
Hintergrund
Von der Rückkehr der Zeit: grössere Kinder, grössere Freiheit
von Michael Restin
Als «Frau Ordnung» berät Martina Frischknecht beim Ausmisten und Aufräumen. Ich habe sie gefragt, wie du mit Kindern einigermassen Ordnung hältst. Ein Gespräch über ausufernde Tannzapfensammlungen, halbfertige Zeichnungen und den erzieherischen Nutzen voller Wäschezeinen.
Frau Frischknecht, als Frau Ordnung helfen sie anderen, ihr Zuhause auszumisten und Struktur zu schaffen. Wenn ich Kinder habe, wird Aufräumen noch mehr zur Herausforderung. Wie bringe ich meinem Nachwuchs bei, ordentlich zu sein?
Ich glaube nicht, dass es nur einen richtigen Weg gibt. Jede Familie ist anders. Ich habe selbst einen neunjährigen Sohn. Wenn ich in seinem Zimmer überall auf Legos stehe, fordere ich ihn auf, wieder mal aufzuräumen. Oft halte ich mich aber auch zurück: Das Kinderzimmer ist der einzige Raum, der wirklich ihm gehört. Soll er dort nicht schalten und walten, wie es ihm beliebt? Ist es wirklich so wichtig, dass alles immer fein säuberlich verräumt ist? Wenn er jedoch zum Beispiel in meinem Schlafzimmer spielt, dann ist es klar, dass er den Raum auch wieder so verlässt, wie er ihn vorgefunden hat.
Ist Ordentlichkeit etwas, das erlernt wird, oder ist es auch Veranlagung?
Das kann ich nicht beantworten. Wie in anderen Bereichen ist es aber sicher so, dass Eltern ihren Kindern vieles vorleben. Diese Muster übernehmen Kinder später im Leben dann oft.
Die meisten Eltern hätten aber gerne, dass ihre Kinder schon zu Hause einen Sinn für Ordnung entwickeln und nicht erst, wenn sie ausgezogen sind.
Natürlich sollten Kinder schon früher Verantwortung übernehmen. Bei uns zu Hause ist es zum Beispiel selbstverständlich, dass jeder nach dem Mittagessen seinen Teller wegräumt, auch mein Sohn. Zu seinen Aufgaben gehört auch, seine sauberen Kleider in den Schrank zu räumen. Es ist auch schon vorgekommen, dass die Wäschezeine dann eine Woche lang voll im Zimmer stand. Als Mutter oder Vater solltest du in solchen Fällen keinesfalls dem Impuls nachgeben, die Angelegenheit selbst zu erledigen. Irgendwann kommen die Kinder schon selbst darauf, dass mehr Platz zum Spielen bleibt, wenn sie die Wäsche gleich verräumen. Sie merken aber auch rasch, ob sie nur ein wenig warten müssen, bis die Eltern doch für sie Ordnung machen.
Darf ich das Kinderzimmer entrümpeln, ohne dass Tochter oder Sohn davon wissen?
Da bin ich vorsichtig. Ich kann mich gut an Schätze aus meiner Kindheit erinnern, die für Erwachsene keinerlei Wert besassen. Doch selbstverständlich lasse auch ich manchmal ein paar Tannenzapfen verschwinden oder werfe kaputte Spielsachen oder angefangene Zeichnungen weg. Im Zweifelsfall packe ich die Sachen erst in eine Kiste und verstaue sie für eine Weile im Keller. Wenn sie nach Monaten noch nicht vermisst werden, kann man sie getrost weitergeben. Kinder sollten aber vor allem darin unterstützt werden, selbst Dinge auszusortieren und loszulassen.
Wie lernen Kinder, sich von ihren Spielsachen zu trennen?
Ein guter Zeitpunkt, das Thema anzugehen, ist beispielsweise vor dem Geburtstag oder vor Weihnachten. Mein Sohn hat im November Geburtstag; irgendwann im Oktober frage ich ihn jeweils, welche Spielsachen er behalten und welche er weitergeben möchte – schliesslich brauche es ja bald Platz für neue Sachen. Eine gute Idee sind auch Flohmärkte, auf denen Kinder ihre Sachen verkaufen und sich etwas Taschengeld verdienen können.
Soll ich Kinder fürs Aufräumen belohnen?
Ich habe die Gelegenheit auch schon genutzt und einen Wunsch meines Sohnes an die Bedingung geknüpft, dass er zuerst sein Zimmer in Ordnung bringt. Man sollte Belohnungen aber nicht zur Regel machen. Es sollte selbstverständlich sein, dass jeder in der Familie dazu beiträgt, dass das Zuhause wohnlich ist.
Wie kann ich es Kindern leichter machen, Ordnung zu halten?
Kinder brauchen klare Anweisungen, besonders, wenn sie noch klein sind. Mit «Räum dein Zimmer auf!» können sie nicht viel anfangen. Mit «Alle Autos kommen in die rote Kiste» hingegen schon. Es hilft, wenn Spielsachen ihren festen Platz haben beziehungsweise Legos, Plüschtiere oder Malsachen alle in unterschiedlichen Behältern verstaut werden. Gut ist ausserdem eine «Schatzkiste», in die alles kommt, was sonst nirgendwohin passt: Muscheln, Steine, Figürchen aus Kinderüberraschungseiern. Und nicht zu streng sein: Was wir Erwachsene als Unordnung sehen, hat für Kinder oft System. Kreativität braucht auch ein wenig Chaos.
Journalistin und Mutter von zwei Söhnen, beides furchtbar gerne. Mit Mann und Kindern 2014 von Zürich nach Lissabon gezogen. Schreibt ihre Texte im Café und findet auch sonst, dass es das Leben ziemlich gut mit ihr meint.<br><a href="http://uemityoker.wordpress.com/" target="_blank">uemityoker.wordpress.com</a>