

Mein Hoodie: Was tun, wenn der Lieblingskapuzenpulli rattig wird?

Eine Kamerafrau beleidigt einen Journalisten wegen seines zweitliebsten Kleidungsstücks. Ein Streitgespräch über gute Kleidung und die beste Lösung für ein Problem, das laut Letzterem gar keines ist.
«Du siehst wieder mal obdachlos aus», sagt Videoproduzentin Stephanie Tresch.
Ich fühle mich zwar geschmeichelt, weiss jetzt nicht genau, woher sie dieses Urteil nimmt. Mein Bart ist kurz und meine Haare auch. Meine Hosen haben ausnahmsweise keine Löcher drin und meine Stiefel sind… okay. Meine Doc Martens sind alt, abgewetzt und könnten sauberer sein. Aber an denen kann es nicht liegen, weil die hat sie so weit ich mich erinnern kann, nie in schönem Zustand gesehen.
Stephanie bemerkt, dass ich in Gedanken wohl mental mein Outfit durchgehe und den Obdachlosenaspekt suche.
«Dein Hoodie. Der sieht rattig aus. Wie lange hast du das Teil schon», fragt sie mit einem Unterton, der sagt «Junge, du brauchst einen neuen Hoodie».
«Keine Ahnung. Zwei Jahre oder so», sage ich und bin mir ziemlich sicher, dass ich nicht lüge. Ziemlich. Vielleicht untertreibe ich.
«Junge, du brauchst einen neuen Hoodie», sagt Stephanie, jetzt ohne Unterton, dafür aber bestimmt.
«Nein, brauche ich nicht», sage ich mindestens ebenso bestimmt. Die Leute um uns herum gehen auf Sicherheitsabstand, nehmen das Popcorn hervor und warten. Denn wenn wir uns nicht einig sind, dann schenken wir uns nichts.

Der Zustand meines Hoodies
Das ist mein Hoodie.

Während wir also streiten, denke ich im Hinterkopf über meinen Hoodie nach. Klar, neu ist anders. Aber ich mag den, auch wenn die Innenseite mal kuschlig weich war und jetzt kratzig ist. Flecken hat er noch keine, ist aber mehr so anthrazitfarben und nicht mehr so schön schwarz wie einst. Der Reissverschluss vorne klemmt manchmal unten, aber das ist doch noch kein Grund, das Teil zu ersetzen. Stephanie behauptet, dass die Löcher – einige aus Funkenflug beim Schweissen, einige unerklärlich – ein Grund zum Ersatz des Hoodies sind. Ich bin einfach nicht einverstanden.

Es spricht nämlich vieles für den Hoodie. Die Kapuze ist so schön verzogen, dass sie mir bequem über die Augen fällt, wenn ich im Zug oder im Flugzeug schlafen will. Sie funktioniert auch als Sonnenschutz oder als Schutz vor Regen. Dann müffelt der Hoodie zwar etwas, aber das tut doch jeder Hoodie.
Und überhaupt: Dieser Hoodie hat das Leben gesehen. Der war mit mir an zwei Mobile World Congresses, einer IFA, zwei Events in London, zweimal in Island. Stephanie muss sich gar nicht so blöd anstellen. Bisher war das Teil immer okay.
Ich meine, klar, der Hoodie hat selten länger als zwei Tage auf dem Stewi oder im Schrank gehangen, denn mit schwarzem Hoodie kann ich modetechnisch laut mir nichts falsch machen, egal wie anthrazitfarben das Teil mittlerweile ist. Egal, wie locker die einst eng anliegenden Gummizüge am Handgelenk sind.

Ich mag den Hoodie sogar so gut, dass ich mir mal eine graue Version des Teils gekauft habe.
Den mag ich aber nicht so gut. Er ist einfach nicht mein Hoodie. Grau ist zwar schon eine ganz okaye Farbe, aber mein schwarzer Hoodie ist halt mein schwarzer Hoodie. Das Teil, das ich praktisch jeden Tag getragen habe. Meine Bettdecke im Zug, meine Kapuze.
Stephanie wird das nie einsehen, sie, die gefühlte 20 Pullis in allen Farben und Formen hat. All die Konzerte, an denen der Pulli zu warm war. All die Regenschauer, vor denen er mich bewahrt hat. All die Stunden im Flugzeug, in denen er mir das Licht aus den Augen genommen hat. All die kalten Tage, an denen ich mich in der Kapuze eingekuschelt habe und meine Ohren warm blieben. Die Funken beim Schweissen, die er mir von der Haut gehalten hat. Das Kopfkissen in der Badi.
Mein schwarzer Carhartt-Pulli ist nicht nur einfach ein Kleidungsstück. Das Teil ist ein Freund, ein Begleiter, Schutz und Komfort. Er ist nicht so einfach austauschbar. Denn es geht nicht nur um das Kleidungsstück per se, sondern um diesen einen spezifischen Hoodie.
Dann muss halt ein neuer her
«Also, wenn du mit dem uralten Schlabberteil nochmal vor die Kamera willst… vergiss es», sagt sie.
Die Bestimmtheit in ihrem Ton lässt mich darauf schliessen, dass die Diskussion hier zu Ende ist. Dinge vor der Kamera sind ihr heilig. Die müssen ein gewisses Mindestmass an Ästhetik erfüllen, selbst wenn sie so aussehen wie ich.
«Mut zur Hässlichkeit», entgegne ich ihr. Das hat mir mal der Sänger der Rammstein-Coverband Stahlzeit gesagt. Nur, dass Heli Reissenweber wohl etwas bestimmter geklungen hat, als ich es gerade tue. Der Satz kommt mir fragend-resignierend über die Lippen. Ein letzter, verzweifelter Versuch, meinen Hoodie zu retten.
Keine Chance. Der Hoodie muss weg.
Ich sehe mich nach neuen Hoodies um. Etwa drei Sekunden lang.
Ich lache innerlich. Stephanie wird sich wundern, wenn ich mit meinem neuen Hoodie daherkomme. Schön neu und innen noch flauschig. Der Stoff ist auch noch nicht so abgewetzt an Ellenbogen und um die Taschen herum. Nicht, dass ich Stephanie gegenüber zugegeben hätte, dass da Abnutzungserscheinungen sind, aber trotzdem, der neue Hoodie ist noch heile.

Aber: Die Kapuze muss noch verzogen werden, die Ärmel sind eng… und muss das so dunkel sein?


Journalist. Autor. Hacker. Ich bin Geschichtenerzähler und suche Grenzen, Geheimnisse und Tabus. Ich dokumentiere die Welt, schwarz auf weiss. Nicht, weil ich kann, sondern weil ich nicht anders kann.