

So entsteht Brändi Dog

Dog ist eines der beliebtesten Spiele der Schweiz. Die Stiftung Brändi stellt es bereits seit über 15 Jahren her. Ich durfte ihre Produktion in der Innerschweiz besuchen und selbst Hand anlegen.
Dog ist das Kult-Brettspiel der Schweiz schlechthin. Ich erinnere mich gut daran, wie ich bereits als kleiner Junge zusammen mit meiner Familie im Wohnzimmer um den Sieg murmelte. Wir teilten uns auf zwei Zweierteams auf. Der Verlierer musste dann ein «Ämtli» vom Gewinner übernehmen. Nur der Sieg zählte für mich, damit meine Schwester den Abwasch von mir übernehmen oder mein Zimmer aufräumen musste.
Es gibt zwar etliche Hersteller der Spiels, der bekannteste unter ihnen ist aber die Stiftung Brändi aus der Innerschweiz. Sie setzt sich seit über 50 Jahren für die berufliche, kulturelle und gesellschaftliche Inklusion von Menschen mit Behinderung ein.

Ich wollte schon immer wissen, wie das Brettspiel hergestellt wird. Heute ist es soweit, ich mache mich auf Richtung Sursee. Im Gepäck habe ich neben Stift und Papier für meine Notizen auch unseren Fotografen Thomas Kunz. In der Kleinstadt am Sempachersee angekommen, führt mich ein kurzer Fussmarsch den Gleisen entlang zur Stiftung Brändi. Das unscheinbare Industriegebäude teilt sie sich zusammen mit der schweizerischen Rettungsschwimmerorganisation und dem Luzerner Bäuerinnen- und Bauernverband. Vor Ort treffe ich auf Michaela Wyss. Sie leitet den Produktverkauf bei der Stiftung Brändi und führt mich heute durch die Produktion.

Fast alles wird von Hand gemacht
Nach einer kurzen Begrüssung geht’s sofort ans Eingemachte. Ich bin ja schliesslich nicht als stiller Beobachter gekommen, sondern will selber ein Spiel herstellen. Mein erster Arbeitsposten ist das Sortieren der Murmeln und Abpacken in die dazugehörigen Säcke. Eigens dafür steht eine individuell gestaltete Arbeitshilfe zur Verfügung, die den Arbeitsschritt so simpel wie nur irgendwie möglich gestaltet. Da bei der Stiftung Brändi Menschen mit psychischer, körperlicher oder geistiger Behinderung arbeiten, müssen die Arbeitsvorgänge auf ihre Bedürfnisse und Anforderungen angepasst werden.

Beim Sortieren muss ich von jeder Farbe die gleiche Anzahl Murmeln heraussuchen. Damit ich mich nicht aus Versehen verzähle, gibt’s ein ausgeklügeltes System. Auf einem Stück Holz sind mehrere Reihen mit je vier Aussparungen in der Grösse der Murmeln. Jede dieser Reihen befülle ich mit je einer Farbe. Danach ziehe ich das Holzstück an einem Griff in meine Richtung und alle Murmeln fallen in den darunterliegenden Sack. Voilà!

Mir fällt auf, wie viele solcher kleinen Arbeitsschritte von Hand ausgeführt werden. Es gibt absichtlich kaum Maschinen, die automatisiert arbeiten, da die Mitarbeitenden der Stiftung Brändi auf solche Arbeiten angewiesen sind.

So auch bei meinem nächsten Posten. Ich darf die Aussparungen des Spielfelds bohren. An einer Fensterreihe stehen Bohrmaschine an Bohrmaschine. Jede so eingerichtet, dass sie nicht falsch bedient werden kann. Aus einer Kiste nehme ich ein bereits bedrucktes Holzbrett, schiebe es auf dem Arbeitstisch in die richtige Position und ziehe den Hebel der Maschine bis zum Anschlag. Danach drehe ich das Spielfeld um 90 Grad und wiederhole den Schritt insgesamt vier Mal. Danach wandert das Spielfeld zur nächsten Bohrmaschine, wo der nächste Satz Löcher gebohrt wird.

Nachdem alle Aussparungen gebohrt sind, übernimmt eine externe Firma die Spielbretter. Sie schneidet die Bretter in vier gleich grosse «Puzzleteile» und liefert sie wieder zurück an die Stiftung Brändi. Da die Farben und Holzfasern der einzelnen Teile beim verkauften Spiel einheitlich sein sollen, müssen sie aus demselben Stück Holz bestehen. Ich muss aufpassen, dass ich die Reihenfolge der Teile im nächsten Schritt nicht durcheinanderbringe.
Mir wird streng über die Schulter geschaut
Damit sich niemand an einer scharfen Kante verletzt, müssen die Mitarbeitenden der Stiftung Brändi die Kanten der Einzelteile abrunden. Auch hierfür steht eine spezielle Maschine bereit. Der Herr, der die Maschine aktuell bedient, räumt nur widerwillig den Platz für mich frei. Erst nach mehrmaligem Fragen lässt er mich ans Werk. Er erklärt mir genauestens, wie ich vorgehen muss. Besonders die Ecken seien tückisch. «Nicht jeder ist dazu in der Lage», sagt er mir mit Nachdruck. Mit strengem Blick bewacht er jede meiner Bewegungen und atmet jedes Mal laut aus, wenn ich nicht haargenau seinen Anweisungen folge. Ich muss zugeben, dass meine ersten Anläufe tatsächlich nicht perfekt aussehen. Nach ein paar Durchläufen habe ich den Dreh jedoch raus. Trotzdem kann der Herr mir nicht länger zuschauen und jagt mich wieder von seinem Platz fort. «Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen», gibt er mir zum Abschied noch mit auf den Weg.

Qualitätskontrolle wird gross geschrieben
Obwohl die einzelnen Produktionsschritte bereits überprüft werden, kann sich hier und da ein Fehler einschleichen. Daher wird jedes Spiel einer Qualitätskontrolle unterzogen. Sind alle Bohrungen vorhanden? Passen die Elemente zusammen? Fehlt eine Murmel? Erst wenn alles in Ordnung ist, dürfen die Einzelteile weiter zur Verpackung.

Bevor der Inhalt in die Schachtel gelangt, muss diese erst noch gefaltet werden. Ich staune über das Tempo, das die Beschäftigten an den Tag legen. Da kann ich mitnichten mithalten. Im Gegenteil. Ich stelle mich ziemlich ungeschickt an und kriege keinen sauberen Falt hin. Bevor ich also noch mehr Ausschuss produziere, überlasse ich die Arbeit lieber wieder den geschulten Händen.

Zum Schluss werden das Spielbrett, die Murmeln, Spielkarten und Spielanleitung in die Schachtel gelegt, verschweisst und eingelagert. Fertig ist das Kult-Spiel. Nun muss das Brändi Dog nur noch den Weg zu dir ins Wohnzimmer finden, damit du mit der ganzen Familie um deine Ämtli murmeln kannst.


Bezahlt werde ich dafür, von früh bis spät mit Spielwaren Humbug zu betreiben.