

Tipps der Redaktion: Die hohe Kunst des Bücher-Verschenkens
Was soll ich nur schenken? Jedes Jahr die gleiche Frage. Da wollen wir dir helfen und geben als Experten und Expertinnen der Redaktion einige ganz persönliche Tipps.
In meiner Familie gilt seit Jahrzehnten eine ungeschriebene Regel: Wenn du nicht weisst, was du schenken sollst, kauf ein Buch. Wir lesen alle gern und viel. Das Bücher-Schenken klappt bei uns deshalb ganz gut, weil wir uns ganz gut kennen und ziemlich genau wissen, wer womit beglückt werden kann.
Aber Achtung!
Bücher verschenken ist nicht einfach. Jährlich erscheinen hunderttausende neue Werke in unzähligen Genres und Subgenres. Und leider findet sich darunter mindestens so viel Schrott wie Durchschnittsware. Die wirklichen Perlen sind dagegen rar gesät. Wenn ich Bücher verschenke, überlege ich mir immer zwei Sachen:
- Was habe ich schon gelesen und was davon würde ich weiterempfehlen?
- Wofür interessiert sich die Person, der ich ein Buch schenken will?
Dann hoffe ich, dass es eine gewisse Schnittmenge gibt und so eine Liste mit möglichen Büchern zustande kommt. Bleibt immer noch die Frage, ob mein:e Geschenk-Empfänger:in besagtes Werk nicht bereits kennt. Hier bin ich grundsätzlich Optimist und gehe einfach davon aus, dass das nicht der Fall ist.
Der langen Vorrede kurzer Sinn: Hier sind einige Bücher, die ich vorbehaltlos verschenke:
Das Leben des Vernon Subutex (Trilogie)

Virginie Despentes ist eine Wucht. Die Autorin beschreibt das Leben ihres tragischen Helden Vernon Subutex durch die Niederungen der französischen Gesellschaft in einer rohen Direktheit, die unter die Haut geht. Die Geschichte, gespickt mit skurrilen Figuren, spielt zeitlich rund um die Bataclan-Terroranschläge in Paris und wirft ein Licht auf die persönlichen Schäden, die die Menschen in Paris und Frankreich daran genommen haben.
Eine schonungslose Gesellschaftsstudie auf sprachlich allerhöchstem Niveau. Ich habe die Trilogie verschlungen, obwohl sie mir so manches Mal den Boden unter den Füssen weggezogen hat.
Die drei Sonnen (Trilogie)
Science-Fiction aus China. Cixin Liu verknüpft die Geschichte seines Landes mit grandiosen Zukunftsfantasien, ständig auf dem Grat zwischen Dystopie und Utopie, und denkt die Menschheitsgeschichte über einen Zeithorizont von Hunderttausenden von Jahren fort. Während der Kulturrevolution schickt eine chinesische Physikerin ein Signal ins Weltall und eine ausserirdische Zivilisation antwortet. Chaos auf der Erde, technisches Wettrüsten und ein interstellarer Krieg bahnen sich an.
Science-Fiction ist sicher nicht für jede:n Leser:in das Richtige. Wer sich aber nur ein bisschen dafür begeistern kann, kommt um die Trisolaris-Trilogie nicht herum. Netflix plant übrigens die Verfilmung des Stoffs.
Telex aus Kuba
Kuba ist quasi eine US-Kolonie, «regiert» von Diktator Batista. Che Guevara und Fidel Castro planen die Revolution. Zwei jugendliche US-Kids, Kinder reicher und mächtiger Industrieller auf der Insel, sind die Protagonisten von Rachel Kushners Erstlingsroman. Sprachgewaltig zeichnet die Amerikanerin ein vielschichtiges Gesellschaftsbild aus einer anderen und doch nicht so fernen Zeit.
Rachel Kushner versteht es, wie keine andere, in einer manchmal fast unerträglichen Dichte ihre Geschichten zu erzählen. Ihre Sprache ist präzis, kein Wort zu viel und jedes genau da, wo es sein muss. Näher an sprachlicher Perfektion kann man kaum schreiben.
Die unendliche Geschichte
Bastian Balthasar Bux, Atréju und Artax, die kindliche Kaiserin aka Mondenkind, die uralte Morla, Fuchur der Glücksdrache und die Zauberin Xayide. Phantasien, der Elfenbeinturm, das grüne Grasland, die Sümpfe der Traurigkeit, Perelin der Nachtwald und Goab die Wüste der Farben. Das Nichts. AURYN. Ich kann all diese Figuren, Orte und Landschaften aus Michael Endes brillantem Jugendbuch ohne mit der Wimper zu zucken aufzählen. Diese Geschichte begleitet mich, seit ich etwa zwölf war und ich lese sie seither alle ein, zwei Jahre wieder.
Wenn es ein zeitloses Jugendbuch gibt, dann dieses. Enkel, Kinder, Nichten, Neffen oder Götti- und Gottenkinder – wenn du jemandem aus dieser Auswahl ein Buch schenken willst: Das ist es.
Auferstehung der Toten
Brenner ist Polizist. Oder besser: Er war Polizist, denn das ändert sich. Mitten in der Geschichte kündet er und ermittelt fortan – und auch durch die meisten weiteren, insgesamt acht, Krimis von Wolf Haas – als Privatdetektiv. In Zell am See (Österreich) sucht Brenner den Mörder von insgesamt vier Menschen. So skurril der Brenner selbst ist, so skurril sind die Figuren in Wolf Haas’ Krimis immer. Genauso skurril wie die Sprache in den Brenner-Krimis, erzählt von einem unbekannten Erzähler (dessen Identität in einem späteren Band enthüllt wird).
Mit Krimis ist es wohl ähnlich wie mit Sci-Fi: Entweder man mag sie oder nicht. Die Brenner-Geschichten sind zwar klassische Krimis, doch die Figuren und die Sprache heben sie von jeglicher Einheitsware ab. Wer Freude an etwas eigentümlichen Figuren und ein Flair für sprachliche und erzählerische Finessen hat, wird ein:e dankbare:r Empfänger:in sein.
Bücher zu verschenken, ist eine Kunst. Wenn dir diese fünf Ideen zu wenige sind, sie dir nicht zusagen oder du einfach noch mehr Ideen für ein Buch-Geschenk brauchst, lass es mich in den Kommentaren wissen. Gern gebe ich dir weitere Empfehlungen ab.
Auch meine Kolleginnen und Kollegen auf der Redaktion haben ihre Geschenktipps zu Weihnachten verfasst. Hier findest du einen Überblick mit allen bereits publizierten Artikeln:
Illustration Titelbild: Clémence Censi; Foto: Thomas KunzWeltenbummler, Wandersportler, Wok-Weltmeister (nicht im Eiskanal), Wortjongleur und Foto-Enthusiast.