Produkttest

Hellion macht das Leben leichter

Zuallererst erleichtern die Bikes von Early Rider dein Bankkonto. Billig ist anders. Aber ich bin froh, tief in die Tasche gegriffen zu haben – der britische Hersteller weiss, worauf es bei Kindervelos ankommt. Mir hat es das Leichtgewicht «Hellion Urban» angetan. Meiner Tochter auch.

Die ersten Frühlingstage brachten zwei überraschende Erkenntnisse: Die Kinder sind gewachsen. Ihre Velos nicht. Meiner Tochter wird ihr 16-Zoll-Rad von Ollo Bikes langsam zu klein. Dafür ist ihr Bruder schon scharf darauf, es endlich ganz zu übernehmen. Und ich ziehe mir in diesem Fall ganz gerne die Spendierhosen an. Weil für Mami und Papi ohne Velo im Alltag und in der Freizeit gar nichts geht, sollen auch die Kinder möglichst früh angefixt werden. Ich wünsche mir, dass sie genauso viel Spass an ihren Bikes haben wie wir.

Darum ignoriere ich, dass Weihnachten vorbei, Ostern noch weit weg und auch kein Geburtstag in Sicht ist. Ein 20-Zoll-Modell muss her. Jetzt. Und zwar ein gutes. Mit hochwertigen Komponenten, durchdacht proportioniert und vor allem leicht. Denn der Faktor Gewicht ist ziemlich entscheidend. Stell dir vor, dein Velo würde 40 Kilo wiegen. Viel Spass damit auf der nächsten Tour. Kinder müssen damit klarkommen, dass ihr Gefährt im Verhältnis zum Körpergewicht ein ziemlicher Brocken ist. Inzwischen gibt es zum Glück einige Hersteller, die ihre Bikes von Grund auf kindgerecht gestalten. Nicht wie früher mit ein paar mehr oder weniger niedlichen Mickey-Mouse-Aufklebern auf dem tonnenschweren Stahlrahmen.

Leicht und schön

Am unteren Ende der Gewichts- und am oberen Ende der Preisskala finden sich die Modelle von Early Rider. Vor allem die Laufräder und der Belter der Marke rollen an Wochenenden über jeden besseren Sportplatz. Die 20-Zöller sind mir noch nicht so oft begegnet. Ich schwanke kurz zwischen dem Hellion Trail, entscheide mich aber gegen Kettenschaltung und Scheibenbremsen. Die Trails müssen noch etwas warten, im Moment erscheint mir das «Hellion Urban» am sinnvollsten. Es ist mit einer 3-Gang-Nabenschaltung ausgestattet und mit 7.4 Kilo ein Leichtgewicht. Zum Vergleich: Viele andere Modelle dieser Grösse bringen zwischen 10 und 13 Kilo auf die Waage.

Meiner Tochter dieses Velo schmackhaft zu machen, ist nicht weiter schwer. Aber kommt sie schon damit klar? Empfohlen ist es ab sechs Jahren (passt) und einer Mindestgrösse von 115 Zentimetern (passt noch nicht ganz). Dafür messen wir bei der Innenbeinlänge die minimal empfohlenen 50 Zentimeter. Damit ist der Fall entschieden: Das Ding wird bestellt. Am übernächsten Tag steht ein grosser Karton im Treppenhaus, als wir abends nach Hause kommen.

Rad ab: Vorderrad, Lenker, Sattel und Pedale müssen installiert, die übrigen Einstellungen kontrolliert werden.
Rad ab: Vorderrad, Lenker, Sattel und Pedale müssen installiert, die übrigen Einstellungen kontrolliert werden.

Montage mit Hindernissen

Der Zusammenbau wäre ganz einfach, wenn meine Tochter nicht aufgeregt um mich herum springen würde. Im Nu ist das Vorderrad verschleppt, der Inbus-Schlüssel verlegt und die passenden Schrauben finde ich auch nicht mehr. Ich kapituliere für den Moment und beschliesse, mich einfach mit ihr zu freuen. Wir entfernen gemeinsam den schützenden Schaumstoff, bewundern den Alu-Rahmen und setzen den Sattel ein. Geschraubt wird, wenn die Kleine schläft.

In aller Ruhe macht mir die Sache Spass. Alles ist so neu und sauber, dass ich gemütlich im Wohnzimmer zur Tat schreiten kann. Die Anleitung ist recht knapp gehalten, aber wenn du keine zwei linken Hände hast und vielleicht dein Velo gelegentlich selber wartest, solltest du keine Probleme bei der Montage haben. Hast du bedenken, kannst du dir das Velo auch 100% fahrbereit aufmontiert liefern lassen.

Passende Inbus-Schlüssel sind dabei.
Passende Inbus-Schlüssel sind dabei.
Die Pedale sind leicht und griffig, aber nicht zu scharfkantig.
Die Pedale sind leicht und griffig, aber nicht zu scharfkantig.

Das gibt's zu tun

Das Vorderrad muss mit zwei Schrauben fixiert und die Pedalen in die 120 Millimeter langen Alu-Tretkurbeln geschraubt werden. Deren Länge sollte, um optimal treten zu können, ungefähr 10 Prozent der Körpergrösse des Fahrers oder der Fahrerin ausmachen. Das kommt in diesem Fall hin. Mit vier Schrauben lässt sich der Lenker montieren und mit dem Sattel, den wir schon vorab eingesetzt hatten, steht nach ein paar Minuten ein komplettes Velo vor mir. Die meiste Zeit geht aber für's Feintuning drauf. Ich kontrolliere alle Schrauben, hänge die V-Brakes von Tektro ein und justiere sie, bis sie optimal greifen. Über eine kleine Schraube am Bremsgriff lässt sich zusätzlich der Abstand passend für die jeweilige Kinderhand einstellen.

Die 3-Gang-Schaltung stammt – anders als auf den Bildern im mitgelieferten Manual – nicht mehr von SRAM, sondern von Sturmey-Archer. Da SRAM die Produktion der Modelle Automatix und i-Motion3 eingestellt hat, musste Early Rider umdisponieren und hat gemeinsam mit dem neuen Partner einen kindgerechten Drehgriff zur Schaltung RS-RF3 entwickelt. Auf der Strecke geblieben ist dagegen der Riemenantrieb, der im Zusammenspiel mit der neuen Nabe nicht realisierbar war. Drum steht das Hellion Urban mit Kette vor mir, was mich nicht weiter stört.

Die Farbe finde ich schön, du kannst sie dir aber auch sparen: Komplett in Alu-Optik ist das Hellion Urban günstiger zu haben.
Die Farbe finde ich schön, du kannst sie dir aber auch sparen: Komplett in Alu-Optik ist das Hellion Urban günstiger zu haben.

Finger weg!

Meine zwei Kinder und ein paar weitere Besitzer sollte die Kombo relativ wartungsfrei überleben. Zumindest hoffe ich das. Denn sonst wird aus dem Vorteil der pflegeleichten Nabenschaltung ein Nachteil. Während ich regelmässig an Kettenschaltungen herumschraube, habe ich mir erst einmal an einer alten Nabenschaltung zu schaffen gemacht. Mit mässigem Erfolg, da bin ich mit meinem DIY-Latein am Ende. Und wie heisst es so schön in der Anleitung?

«Never attempt to take it apart – you will break it!»

Okay, ich hab's verstanden. Für den Moment gibt es aber nicht mehr zu tun, als die korrekte Einstellung der Schaltung zu checken. Worauf es dabei ankommt, siehst du unten im Bild.

Wenn die Spitze des gelben Dreiecks im zweiten Gang zwischen die beiden Striche zeigt, ist die Schaltung richtig eingestellt. Das Nachjustieren über eine Schraube am Schaltzug ist sehr einfach.
Wenn die Spitze des gelben Dreiecks im zweiten Gang zwischen die beiden Striche zeigt, ist die Schaltung richtig eingestellt. Das Nachjustieren über eine Schraube am Schaltzug ist sehr einfach.

Drei Gänge sollten zum Einstieg reichen. Nabenschaltungen haben zwar einen etwas schlechteren Wirkungsgrad als Kettenschaltungen, aber auch damit sind Touren auf unterschiedlichem Terrain drin und das Kind kann sich weiterhin vor allem auf's Fahren konzentrieren, anstatt ständig zwischen neun oder mehr Gängen hin- und her zu schalten. Beim Testen der Schaltung bekomme ich Zweifel, ob meine Tochter schon genug Kraft hat, sie während der Fahrt zu betätigen. Bei dem brandneuen Teil braucht es doch etwas Kraft, den Drehgriff zu bewegen. Nun ja, das wird sich schon einfahren und morgen werde ich es erfahren. Zeit für den Praxistest.

Das erste «richtige» Velo

Während das Auf- und Absteigen noch etwas wackelig ist, läuft es beim Fahren vom ersten Tritt an rund. Erster, zweiter und dritter Gang – kein Problem! Die Kleine saust los und geniesst es, dass ich ihr nur noch im Sprint für ein paar Meter folgen kann. Für sie ist es eine neue Welt, das erste «richtige» Velo.

Die fehlenden zwei oder drei Zentimeter zur empfohlenen Mindestgrösse machen sich nicht negativ bemerkbar. Sie sitzt gut, muss sich nicht krampfhaft nach dem Lenker strecken und hat das Gefährt im Griff. Nur das Runterschalten fällt ihr schwer. Es fehlt die Kraft, den Widerstand des Schaltzugs beim Fahren zu überwinden. Dafür muss sie momentan noch anhalten. Das nervt mich mehr als sie. Ich hoffe, dass sich das noch einspielt. Ein wenig leichter schaltet es sich nach ein paar Tagen schon.

Noch ist das Schalten ein Krampf.
Noch ist das Schalten ein Krampf.

Spielzeug oder Fahrzeug?

Die Gleichung geringes Gewicht = grosser Fahrspass geht auf. Was dabei vernachlässigt wird, ist die Sicherheits- und Strassenausstattung. Die mitgelieferten Reflektoren werde ich installieren und Licht haben wir bei Bedarf dabei. Solange wir auf dem Sportplatz unsere Testrunden drehen, ist das alles noch nicht so wichtig. Aber auch als Hellion (engl.: an unruly, rowdy or mischievous person) muss man sich im Verkehr benehmen. Doch wann wird aus dem Spielzeug eigentlich ein Fahrzeug? Sind wir auf dem Trottoir oder auf der Strasse besser aufgehoben? Antworten auf diese Fragen hat Pro Velo Schweiz wunderbar zusammengefasst:

Fazit: Gutes Rad ist teuer

Das Early Rider Hellion Urban ist ein tolles Kindervelo. Keine Frage. Und ein teures Kindervelo. Auch keine Frage. Aber das geringe Gewicht, die gute Verarbeitung und die hochwertigen Komponenten sind es mir Wert. Nur der Kampf mit der Schaltung trübt die Freude momentan noch ein bisschen. Ein weiteres Plus ist, dass die Bikes von Early Rider relativ wertstabil sind und sich nach ein paar Jahren noch gut (und bei entsprechender Pflege guten Gewissens) weiterverkaufen lassen. Aber so weit denke ich noch nicht. Erst mal sehe ich die Anschaffung als gute Investition in die wachsende Velo-Leidenschaft meiner Kinder.

So schnell war sie noch nie!
So schnell war sie noch nie!

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Einfacher Schreiber, zweifacher Papi. Ist gerne in Bewegung, hangelt sich durch den Familienalltag, jongliert mit mehreren Bällen und lässt ab und zu etwas fallen. Einen Ball. Oder eine Bemerkung. Oder beides.


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