
Hintergrund
Wie ein Schlitten entsteht, der alles anders macht
von Michael Restin
Yves Aeschbacher ist Industriedesigner und Schlittentüftler. Seit Jahren arbeitet er an einer Weiterentwicklung des klassischen Davosers. Ein Gespräch über Sandwich-Holz, Hängematten und sexy Kufen.
Das Design? Stammt von Yves. Die Produktionsstätten? Hat Yves ausgesucht. Die Abläufe? Hat Yves entwickelt. Als ich die Produktion des Sportschlittens «Black Hawk» in der Stiftung Wendepunkt besuche, wird schnell klar, dass einer fehlt: Yves. «Am besten rufst du ihn mal an», sagt Alex Maienfisch von Mach. Unter dem Dach seiner Skimarke wird der Schlitten vertrieben, doch weder er noch Produktionsleiter Alex Truninger wollen sich mit fremden Federn schmücken.
Mit Yves' Federn. Der 30-jährige Industriedesigner ist das Mastermind hinter dem Produkt und hat viel Arbeit in die Entwicklung gesteckt. Herausgekommen ist eine lokale, soziale und kompromisslose Neuinterpretation des klassischen Davosers. Am Telefon erzählt mir Yves Aeschbacher mehr darüber.
Wie bist du auf die Idee gekommen, einen Schlitten zu entwickeln?
Yves Aeschbacher, Industriedesigner: Ich habe Industrial Design in Basel studiert. In einem Modul haben wir uns das Ziel gesetzt, ein Sportgerät zu überarbeiten, bei dem in den letzten Jahrzehnten nicht viel Entwicklungsarbeit passiert ist und das noch Potenzial hat. Da sind wir auf den Schlitten gekommen.
Seither sind ein paar Jahre vergangen. Du hast weitergemacht und verschiedene Prototypen gebaut, bevor schliesslich der «Black Hawk» auf den Markt kam. Was unterscheidet ihn vom klassischen Holzschlitten?
Zum einen das Material. Ich verwende formverleimtes Buchenholz. Viele Sandwich-Ski sind so konstruiert und dieses Handwerk gibt es schon seit Jahrzehnten. Ich habe mich gefragt, warum es nicht mehr eingesetzt wird. Die meisten Schlitten sind dampfgebogen. Ab einem gewissen Punkt kann man einen Radius nicht mehr biegen. Durch die Schichtverleimung hat man mehr gestalterische Freiheit.
Wofür wolltest du sie nutzen?
Mich hat beim Rodelschlitten oder Davoserschlitten die Sitzposition ein bisschen gestört. Du liegst mit dem Oberkörper hinten und arbeitest mit Gewichtsverlagerung, dem Zugband und mit den Füssen. Die Idee bei meinem Schlitten war, dass du aufrechter sitzen und intuitiver steuern kannst. Ich habe es so gelöst, dass man über den Schlittenrahmen steuert. Du kannst dich daran festhalten und damit arbeiten, denn er ist beweglich.
Die Konstruktion musst du genauer erklären.
Ich habe mir überlegt, wie sich der Sitz ergonomisch und bequem gestalten lässt. Durch den geschwungenen Holzrahmen wird ein leichter Freischwinger möglich, der Sitz ist nur eingespannt. Du sitzt fast ein bisschen wie in einer Hängematte. Es ist wirklich sehr schwierig gewesen, das freischwebend zu konstruieren. Bei den ersten Prototypen ist noch fast jeder Sitz gerissen.
Wie hast du dieses Problem gelöst?
Der alte Sitz war vernäht. Der neue ist thermoverschweisst, doppellagig und gepolstert. Das ist eine All-in-one-Lösung, die viel Erfahrung brauchte. Jetzt ist es ein Highend-Sitz, den ich über Jahre mit den Murghof Werkstätten in Frauenfeld entwickelt habe. Auch bezüglich der Beweglichkeit konnten wir einen Schritt nach vorne machen. Wir haben jetzt eine fixe Verschraubung weniger. Eine Lasche hält die ganze Konstruktion, dadurch ist der Schlitten beweglicher und agiler.
Wie ich gehört habe, ist die Steuerung über den Rahmen anfangs etwas gewöhnungsbedürftig.
Stimmt. Aber dann fährt es sich angenehmer, ruhiger und bequemer. Wenn du dich auf einem klassischen Schlitten an der Zugleine hältst, ist der Oberkörper mehr oder weniger frei in der Luft. Nach einer Bodenwelle oder wenn du zu schnell in die Kurve gehst, ist es schwer, das Gleichgewicht zu halten. Vielleicht kennt der eine oder andere das Gefühl, mit extrem beanspruchten Bauchmuskeln unten anzukommen und nicht immer die Kontrolle gehabt zu haben. Meinen Schlitten habe ich inzwischen so im Griff, dass ich fast freihändig fahren kann. Sehr gemütlich. Aber das braucht ein bisschen Erfahrung.
Seit vergangenem Jahr ist der Schlitten an verschiedenen Verleihstationen im Einsatz, zum Beispiel in Gstaad und Adelboden. Wie war das Feedback nach der ersten Saison?
Es gab keine speziellen Feedback-Formulare. Aber wenn die Leute nicht reklamieren, sind sie in der Regel zufrieden. Von den Bergbahnen hiess es, dass er sehr bequem zu fahren ist. Ausserdem ist er gut stapelbar und braucht wenig Platz. Dazu ist er mit den Kunststoffkufen sehr schnell, besonders in flachen Passagen.
Die Kufen ähneln eher Skibelägen. Sind sie auch so empfindlich?
Im Privatbereich muss man vielleicht nach fünf oder sechs Jahren eine neue kaufen. Du fährst eigentlich immer auf der Innenkante, weil sie im 20-Grad-Winkel schräg auf dem Schnee steht. Die Kunststoffkufe lässt sich drehen und zweimal brauchen. Ausserdem ist sie schnell ausgetauscht und nicht sehr teuer. Wir haben eine Schwalbenschwanz-Verbindung und praktisch keinen Widerstand beim Aufschieben. Das ist sexy gelöst, finde ich (lacht).
Bislang gibt es den «Black Hawk» nur als Einsitzer. Wäre ein Zweisitzer möglich?
Schon, aber die Sicherheit muss im Vordergrund stehen. Deshalb haben wir einen Einsitzer. Es gibt einfach zu viele Unfälle. Tagestouristen beherrschen die Schlitteltechnik oft nicht richtig, sondern mieten etwas und fahren einfach mal. Ich sehe so viele Schlittler ohne Handschuhe und Helm in Sneakers. Schlitteln ist auch eine Sportart, es kann schnell und gefährlich werden. Du solltest mindestens so gut wie beim Skifahren ausgerüstet sein. Unser Schlitten wirkt technischer und sportlicher. Vielleicht denken einige dann auch daran, sich entsprechend zu schützen.
Sind weitere Entwicklungen geplant?
Ich überlege, ob wir noch eine Junior-Version für Kinder machen. Aber das ist derzeit noch kein Thema. Wir wollen es nicht übereilen. Schon am «Black Hawk» gibt es noch Gadgets, an denen wir arbeiten können. Zum Beispiel Rennkufen oder Beleuchtung. Es gibt ja viele Leute, die Nachtschlitteln gehen. Erst, wenn wir das Potenzial ausgereizt haben, werden wir einen Schritt weitergehen.
Bis zum «Black Hawk» in der heutigen Form war es ein weiter Weg, den Yves in vielen kleinen Entwicklungsschritten gegangen ist. Zum Ende unseres Gesprächs hat er noch eine Frage an mich: «Mein Ziel als Industriedesigner war ein modernes Design. Etwas, das auffällt und trotzdem nicht zu futuristisch wirkt. Der Schlitten ist immer noch aus Holz und hat eine klassische Biegung. Gleichzeitig sollte es ein modernes Stück sein. Ich frage dich: habe ich das erreicht?» Meiner Meinung nach ist das Design sehr gelungen. Was denkst du?
Hat Yves sein Design-Ziel erreicht?
Der Wettbewerb ist inzwischen beendet.
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Einfacher Schreiber, zweifacher Papi. Ist gerne in Bewegung, hangelt sich durch den Familienalltag, jongliert mit mehreren Bällen und lässt ab und zu etwas fallen. Einen Ball. Oder eine Bemerkung. Oder beides.