
Meinung
Welche Fashion-Marken möchtest du hier in Zukunft sehen? Das sind meine Top 5
von Stephanie Vinzens
«Choose your fighter» heisst es in Games doch so schön. Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich meinen, wir sind auch im echten Leben gerade dabei, unsere Spielfigur zusammenzustellen.
Am 28. März öffnete ein Metaverse zum zweiten Mal seine programmierten Pforten für eine Fashion Week im Decentraland. Mit «Runway Shows, After-Parties, Immersive Experiences, Shopping and much more». Sprich: allem, was das konsumfreudige Mode-Herz begehrt. Nur virtuell eben. Nichts davon ist echt oder greifbar. Keines der Designs von Adidas, DKNY, Coach oder Diesel kannst du haptisch wahrnehmen, keinen der Drinks von den unzähligen Partys tatsächlich deine Kehle runterspülen. Irgendwie schade – aber wie es aussieht, unsere Zukunft. Künstliche Intelligenz in allen Formen und Facetten ergiesst sich unaufhaltsam immer weiter über unser alltägliches Leben, alternative Realitäten mausern sich langsam zu Hauptschauplätzen für selbiges. Und was machen wir? Mit. Allmählich auch optisch.
Die einen sprechen von «Cartoon Fashion» oder vom «Comic Mode»-Trend, andere schütteln einfach nur ungläubig den Kopf. Ich denke: Die Modewelt verwandelt uns heimlich in unsere eigenen Avatare.
Bestimmt sind auch dir hier oder da schon die überdimensionalen roten Stiefel des Künstlerkollektivs Mschf mit dem passenden Namen «Big Red Boots» unter die Augen geslidet. Was du beim ersten Anblick mit einem gephotoshopten Meme oder einer Kreation besagter KI verwechseln könntest, ist in Wahrheit ein waschechter Riesenschuh aus Gummi, der 350 US-Dollar kostet und derzeit überall ausverkauft ist.
Was für mich bisher in Computerspiele oder Anime-Serien gehörte, watschelt also inzwischen vielerorts durch die reale Welt. Ironischerweise mit dem Anspruch ebendieser zu entkommen. «Cartoonishness is an abstraction that frees us from the constraints of reality», lockt man bei Mschf. Ob es sich in diesen Botten wirklich so uneingeschränkt lebt? Ich wage es zu bezweifeln.
Vielleicht wäre für meine eigene Realitätsflucht eher das Modell «Marios Boots» von Red Wing Shoes geeignet. Ja, der Mario in Latzhose, der sich durch das Klettern in Rohre und Sammeln von Pilzen das Prädikat «super» verdient hat und nach zahllosen Game-Abenteuern im April mit eigenem Film in die Kinos kommt. Obwohl mir an ihm ausgerechnet die braunen Schnürschuhe bisher vollkommen irrelevant erschienen, gibt es diese nun im Nintendo Shop in New York als Real-Life-Treter zu bewundern. Momentan als unverkäufliches Einzelstück – aber man weiss ja nie.
Mit Schuhwerk ausserdem nicht genug, auch knöchelaufwärts kannst du dich dank Brands wie Loewe und A.W.A.K.E Mode optisch immer mehr in dein eigenes, virtuelles Alter Ego verwandeln.
Banal? Lustig? Oder doch irgendwie unheimlich? Science-Fiction-Filme wie «Matrix» und «Don´t Worry Darling» kommen mir in den Sinn und die phlegmatischen Menschlein aus «Wall-E» in ihrer alternativen, komplett digitalisierten Welt. Wie sie da auf Bildschirme glotzend vor sich hin wabern, ohne jemals einen Finger zu rühren, geschweige denn direkt miteinander zu kommunizieren.
Gut, bevor es mit uns so weit ist, vergehen vermutlich noch ein paar Jahrzehnte. Und wahrscheinlich sind die Cartoon-Schuhe und Playmobil-Looks auch einfach mit Humor zu nehmen und gar nicht so unheilverkündend, wie ich ihnen jetzt unterstelle. Wenn aber eines Tages ein kleiner Roboter an dir vorbei rollt, der den Planeten aufräumt, sag nicht, ich hätte dich nicht gewarnt.
Titelfoto: Instagram @sausagelordImmer zu haben für gute Hits, noch bessere Trips und klirrende Drinks.