

Hanf-Hype: Warum die Marke Lavie jetzt auf die Naturfaser setzt
Hanf mischt langsam, aber sicher die Textilbranche auf. Das zeigt auch die neue Bettwäsche von Lavie. Oliver Balsiger, der Geschäftsleiter der Schweizer Marke, erklärt mir die Vorzüge der in Vergessenheit geratenen Naturfaser.
Hanf zählt zu den ältesten Kulturpflanzen der Welt und wurde bereits im 3. Jahrtausend vor Christus in China verwendet, um Textilien herzustellen. Trotzdem wurde die Naturfaser im letzten Jahrhundert in die negativ behaftete Öko-Ecke abgeschoben und hierzulande nicht mehr angebaut, wodurch sie unterging. Die Schweizer Marke Lavie für Heimtextilien hat dennoch einen Weg gefunden, Hanf-Bettwäsche in ihre Kollektion aufzunehmen und ihr ein neues Image zu verpassen. Wie es dazu kam, erzählt mir Geschäftsleiter Oliver Balsiger.
Oliver, bisher habt ihr auf Baumwolle und Leinen gesetzt. Warum wolltet ihr bei Lavie nun auch Textilien aus Hanf herstellen?
Oliver Balsiger: Wir haben festgestellt, dass der Trend wieder hin zu traditionellen Stoffen geht. Aus nachhaltigen Gründen, aber auch aus optischen: Der «crispy» Look von Naturfasern ist wieder sehr gefragt. Das fanden wir als Textilmarke spannend.
Wie erklärst du dir, dass das eine Zeit lang nicht so war?
Eigentlich wurde Hanf ja bereits vor Jahrtausenden eingesetzt. Aber es herzustellen, ist aufwändig. Nur schon bis die Fasern aus dem Stängel herausgelöst sind, braucht es Zeit und Platz. Mit der Industrialisierung und neuen Maschinen wurde es leichter und günstiger, stattdessen Baumwolle herzustellen. Die Baumwollproduktion nahm immer mehr zu, synthetische Fasern kamen auf den Markt. Ausserdem verschwand Faserhanf, weil der Anbau aller Arten der Pflanzengattung nach dem Zweiten Weltkrieg verboten wurde.

Quelle: Lavie
Was unterscheidet Bettwäsche aus Hanf von einer aus Baumwolle oder Leinen?
Die Naturfaser eignet sich fürs ganze Jahr. Sie ist dank der Lufteinschlüsse in der Faser nicht nur kälte-, sondern auch wärmeregulierend. Im Sommer ist sie anders als Baumwolle luftdurchlässiger und verhält sich wie Leinen. Was Hanf und Leinen auch gemeinsam haben, sind antiallergische und antimikrobielle Eigenschaften sowie ihre knittrige Oberfläche. Die Oberfläche von Hanf fühlt sich etwas gröber und wärmer als die von Leinen an. Mit mehreren Waschgängen wird sie jedoch weicher.
Du hast erwähnt, dass Hanf auch aus nachhaltigen Gründen wieder beliebter ist. Was macht Hanf umweltfreundlicher?
Faserhanf wächst wie Unkraut: dicht und extrem schnell. Es hat eine grössere Dichte pro Quadratmeter als Baumwolle oder Leinen. Im Anbau besitzt er eine negative CO₂-Bilanz, weil er mehr CO₂ bindet, als er verbraucht. Und er muss nicht mit Pestiziden behandelt werden. Selbst bei Leinen gibt’s ganz am Anfang ihres Wachstums einen Schädling, gegen den die Pflanze geschützt wird. Hinzukommt, dass Hanf Wasser sechsmal effizienter für die Biomassebildung nutzt und in Europa circa 75 Prozent weniger Wasser verbraucht.
Müsste der sparsame Charakter das Naturprodukt im Anbau nicht günstiger machen als Baumwolle, die oft künstlich bewässert wird und dabei dem Boden schadet?
Eigentlich ja, nur ist der Preis für Hanf gerade aufgrund des begrenzten Angebots so hoch. Wir entwerfen unsere Heimtextilien in Zürich und lassen sie in Portugal produzieren. Unser Partner dort hat lange nach Lieferanten für den richtigen Rohstoff gesucht und wurde erst in China fündig. Hanf ist eine Pflanzengattung, es gibt verschiedene Sorten. Für Textilien brauchen Faserhanf, der hoch wächst und einen möglichst dicken Stamm besitzt, um daraus die geeigneten Fasern zu gewinnen.

Quelle: Lavie
Weniger Wasserverbrauch, kein Einsatz von Giftstoffen im Anbau, gut für den Boden, schnelles Wachstum, hohe Qualität, regionaler Anbau möglich – vieles spricht für den Hanf-Hype. Dennoch durchdringt der Stoff nur langsam die Textilbranche. Im Anschluss an das Gespräch mit Oliver will ich herausfinden, warum. Auf diversen Plattformen werden immer wieder ähnliche Gründe genannt: Hanf sei momentan nicht nur teuer, weil die Saatgutbeschaffung schwer ist, sondern auch, weil Anbaumethoden und Maschinen im Vergleich zu Baumwolle noch nicht so ausgereift sind. Es brauche noch eine Weile, bis Unternehmen ihre Produktion umstellen, um aus den zähen Hanffasern ein seidenweiches oder grobes Garn machen zu können. Ähnlich wie beim CBD-Boom bestimmen dabei auch wir mit unserem nächsten Einkauf, wie reibungslos das Hanf-Comeback im Textildesign voranschreitet.
Auftaktbild: LavieWie ein Cheerleader befeuere ich gutes Design und bringe dir alles näher, was mit Möbeln und Inneneinrichtung zu tun hat. Regelmässig kuratierte ich einfache und doch raffinierte Interior-Entdeckungen, berichte über Trends und interviewe kreative Köpfe zu ihrer Arbeit.