
Hintergrund
Rudern als gäb’s kein Morgen – Teil 2
von Patrick Bardelli
Meine Mission: Ein innovatives Rudergerät finden. Am besten möglichst leise und kompakt. Ich lande auf dem «Augletics Eight», das mich mit seinem «Virtual Coach» ins Schwitzen bringt.
Ich laufe, um zu rudern. Community-Mitglied thomas.berger hat per Kommentar nach einem innovativen Ergometer gefragt. Also auf in die Halle A6, wo an der ISPO unter dem Label Health & Fitness auch die Grossgeräte zu finden sind. Hier stellen bekannte Marken wie Kettler, Tunturi oder Horizon ihr Sortiment aus. Es herrscht kein grosser Andrang von Schaulustigen, Hersteller und Händler sind in ihre Gespräche vertieft, die Geräte verwaister als in jeder Muckibude.
Networking ist angesagt. Ich lasse mir einiges zeigen und es erhärtet sich der Verdacht: Die Neuerfindung des Rudergeräts ist nicht in Sicht. Modellpflege steht im Vordergrund. Der Widerstand wird nach wie vor magnetisch, durch Wasser oder Luft erzeugt, wobei Wasser und Luft für einen höheren Geräuschpegel sorgen, dafür das realistischere Rudergefühl bieten sollen als eine einfache Magnetbremse. Hybrid-Geräte, die Luft- und Magnetsystem vereinen, gibt es auch.
Bleibt nur ein Ort, an dem ich noch auf ein Ruder-Aha-Erlebnis hoffen kann. Die Halle, in der die Top 50 Newcomer ihre Produkte präsentieren. Und tatsächlich, von einem Flyer starrt mich ein Hüne an, der eigentlich nur Ruderer sein kann. Stimmt. Karl Schulze, Doppel-Olympiasieger im Doppelvierer, daneben das Logo von Augletics. Die Marke kannte ich noch nicht, das wird Carsten gleich ändern. Er hat nicht die Olympiasieger-Wandschrank-Statur, steht aber jetzt neben mir und kann medaillenverdächtig gut reden. Humor hat er auch. Innovationen? Hier? Neeeee. Zwinker, zwinker. Der Salesmanager schickt mich auf das Augletics Eight Style, um mich davon zu überzeugen, dass das deutsche Start-up nicht mehr und nicht weniger als das kleinste Profi-Rudergerät der Welt entwickelt hat. Das beste sowieso. Smart noch dazu.
Schön sieht es aus. Ein glänzendes Edelstahlgehäuse kombiniert mit Holz. Im Inneren steckt eine selbst entwickelte elektronisch geregelte Wirbelstrombremse, die in der Zugphase von Anfang an den optimalen Widerstand bieten und ein Rudergefühl wie auf dem Wasser erzeugen soll. Sehr leise und wartungsarm, alles «made in Germany».
Das 10-Mann-Unternehmen sitzt in Königs Wusterhausen bei Berlin und Carsten ist der einzige, der keine grosse Ruder-Vergangenheit hat. Trotzdem bringt er mir das Rudern bei. Zum einen weiss er natürlich, wie es geht. Zum anderen hilft der Virtual Coach, den Augletics ebenfalls selbst entwickelt hat. Oben im Video bekommst du einen Eindruck davon.
Sensoren messen, was ich bei meinen Ruderversuchen veranstalte, und geben über das Farbdisplay in Echtzeit Feedback: Bewegungsablauf, Schlaglänge, Vorrollen, Rhythmus und Konstanz werden in einem Netzdiagramm bewertet. Verbesserungsvorschläge hat der virtuelle Trainer ebenfalls auf Lager. Neben dem Koordinationstraining bietet er Kraft- und Ausdauerprogramme für jedes Trainingslevel.
Ich rudere mich langsam in den Flow, Carsten ist halbwegs zufrieden mit mir: «Jaaa, das sieht doch schon viel besser aus!» Wer keinen Carsten neben sich hat und etwas Unterhaltung will, kann sich auch eine Strecke auf der Spree, Seine oder Themse auf das Touch-Display laden und Wettkämpfe simulieren. Die Trainingsdaten werden protokolliert, Schnittstellen zu den gängigen Fitness-Apps und Software-Updates gibt es auch.
Ich komme ins Schwitzen. Das Augletics Eight schnurrt gleichmässig vor sich hin. Leise ist es wirklich. Und mir als Anfänger hilft das direkte Feedback, meine Fehler zu korrigieren. So ein Highend-Manufaktur-Ergometer stellen sich aber wahrscheinlich eher ambitionierte Ruderer in die Wohnung. Dort beansprucht es auch etwas Platz, sieht aber hochgeklappt nicht schlechter aus als so manche Skulptur in der Fussgängerzone.
Auch wenn Carsten der geborene Verkäufer ist: Bei Preisen ab 2 500 Euro muss ich mich nicht allzu sehr am Riemen reissen, um zu widerstehen. Ich schwimme nicht im Geld, ich rudere hier nur. Auf dem innovativsten Ergometer, der mir an der ISPO 2019 begegnet ist. Er wird keine Revolution auslösen, aber Vorreiter sein. Beim Training noch besser vermessen und unterhalten werden - dahin geht der Trend. Die Masse trainiert vorerst weiter klassisch. Kollege Bardelli ist gerade dabei zu beweisen, dass man auch auf bewährten Geräten wie dem Bestseller von Concept2 fröhlich durch die Hölle rudern kann.
Einfacher Schreiber, zweifacher Papi. Ist gerne in Bewegung, hangelt sich durch den Familienalltag, jongliert mit mehreren Bällen und lässt ab und zu etwas fallen. Einen Ball. Oder eine Bemerkung. Oder beides.