
Ist die Lelit Bianca wirklich nur für Baristas?
Siebträger-Maschinen haben den Ruf, nur etwas für Liebhaber zu sein: Sie sind kompliziert, brauchen ewig bis sie aufgeheizt sind und kaum kaufst du andere Bohnen, musst du sie neu justieren. Die «Lelit Bianca» kokettiert genau damit im Werbeslogan. Bringe ich sie trotzdem zum Laufen?
«If you are not a real barista, keep away from me!», steht in dicken, serifen Buchstaben auf der Webseite von Lelit. «Wenn du kein Barista bist, halt dich von mir fern!». Ich bin kein Barista. Ich habe in meinem Leben vielleicht zehnmal mit einem Siebträger Kaffee gemacht, dabei war der Mahlgrad des Kaffees schon perfekt eingestellt. Jetzt stehe ich also hier mit einer Maschine, die aussieht wie der Führerstand einer Dampflokomotive und ich habe eine vage Ahnung davon, was sie in der Theorie alles kann.

Zwei Boiler und ein Halleluja
Ohne hier zu technisch zu werden: Die Bianca besitzt zwei Boiler, einen für Kaffee und einen für Dampf. Damit lässt sich gleichzeitig Milch schäumen und Kaffee extrahieren. Richtig spannend wird es beim Paddel, das oben an der Brühgruppe angebracht ist. Dort kannst du den Druck bei der Extrahierung festlegen. Danke einer Anzeige weisst du immer, mit welchem Druck dein Kaffee aus der Maschine läuft. Das ist mitentscheidend für die Stärke des Espressos, gemeinsam mit anderen Variablen wie Mahlgrad des Kaffees, Extraktionszeit oder Temperatur.

Auch hier hat Lelit mitgedacht. Dank einem kleinen Bordcomputer an der Maschine lässt sich unter anderem die Temperatur aufs Grad genau einstellen. Zudem kannst du die Dauer der Pre-Infusion elektronisch steuern. In Sekunden gibst du an, wie lange du den Kaffee im Siebträger wässerst und wie lange du den Kaffee «aufgehen» lässt. Das musst du bei anderen Maschinen manuell machen. Praktisch: Die Gesamtzeit der Extraktion wird dir gleich mit angezeigt.

Man vs. Machine
Eines fällt beim Installieren der Lelit Bianca auf: Sie ist unglaublich wertig verarbeitet. Nichts wackelt oder wirkt billig. Das äussert sich bis ins kleinste Detail. Den Wassertank kannst du zum Beispiel nicht nur hinten, sondern auch links oder rechts der Maschine befestigen. Die Lanzen für Heisswasser und Dampf sind isoliert, damit du dir beim Milchschäumen nicht die Finger verbrennst und die Elemente aus Holz wirken Edel, ohne zu übertreiben. Die Maschine ist schlicht ein Blickfang in jeder Küche. Hält sie aber, was sie verspricht?
Nochmals: Ich bin kein Barista. Daher misslingt der erste Espresso gründlich. Der Kaffee wird zu dünn, ich habe zu wenig Pulver in den Kolben getan. Neuer Versuch. Jetzt wird der Kaffee zu bitter, die Crema trotzdem zu dünn. Ich probiere es mit einem etwas gröberen Mahlgrad. Jetzt wird der Espresso etwas besser, die Crema lässt sich langsam sehen, dennoch bin ich irgendwie nicht zufrieden…
250 Gramm Kaffee später…
Wie viele Espressi waren das jetzt? Ich weiss es nicht mehr. Das Herz rast, ich fühle mich wie unter einer Glasglocke. Meine Mundhöhle ist trocken. Habe ich den perfekten Espresso schon gemacht? Ich weiss es nicht mehr, ich kann gar nichts mehr unterscheiden. Kann ich mich mit Espressi vergiften? Laut diesem Rechner hatte ich «eindeutig zu viel Koffein». Dazu hätte ich den Rechner jetzt nicht gebraucht. Herzrasen? Jep. Kopfschmerzen? Check. Schweissausbrüche? Jawohl. Ich hab’s übertrieben.

Beim nächsten Kaffeemaschinen-Test hole ich mir Hilfe bei Experten. Lelit hat wohl recht: Nur Baristas sollten dieses Teil betreiben. Oder wie es User Anonymous im Kommentar zu diesem Artikel schreibt: «Schreit nach einer Schulung. Die Komplexität der Extraktion nimmt zu.... Ich brauche diese Maschine».
Fazit
Ja, auch ich brauche diese Maschine. Sollte ich nicht erst mit einem kleineren, günstigeren Modell einsteigen und Siebträger so von Grund auf erlernen? Vielleicht. Der Preis der «Lelit Bianca» ist eher am oberen Ende der bei Galaxus verfügbaren Siebträger-Maschinen. Schliesslich musst du aber ohnehin eine rechte Stange Geld ausgeben, um dir einen Siebträger zu gönnen. Warum also nicht etwas mehr investieren? Ich spare auf jeden Fall ein paar Monate länger und besorg mir die «Lelit Bianca». Das Gesparte sollte auch noch für einen Barista-Kurs reichen, damit ich das Teil auch wirklich bedienen kann.

Als ich vor über 15 Jahren das Hotel Mama verlassen habe, musste ich plötzlich selber für mich kochen. Aus der Not wurde eine Tugend und seither kann ich nicht mehr leben, ohne den Kochlöffel zu schwingen. Ich bin ein regelrechter Food-Junkie, der von Junk-Food bis Sterneküche alles einsaugt. Wortwörtlich: Ich esse nämlich viel zu schnell.