in der Schweiz erhältlich. Wirklich ausgereift wirkt Stadia noch immer nicht, aufregend und vielversprechend ist die Technik aber allemal.

Ein Jahr nach dem internationalen Start ist Google Stadia auch in der Schweiz verfügbar. Die Zeit hat dem Cloud-Gaming-Dienst gut getan. Vom Spieleangebot bis zu den Abo-Möglichkeiten hat sich vieles verbessert. Nachdem ich Stadia bereits im November 2019 mit VPN getestet habe, werfe ich nun einen zweiten hürdefreien Blick auf Googles ambitioniertes Projekt

Keine echte Flatrate, aber das Angebot wird laufend besser

Im Pro-Abo kommen laufend Spiele dazu.
Im Pro-Abo kommen laufend Spiele dazu.

Anders als beim ersten Launch gibt es nun zwei Abo-Möglichkeiten für Stadia. Im Gratis-Modell benötigst du lediglich einen Google-Account und schon kannst du loslegen. Dann kannst du Spiele in bis zu 1080p bei 60 fps streamen. Abgesehen vom Free-to-Play-Titel «Destiny 2» musst du aber alle Spiele kaufen. Über 100 stehen mittlerweile zur Auswahl.

Stadia Pro kostet nach der einmonatigen Probezeit 11 Franken monatlich. Darin enthalten sind aktuell 31 Spiele, die du direkt freischalten kannst. Sie gehören dir solange du Stadia-Pro-Abonnent bist. Neue Spiele kommen in regelmässigen Abständen dazu. Mit dem Pro-Abo laufen Spiele mit bis zu UHD-Auflösung, bei 60 fps, mit HDR und 5.1-Surround-Sound. Ausserdem gibt es grosszügige Rabatte auf Spielekäufe.

Stadia bietet eine Mischung aus Flatrate im Stile von Netflix oder Xbox Cloud Gaming und traditionellem Store, wo Spiele gekauft werden müssen. Ein Vorteil gegenüber Microsofts Service ist, dass Spiele wie «Assassin’s Creed Valhalla» oder «Cyberpunk 2077» zum Launch zur Verfügung stehen.

Wie und wo spielt man mit Stadia?

Die App ist aufgeräumt und übersichtlich.
Die App ist aufgeräumt und übersichtlich.

Stadia lässt sich auf fast jedem Gerät mit einem Chrome Browser benutzen. Am Laptop, PC, Smartphone oder Fernseher via Chromecast Ultra oder per Workaround auch auf Android TV respektive Google TV. Auf letzteren ist die Stadia-App zwar nicht offiziell verfügbar, aber du kannst sie manuell sideloaden. In einem Roundtable per Videochat gestand auch der Head of Business Development bei Stadia Samuel Peterson ein, dass das etwas absurd sei. Aber ein Update soll folgen.

Installieren musst du abgesehen von der App nichts. Im Browser reicht es sogar, sich auf Stadia.com einzuloggen und schon kannst du loslegen. Du kannst dabei frei wählen, ob du mit Maus und Tastatur, einem Xbox-Controller oder am Smartphone mit Touch-Steuerung spielst. Die ist allerdings in den wenigsten Spielen zu empfehlen, da sie nicht speziell fürs Smartphone entwickelt wurden und du dir nur die Finger verknotest. Am besten spielt es sich mit dem Stadia-Controller. Nur dieser verbindet sich nämlich per Wifi direkt mit dem Datencenter und sorgt damit für die geringste Eingabeverzögerung. Im Direktvergleich mit einem Xbox-Controller, der die Befehle zuerst an meinen PC und dann zu Googles Rechenzentrum schickt, reagiert die Steuerung mit dem Stadia-Controller eindeutig schneller.

Jedes Spiel unterstützt Touch-Eingabe.
Jedes Spiel unterstützt Touch-Eingabe.

Chromecast Ultra mit Stadia Controller gibt es in der Stadia Premiere Edition für 119.99 Franken. Separat kostet der Controller 79 Franken.

Ein besonderes Feature von Stadia ist, dass du deine Spielpartie vom Smartphone direkt an den PC oder Fernseher verlegen kannst, ohne das Spiel unterbrechen zu müssen. Dazu startest du Stadia einfach auf einem neuen Gerät, ohne die alte Session zu beenden und schon kannst du an der gleichen Stelle weiterspielen.

Um den Stadia-Controller an einem neuen Gerät zu nutzen, musst du nur lange den Stadia-Button drücken und anschliessend die Tastenkombination eingeben, die angezeigt wird. So konnte ich in meinem Test problemlos vom Smartphone, zum PC, zum Fernseher wechseln.

Wie ist die Performance?

Du kannst die Auflösung manuell heruntersetzen.
Du kannst die Auflösung manuell heruntersetzen.

Meine Hauptkritik beim ersten Test per VPN war die Performance. Inputlag, schlechte Bildqualität und Tonverzögerungen waren schon fast die Regel. Mit dem Schweizer-Launch kann ich auf VPN verzichten. Die Performance wird dadurch erwartungsgemäss besser. Besonders über Chromecast Ultra mit eingestecktem LAN-Kabel erhalte ich ein sehr gutes Ergebnis. Die Bildqualität ist am höchsten, das Inputlag am niedrigsten und nur damit bekomme ich aktuell überhaupt HDR. Ein ungeschultes Auge dürfte den Unterschied von einer lokalen Spielversion am PC oder der Konsole zu Stadia kaum erkennen. Sofern es nicht zu Artefakten oder Bildrauschen kommt, wenn die Verbindung gerade nicht will, und du die einzelnen Pixel zählen kannst. Das ist bei mir aber (Wingo mit 1 Gigabit/s) so gut wie nie vorgekommen.

Mir persönlich fällt der grafische Unterschied besonders bei Spielen, die ich auch woanders Spiele, sofort auf. Das Bild ist weniger scharf und nicht so detailreich. Am Beispiel von «Assassin’s Creed Valhalla» ist das sehr gut zu erkennen. Mit Stadia wirkt alles ganz leicht verwaschen und die Farben sind etwas blasser. Kommt hinzu, dass mit UHD-Auflösung die Steuerung nicht so präzise ist. Das Lag ist unmissverständlich spürbar. Aber wenn du den Vergleich zu einer lokal gespielten Version nicht hast, wirst du es möglicherweise nicht mal bemerken. Du gewöhnst dich schnell daran, dass du die Taste beim Kontern oder Angreifen etwas früher drücken musst. Sonst kannst du die Auflösung auch auf 1080p oder 720p beschränken. Je nach Grösse des Abspielgeräts siehst du den optischen Unterschied kaum, die Steuerung wird jedoch deutlich präziser.

Am stärksten fallen mir die Unterschiede am PC über den Chrome Browser auf. Zum einen gibt es dort kein HDR, auch ist die Bildqualität schlechter als auf dem Fernseher per Chromecast. Und wenn ich einen Shooter wie «Destiny 2» mit Maus und Tastatur spiele, dann packt mich selbst mit UHD-Auflösung nicht nur optisch das nackte Grauen, sondern auch spielerisch. Die Verzögerung ist mit der Maus am extremsten spürbar. Für mich unspielbar.

Auch mit Controllern wie dem Razer Kishi lässt sich Stadia spielen.
Auch mit Controllern wie dem Razer Kishi lässt sich Stadia spielen.

Positiv ist wiederum das Erlebnis am Smartphone oder Tablet. Dort sieht jedes Spiel beeindruckend aus, besonders Blockbuster-Games wie «Red Dead Redemption 2», «Watch Dogs Legion» oder «Metro Exodus». Solche grafische Opulenz erlebst du am kleinen Bildschirm nicht alle Tage – respektive mit Stadia eben doch. Auch das Inputlag stört dort weniger, weil du schon mit anderen Ansprüchen herangehst. Dass die Auflösung auf 1080p limitiert ist, hilft ebenfalls. Im heimischen WLAN funktioniert’s sehr gut, unterwegs übers Mobilnetz kommt es oft zu Rucklern oder verwaschenem Bild, wenn sich die Bitrate herabsetzt.

«Stream Connect» und andere Besonderheiten

«Stream Connect» ist eines der wenigen Features, die derzeit nur mit Stadia möglich sind.
«Stream Connect» ist eines der wenigen Features, die derzeit nur mit Stadia möglich sind.

Mittlerweile hat Google auch ein paar Features nachgereicht, die eigentlich schon zum Launch vor einem Jahr hätten fertig sein sollen. Dazu gehört «Stream Connect». Damit kannst du deinen Bildschirm in Echtzeit mit Mitspielern teilen. Praktisch für Multiplayer-Games, wenn du sehen möchtest, was deine Freunde sehen. Funktioniert aktuell nur in den folgenden vier Spielen «The Division 2», «Ghost Recon Breakpoint», «The Crew 2» und «Orcs Must Die! 3».

Mit der entsprechenden Taste am Stadia-Controller kannst du dein Spiel auf Youtube live streamen. Über «State Share Beta» können deine Zuschauer per Link direkt die gestreamte Spielpartie joinen. Funktioniert aktuell nur in «Crayta».

Bei «Crowd Choice» können Youtube-Zuschauer per Voting das Spielgeschehen bestimmen. Ähnliches kennt man bereits von Twitch. «Crowd Choice» ist verfügbar in «Baldur’s Gate 3» und «Dead by Daylight».

Fazit: Immer noch beeindruckend, immer noch eine Baustelle

Cloud Gaming bleibt für mich etwas Magisches: Ohne Installation im Browser oder am Smartphone den Start drücken und schon kann ich «Assassin’s Creed Valhalla» oder «Red Dead Redemption 2» zocken. Keine Updates, keine teure Hardware, überall und jederzeit verfügbar. Das nenne ich Komfort.

Wenn du Stadia für sich betrachtest ohne Direktvergleich zu PC oder Konsole, kannst du damit durchaus Spass haben. Bildqualität und Steuerung sind ausreichend, wenn du nicht zu hohe Ansprüche stellst. Während du aber beim lokalen Spielen meist nur einen Kompromiss bei guter Performance oder guter Grafik machen musst, hapert es bei Stadia an beidem. Der Streaming-Dienst verliert gegen jeden halbwegs guten PC oder Konsole.

Cloud-Gaming steckt immer noch in der Kinderschuhen. Besonders mit UHD-Auflösung gibt es noch zu viele Einschränkungen. In 1080p oder gar 720p läuft die Sache schon sehr rund und selbst hektische Spiele steuern sich angenehm. Und das schnelle Hin- und Herwechseln zwischen Geräten ohne das Spiel unterbrechen zu müssen, ist beeindruckend. Jetzt muss einfach noch der ganze Rest stimmen.

Ich plane als nächstes einen Direktvergleich zwischen Stadia, Xbox Cloud Gaming und Geforce Now. Wenn du den nicht verpassen willst, dann klick unten auf «Autor folgen».

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Als Kind durfte ich keine Konsolen haben. Erst mit dem 486er-Familien-PC eröffnete sich mir die magische Welt der Games. Entsprechend stark überkompensiere ich heute. Nur der Mangel an Zeit und Geld hält mich davon ab, jedes Spiel auszuprobieren, das es gibt und mein Regal mit seltenen Retro-Konsolen zu schmücken. 


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