
Produkttest
Five Stunt Evo Review: Von 0 auf 500 km getestet
von Dominik Bärlocher
Nach 500 Kilometern mit den fast schon sündhaft teuren Klim Induction Gloves lässt sich eines sagen: Noch nie war ein Handschuh vom ersten Moment an so bequem . Doch es bleiben Fragen. Darunter: «Warum ist da nur ein Scheibenwischer?»
In der Motorradszene gibt es dann und wann wieder so Hype-Marken. Eine Marke, die alles besser macht als alle anderen. Scheinbar. Aktuell ist das Klim. Klim, aus Rigby im US-Bundesstaat Idaho, stellt nicht nur Handschuhe für Motorräder her, sondern so ziemlich alles, was du an Kleidung auf dem Töff brauchst. Und auf dem Schneemobil. Und generell off road. Dabei wiederholen sich die Technologien über das Portfolio hinweg.
Besonders angetan haben es mir die Klim Induction Gloves. Aus dem Grund, dass ich noch nie einen Handschuh hatte, der auf Anhieb besser gepasst hat.
Deshalb blauäugig 150 Stutz hingeblättert, auf die Harley gesessen und 500 Kilometer damit gefahren.
Im Vergleich mit dem Five Stunt Evo, den ich kürzlich getestet habe, liegt der Klim auf dem Spektrum Werkzeug-Style ein gutes Stück weiter in Richtung Style. Der Induction hat mehr mit einem klassischen Ich-halt-deine-Finger-warm-Handschuh gemein als der Stunt Evo.
Die Klim Induction Gloves sind architektonisch simpel gehalten, vergessen aber nicht, wofür sie gebraucht werden. Daumen und Zeigefinger an beiden Händen sind smartphonetauglich. Sie besitzen eine abgesonderte Partie, die den Stromkreis zwischen eines capacitive Touchscreens und deinen Handschuhen schliesst. Um die Signale vom Finger an den Screen zu leiten, wird normalerweise stromleitender Faden verwendet. Ob das bei Klim auch so ist, kann ich dir nicht sagen, da ich meine 150-Franken-Handschuhe nicht zerpflücken will.
Von obensieht der Handschuh auf allen Fingern gleich aus. Leder, perforiert, Polster. Dazwischen ein bisschen dünner Stretch-Stoff zur Belüftung. Am linken Zeigefinger ist ein Scheibenwischer, also eine Plastiklippe, verbaut. Auf dem Handrücken findest du den Hingucker dieses Handschuhs: Die matten Carbon-Knöchel. Dahinter sind fünf Lederwülste, die sich bei Bewegung dehnen. Dahinter Netzstoff bis zum Handgelenk.
Auf der Handfläche sind die Nähte so gelegt, dass du sie nicht spürst, wenn du die Griffe deines Motorrades hältst. Die Handfläche ist mit einem Aramid-verstärkten Polster versehen, das dir bei einem Sturz etwas mehr Sicherheit bringen soll. Hoffen wir, dass du nie rausfindest, ob das stimmt. Oben bei den Fingern ist eine zweite Lederschicht angebracht, die dem Komfort dient. Dazwischen eine perforierte Fläche. Der Handschuh ist innen mit weichem Stoff ausgekleidet, der am Fingergrundgelenk endet.
Den Klettverschluss am Handgelenk benutzt du im Idealfall nur einmal. Denn oben am Handschuh hast du einen Reissverschluss, der das Anziehen extrem einfach und schnell macht. Eine auffällige Lasche, die dir dabei hilft, mit Kraft den Handschuh schnell und einfach anzuziehen, vereinfacht das Ganze weiter..
Nach 500 Kilometern mit den Handschuhen stellt sich mir eine grosse Frage: Warum ist der Scheibenwischer nur an der linken Hand? Das ergibt keinen Sinn. Klim zwingt dich so praktisch, während der Fahrt in deinem Sichtfeld herumzuwischen, denn wenn du stillstehst, dann hältst du in der Regel die Kupplung mit der linken Hand im ersten Gang gedrückt. Oder bin ich der Einzige, der nicht an jeder Kreuzung in den Neutralgang schaltet?
Die Lösung wäre simpel: Die Gummilippe könnte an beiden Handschuhen angebracht werden. Bei 150 Franken würde ich sagen, dass sich das locker rechtfertigen würde.
Gut, ehrlich gesagt spielt das gar keine so grosse Rolle, da der Scheibenwischer bei Regen nur halb gut funktioniert. Ich sehe zwar kurz etwas mehr, aber im Wesentlichen ist die Fahrt im Regen nach wie vor näher am Blindflug als am magischen Töff-Erlebnis, das du vom Sonnenschein her kennst. Besonders wasserdicht sind die Handschuhe auch nicht, da sie an der dünnsten Stelle aus nur einer Schicht perforierten Leders besteht. Die Klim Induction sind eher dafür gemacht, dich bei einem Sturz als vor den Elementen zu schützen. Denn nach gefühlten zehn Minuten hast du feuchte Finger. Immerhin sind sie auch nach 20 Minuten im strömenden Regen noch nicht nass. Länger habe ich sie nicht getestet, traue den Handschuhen aber nicht viel mehr als eine halbe Stunde Schutz vor Nässe zu. Wenigstens färben sie nicht ab.
Ich trage bei den meisten Handschuhen Grösse XL. Bei Klim aber passe ich gut in eine L. Sowohl Finger- als auch Daumenlänge sind ideal. Daher würde ich bei einer Online-Bestellung zur Sicherheit deine normale Grösse und eine kleiner bestellen und dann das nicht-passende Paar zurückschicken. Wenn du die Klim Induction Gloves im Laden kaufst, dann… probier sie an.
Ihre ganze Stärke spielen die Induction Gloves bei guter Witterung aus. Der Komfort, der ist wohl am Ende das Hauptargument für den Kauf der Induction Gloves. Du brauchst keine Eintragezeit, keine grossen Umgewöhnungsphasen mit einem Carbon Slider an der Handfläche oder dergleichen. Der Induction schützt dich und ist bequem, unterstützt dich sonst aber nicht beim Fahren, wie der Carbon Slider des Five Stunt Evo.
Während der Fahrt macht er, was er soll. Bei 30 Grad Lufttemperatur hast du keine heissen Finger, frierst aber auch nicht bei 20 Grad. Der Klim Induction Glove ist sowohl im Design– ausser du nimmst die blau/weisse Farbausführung – als auch in der Benutzung unauffällig. Im Preis nicht. Für 150 Franken hätte ich mindestens zwei Scheibenwischer erwartet.
Trotzdem: Der Klim Induction Glove ist solide Arbeit. Er erfindet nichts neu, bietet keine nennenswerten Vorteile in der Fahrt, ausser dass er saubequem ist. Ich bin mir sicher, dass er dir gut passen wird, egal, wie du Motorrad fährst. Und mit dem matten Carbon oben sieht er verdammt gut aus.
Journalist. Autor. Hacker. Ich bin Geschichtenerzähler und suche Grenzen, Geheimnisse und Tabus. Ich dokumentiere die Welt, schwarz auf weiss. Nicht, weil ich kann, sondern weil ich nicht anders kann.