Produkttest

Vergiss Bananenbrot: Finken sind meine Pandemie-Entdeckung

Jahrelang bin ich in Socken oder barfuss über Parkett, Laminat und Fliesen gegangen. Kürzlich habe ich als Stubenhocker wider Willen Hausschuhe für mich wiederentdeckt. Auch, weil die Türschwellen mit ihnen nicht mehr ganz so weh tun.

Eine Primarschule im Aargau. Draussen grenzt der «Rote Platz» (der aus Tartan, nicht der in Moskau) an einen aus Asphalt. In dessen Mitte thront das Kernstück der Schule: Ein bunt bemalter Brunnen, der dem kargen Pausenplatz etwas Fröhlichkeit verleihen soll. Drinnen flankieren Holzgarderoben die Klassenzimmer. Nicht nur die Jacke, sondern auch die Schuhe müssen ausgezogen werden. An ihre Stelle treten Finken, damit der Raum von Frau Brasser sauber bleibt. In der Oberstufe fällt dieses Ritual weg. Auf einmal dürfen Strassenschuhe auch drinnen getragen werden. Was sich für mich zuerst wahnsinnig unbequem anfühlt, wird nach ein paar Tagen zur Normalität. Von da an spielen Finken keine Rolle mehr in meinem Leben.

Mein Schuhregal zu Hause, nicht das in der Schule. Eine gewisse Ähnlichkeit in der Aufreihung ist aber nicht von der Hand zu weisen.
Mein Schuhregal zu Hause, nicht das in der Schule. Eine gewisse Ähnlichkeit in der Aufreihung ist aber nicht von der Hand zu weisen.

18 Jahre später sitze ich fast nur noch zu Hause herum. Wir haben Pandemie und das Leben und die Arbeit finden jetzt unter einem Dach ins Gleichgewicht. Nebst Brot backen, Balkon bepflanzen und Schalen töpfern, finde ich auch wieder Gefallen an etwas anderem, das ich bis vor Kurzem bünzlig fand: Hausschuhe. Mit Socken schlittere ich eher um die Ecken, als dass ich sie kontrolliert beschreite. Barfuss sammle ich jeden Krümel vom Boden auf. Das passiert mit den Socken auch, aber da merke ich es erst am Abend, wenn ich sie in die Wäsche werfe. Mit Hausschuhen ist das alles kein Problem.

Nicht wirklich Hüttenfinken, aber immer noch besser als Crocs ;)

«Patschen» aus Österreich

Vor ein paar Monaten habe ich meine alten Hüttenfinken wieder für mich entdeckt, die ich vor über zehn Jahren in einem kleinen Laden in Österreich gekauft habe. Mein Vater schwor schon lange auf sie, weshalb ich ihnen eine Chance geben wollte. Es hat nicht geklappt, weil ich mental noch nicht bereit war und sie stets in der Ecke vergass. Erst heute weiss ich sie zu schätzen, auch wenn sie nicht gerade einen zarten Fuss machen. Die Ledersohle verhindert grössere Schlitterpartien auf glatten Böden und die Schurwolle federt meine viel zu häufigen Türschwellen-Stolperer etwas ab. Und auch meinen anscheinend stampfenden Gang, der mir von ehemaligen Nachbarn attestiert wurde, vermögen die Finken zu dämpfen. Dazu wurden sie in Österreich von Hand gemacht. Einziger Wermutstropfen: Langsam ist’s zu warm für Wolle und Leder. Es hat schon seinen Grund, warum sich die Schuhe «Hüttenfinken» nennen und man sich bei ihrem Anblick sofort eine Bergkulisse vorstellt.

Doch auch die Lösung dieses Problems liegt in der Vergangenheit. In der Primarschule habe ich ein Nachahmerprodukt von Birkenstock getragen, zumindest die ersten drei Jahre. In der Frühpubertät wurde der Schuh uncool, irgendwas aus Plastik war Anfang der 00er-Jahre gefragt. Aber wie das in der Mode so ist, folgt auf einen Boykott früher oder später ein Hype.

Birkenstock Arizona Weichbettung Fettleder Nubuk Normal
Hausschuhe

Birkenstock Arizona Weichbettung Fettleder Nubuk Normal

Die Wohnung ist nicht genug

So auch bei Birkenstock. Zum Glück. Mit knapp 30 Jahren trage ich nun auch das Original. Das Fussbett sucht seinesgleichen. Nach ein paar Mal Tragen, sind Schuh und Fuss beinahe eins. Sie sind so bequem und praktisch, dass ich im Sommer in ihnen lebe und sie auch draussen trage. Der Beweis dafür sind die Bräunungsstreifen an meinen Füssen. Leider haben die «Birkis» dadurch zwischenzeitlich ihren Status als Hausschuh verloren; ein designiertes Paar für drinnen musste her.

Nach Jahren der Ächtung habe ich unterdessen sogar Winter- und Sommer-Hausschuhe. Platz finden sie in einem hölzernen Schuhregal im Gang, schön aufgereiht neben gefühlt 241 Paar Sneaker meines Freundes. Bei näherem Betrachten erkenne ich eine gewisse Ähnlichkeit mit der Garderobe meiner Primarschule. Das ist der Kreislauf des Konsums, alles kommt irgendwann wieder. Nur eine Sache geht mir trotz neu entflammter Liebe für Finken zu weit: Gast-Hausschuhe.

15 Personen gefällt dieser Artikel


User Avatar
User Avatar

Meinen Horizont erweitern: So einfach lässt sich mein Leben zusammenfassen. Ich liebe es, neue Menschen, Gedanken und Lebenswelten kennenzulernen,. Journalistische Abenteuer lauern überall; ob beim Reisen, Lesen, Kochen, Filme schauen oder Heimwerken.


Mode
Folge Themen und erhalte Updates zu deinen Interessen

Diese Beiträge könnten dich auch interessieren

  • Produkttest

    Birkenstock: Diesen Hausschuh-Kauf bereue ich

    von Natalie Hemengül

  • Produkttest

    Ugg: Warum Boots die besseren Finken sind

    von Vanessa Kim

  • Ratgeber

    Crocs-Alternativen: 3 hässlich-hübsche Schuhe zum Reinschlüpfen

    von Stephanie Vinzens

8 Kommentare

Avatar
later