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USA verabschieden «Take It Down Act»: Warum der Schutz vor Deepfake-Porn umstritten ist

Das US-Repräsentantenhaus hat den sogenannten «Take it down Act» angenommen. Das neue Gesetz sollte ein Meilenstein im Kampf gegen Deepfakes und Rachepornos sein. Nun häufen sich aber kritische Stimmen.

Mit dem «Take It Down Act» hat die US-Regierung scharfe Massnahmen gegen intime Bilder und Videos beschlossen, die nicht einvernehmlich im Netz veröffentlicht werden. Bei der Entwicklung des Gesetzes und auch bei den Abstimmungen darüber herrschte eine ungewohnte Einigkeit zwischen Republikanern und Demokraten. Die Initiative ging von den Senatoren Ted Cruz (Republikaner) und Amy Klobuchar (Demokratin) aus und wurde am 28. April mit 409 zu 2 Stimmen angenommen. Nun muss nur noch Donald Trump das Ganze unterschreiben.

Das Gesetz soll Betreiber sozialer Netzwerke und Plattformen dazu verpflichten, nicht nur konsequent, sondern auch schnell gegen intime Inhalte vorzugehen, die ohne Zustimmung veröffentlicht wurden. Innerhalb von 48 Stunden nach einer Meldung muss der Inhalt bereits gelöscht sein. Auch die blosse Androhung einer Veröffentlichung – etwa bei «Sextortion» – sowie die Weiterverbreitung wird unter Strafe gestellt. Plattformen wie Meta, Google oder Snap signalisierten frühzeitig ihre Unterstützung.

Gesetz «schwammig formuliert»

Die Bedrohung, auf die der Take It Down Act reagiert, hat in den letzten Jahren rapide zugenommen, wie es in einem Brief zur Unterstützung des Gesetzes heisst des Gesetzes heisst. Dieser stammt von einem Konsortium mehrerer Verbände und Firmen. Das neue Gesetz verlangt von Plattformbetreibern nun mehr als nur Reaktion. Sie sollen aktiv Strukturen schaffen, um der Verbreitung solcher Inhalte vorzubeugen. Dazu gehören automatische Erkennungssysteme, Meldeprozesse und auch die Pflicht, private Kanäle wie Direktnachrichten in den Blick zu nehmen. Damit geraten auch verschlüsselte Messaging-Dienste ins Visier. WhatsApp, Signal oder iMessage müssten entweder technische Lösungen zur Entfernung bieten – oder die Ende-zu-Ende-Verschlüsselung aufweichen.

Sobald Trump das Gesetz absegnet, tritt es in Kraft.
Sobald Trump das Gesetz absegnet, tritt es in Kraft.
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Dies ist die Krux. Denn trotz breiter Zustimmung regt sich Widerstand. Bürgerrechtsorganisationen wie die Electronic Frontier Foundation (EFF) warnen vor dem sogenannten «chilling effect»: Aus Angst vor rechtlichen Konsequenzen könnten Plattformen auch legale Inhalte entfernen – etwa journalistische Recherchen, Kunst oder Satire, die sich mit Sexualität oder Körperlichkeit befassen. Dies liege auch daran, dass der Gültigkeitsbereich im besagten Gesetz schwammig definiert sei. Was zählt als «nicht-einvernehmlicher» Inhalt? Wie wird die Zustimmung nachgewiesen? Ohne klar formulierte Kriterien würden Willkür oder ein automatisierter Löschmechanismus drohen.

Auch ein potenzielles Missbrauchspotenzial fürchtet die EFF: Wer persönliche Inhalte oder kritische Stimmen zum Schweigen bringen will, könnte das Gesetz gezielt einsetzen. Ohne ein definiertes Widerspruchsverfahren bliebe Betroffenen nur der Gang vor Gericht – ein Weg, den sich viele finanziell nicht leisten können. Auch gibt die nötige Infrastruktur zu reden – haben doch gerade Meta oder X ihre Moderationsteams eher verkleinert und setzen auf ein lockeres System.

Datenschutz bei Messengern unter Druck – auch in Europa

Besonders heikel ist die technische Umsetzung im Bereich der verschlüsselten Kommunikation. Um ihrer Löschpflicht nachzukommen, müssten Plattformen Inhalte einsehen – was faktisch einer Aufweichung der Ende-zu-Ende-Verschlüsselung gleichkäme. Datenschützer sehen hier ein gefährliches Präzedenzmodell. Der Versuch, Opfer zu schützen, könnte die Privatsphäre schwächen.

Sobald Präsident Trump das Gesetz unterzeichnet hat, tritt es in Kraft. Die Umsetzung wird von der Federal Trade Commission (FTC) überwacht. Sie soll sicherstellen, dass Plattformen den Anforderungen nachkommen. Es bleibt abzuwarten, wie effektiv und zielführend das Gesetz in der Praxis sein wird.

In der Europäischen Union ist eine Richtlinie zur Kriminalisierung nicht-einvernehmlicher Deepfakes bereits beschlossen. Die Mitgliedsstaaten haben bis 2027 Zeit, diese in nationales Recht zu übertragen. Zudem gibt es nach wie vor Bestrebungen, die Ende-zu-Ende-Verschlüsselung bei Messengern auszuhebeln. Eine Lockerung dieser in den USA dürfte den Befürwortern weiter Auftrieb verleihen und den Druck auf Europa generell erhöhen.

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Auch in der Schweiz nimmt die Debatte Fahrt auf. Mitte-Ständerat Fabio Regazzi hat im Dezember 2024 eine Motion eingereicht, welche «Eine Strategie gegen den Missbrauch unserer Bilder» fordert. Diese Motion wurde an die zuständigen Kommissionen weitergereicht.

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Seit ich herausgefunden habe, wie man bei der ISDN-Card beide Telefonkanäle für eine grössere Bandbreite aktivieren kann, bastle ich an digitalen Netzwerken herum. Seit ich sprechen kann, an analogen. Wahl-Winterthurer mit rotblauem Herzen.


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