Hintergrund

Smarte Schwimmbrillen versprechen mehr Durchblick im Training

Die Datenflut im Sport macht vor dem Schwimmen nicht Halt. Damit du nicht bei jeder Wende auf deine Smartwatch schauen musst, gibt es erste Schwimmbrillen mit integriertem Display.

Ich weiss nicht viel über Schwimmbrillen. Nur so viel: Sie sollten dicht sein, nicht die Augäpfel aus dem Kopf pressen und ein einigermassen gutes Sichtfeld bieten. Es gibt brauchbare für wenige Franken und teure sind nicht automatisch top. Das Modell im Namen von Michael Phelps wurde einst im Kassensturz-Test als «ungenügend» abgekanzelt. Dabei war sie verglichen mit dieser hier ein Schnäppchen.

Form Smart (One Size)
Schwimmbrille
−10%
noch 22 von 23 Stück im Sale
CHF107.– statt CHF119.–

Form Smart

One Size

Dieses Modell ist weder vergoldet noch stellt ein teures Testimonial seinen berühmten Namen zur Verfügung. Aber es ist «smart». Zu einem Preis, bei dem ich selbst dann noch ins Grübeln käme, wenn mein Schwimmbad Onkel Dagoberts Geldspeicher wäre, blendet «Form» Trainingsdaten ins Sichtfeld ein.

Mit der Display-Brille hast du Ziele und Zwischenzeiten vor Augen.
Mit der Display-Brille hast du Ziele und Zwischenzeiten vor Augen.
Quelle: Form

Während wir uns beim Sport an Land längst daran gewöhnt haben, alle möglichen Leistungsparameter mit einem Blick auf die Smartwatch, das Handy oder den Velocomputer kontrollieren zu können, ist die Situation im Wasser bisher komplizierter. Natürlich gibt es zahllose Sportuhren, die Strecken aufzeichnen, die Pace, die Anzahl der Züge und vieles mehr berechnen. Die Daten sind da, aber während des Trainings nicht im Blickfeld. Das wird 99 Prozent der Nutzer:innen genügen.

Live-Daten für eine leistungsorientierte Zielgruppe

Für das eine Prozent, das an der Spitze der Entwicklung schwimmen will, gibt es die smarten Goggles. Und wie bei jeder Innovation wird sich der Kundenkreis im Laufe der Zeit erweitern. Wenn sie sich denn bewährt. Es ist klar, dass sie auch in ein paar Jahren noch eine leistungsorientierte Zielgruppe ansprechen wird, der weder Trainingsaufwand noch Preisschild zu gross ist, sofern es sie voranbringt.

Den Nutzen der Datenbrille kann ich nachvollziehen. Beim Schwimmen kannst du in der Regel nicht viel tun, ausser Kacheln und Bahnen zu zählen oder ab und zu auf eine Pace Clock am Beckenrand zu schielen. Die Idee, das zu ändern und Live-Daten im Sichtfeld zu platzieren, ist einleuchtend. Und sie wurde kontinuierlich verfolgt.

Nicht die erste smarte Brille

Hinter «Form» steht mit Gründer und CEO Dan Eisenhardt ein Mann, der sich schon lange mit smarten Sportbrillen beschäftigt. 2008 gründete er mit Partnern Recon Instruments. Ein Unternehmen, das ebenfalls Brillen mit Heads-up-Display auf den Markt brachte. Allerdings für den Einsatz an Land.

Das erste Modell erschien bereits 2010, als erste Sportbrille ihrer Art. Zur Einordnung: Damit war man früher dran als Google Glass – die Datenbrille, die erstmals auch ausserhalb der Tech-Szene für Aufregung sorgte, weil deren Träger:innen angefeindet und als «Glassholes» verunglimpft wurden. 2015 wurden Recon von Intel übernommen und 2017 dicht gemacht.

Doch Dan Eisenhardt, selbst 14 Jahre lang Wettkampfschwimmer, war mit dem Thema noch nicht fertig. Wasser ist offensichtlich sein Element und nach dem Verkauf von Recon Instruments war er flüssig genug, um «Form» aus der Taufe zu heben. Seit 2019 gibt es die smarte Schwimmbrille, das Knowhow dahinter schon viel länger.

Schwimmen im Datenstrom

In der Praxis sieht das Training mit «Form» so aus, dass du bis zu fünf Workouts auf der Brille speichern und im Wasser per Knopfdruck starten kannst. Die Daten lassen sich vor dem linken oder rechten Auge einblenden und im Pool lässt sich die Brille ohne weitere Geräte nutzen. Dabei wird die Distanz anhand der eingestellten Pool-Länge gemessen. Im «swim screen», «turn screen» und «rest screen» kannst du dir die jeweils für dich relevantesten Parameter beim Schwimmen, Wenden und Pausieren anzeigen lassen. Die Herzfrequenz lässt sich über die kompatiblen Sensoren Verity Sense oder OH1/OH1+ von Polar erfassen.

Nach dem Training ist vor der Auswertung: In der App kannst du deine Daten verwalten.
Nach dem Training ist vor der Auswertung: In der App kannst du deine Daten verwalten.
Quelle: Form

Beim Freiwasserschwimmen ist die «Form» auf das GPS einer kompatiblen Sportuhr angewiesen, um mehr als Zeit und Schwimmzüge zu messen. Das Produkt hinter dem Produkt ist die App, in der für 15 bis 20 Dollar pro Monat eine Workout-Welt, Auswertungsmöglichkeiten und die Community warten. Wer so ein langfristiges Abo abschliesst, bekommt die Brille entsprechend billiger. Wie bei allen smarten Geräten geht der Trend dahin, die Kund:innen an die Trainingswelt dahinter zu binden.

Seit der Markteinführung wird vor allem daran gearbeitet, über die Software den Funktionsumfang zu erweitern und nicht nur Daten, sondern auch passende Workouts anzubieten. Inzwischen ist die Trainingsplattform eine Art «Peloton für den Pool», wie Techradar schreibt. Community inklusive. Vor ein paar Tagen wurde ausserdem eine Kooperation mit der Professional Triathletes Organisation (PTO) verkündet.

Konkurrenz belebt das Geschäft

Konkurrenzlos ist das Angebot nicht. Ähnlich wie «Form» bietet auch «Finis» in Kooperation mit der Tech-Firma Ciye (steht für «Coach In Your Eye») eine Display-Lösung für ambitionierte Schwimmer:innen an. Natürlich ebenfalls mit einer App, in deren Community du genauso oft eintauchen sollst wie ins Becken. Das Rennen um Marktanteile ist also eröffnet. Auge um Auge, Zahl um Zahl. Auf lange Sicht wird sich zeigen, was die wasserdichten Datenbrillen wirklich sind: visionär oder ein Reinfall.

Titelbild: Form

21 Personen gefällt dieser Artikel


User Avatar
User Avatar

Einfacher Schreiber, zweifacher Papi. Ist gerne in Bewegung, hangelt sich durch den Familienalltag, jongliert mit mehreren Bällen und lässt ab und zu etwas fallen. Einen Ball. Oder eine Bemerkung. Oder beides.


Sport
Folge Themen und erhalte Updates zu deinen Interessen

Diese Beiträge könnten dich auch interessieren

  • Hintergrund

    Projekt Halbmarathon: Von 0 auf 21 Kilometer in 6 Monaten

    von Oliver Fischer

  • Hintergrund

    Garmin, Fitbit und Co.: Wie smart ist deine Smartwatch? Ein Experte erklärt’s im Interview

    von Patrick Bardelli

  • Hintergrund

    Auf dem Weg zum besseren Ich

    von Patrick Bardelli

17 Kommentare

Avatar
later