
Ratgeber
Sturm und Drang: Darum ist die Trotzphase so wichtig für dein Kind
von Patrick Vogt
Wünschst du dir nicht manchmal, deine Kinder könnten furchtlos durchs Leben schreiten? Eltern fällt es oft schwer mitanzusehen, wie ihre Kleinen sich ängstigen. Doch Angst zu erleben und zu überwinden, ist für Kinder wichtig und gehört zu ihrer Entwicklung.
Es ist vielleicht das Wichtigste, das du über Kinderängste wissen musst: Eltern können Kinder nicht vor Ängsten bewahren – und müssen es auch nicht. Ängste sind wichtig. Sie schützen uns ein ganzes Leben lang immer wieder davor, dass wir uns unbedacht Gefahren aussetzen. Gleichzeitig wächst der Mensch an Ängsten, denen er sich stellt, das gilt auch für Kinder. Es gehört zu ihrer Entwicklung dazu, eigene Wege zu finden, um mit Ängsten umzugehen und sie zu überwinden.
Wovor Kinder typischerweise Angst haben, ist je nach Alter unterschiedlich: Neugeborene fürchten sich vor lauten Geräuschen. Zwischen vier und sechs Monaten beginnen Babys unbekannte Menschen weniger häufig anzulächeln als vertraute. Viele entwickeln in den Monaten darauf sogar Angst vor Fremden – sie fremdeln. In dieser Zeit wächst auch die Trennungsangst: Kinder weinen, wenn das Mami weggeht oder nur schon den Raum verlässt. Diese Angst lässt im Alter von etwa zwei Jahren meistens nach, aber nimmt beim Eintritt in den Kindergarten oder die Schule manchmal wieder etwas zu.
Zwischen zwei und vier Jahren fangen Kinder an, sich vor der Dunkelheit zu fürchten, wie die Psychologin Sigrun Schmidt-Traub in ihrem Buch «Selbsthilfe bei Angst im Kindes- und Jugendalter» schreibt. Typisch für dieses Alter sind auch Ängste vor Hunden, Einbrechern oder Monstern, vor Blitz und Donner oder der nächsten Impfung. Mit dem Eintritt in die Schule kommen Ängste vor sozialen Situationen dazu: Kinder sorgen sich nun nicht nur, ob sie die geforderte Leistung erbringen können, sondern auch, ob sie Freunde finden oder ausgelacht werden.
All diese Ängste sind normal und lassen meistens von selbst wieder nach. Doch natürlich können auch Kinder schon panische Angst vor Spinnen oder Fahrstühlen entwickeln oder Panikattacken erleben, die sich nicht mehr von selbst legen. Während es bei solchen Ängsten sinnvoll ist, eine Fachperson beizuziehen, reicht bei entwicklungsbedingten Ängsten die Unterstützung der Eltern aus. In ihrem Buch «Was macht das Monster unterm Bett?» zeigt die Psychologin Monika Specht-Tomann auf, wie eine solche Hilfe aussehen kann.
Früher oder später verbringt jedes Kind auch Zeit getrennt von seinen Allernächsten. Seien es die Stunden in Kita, Kindergarten oder Schule oder dass es mal bei der Nachbarin bleibt, weil Papi einen Arzttermin hat. Das fällt Kindern je nach Alter und Temperament nicht immer gleich leicht.
Was hilft:
Zur Bettzeit nehmen in vielen Familien täglich kleinere und grössere Dramen ihren Lauf. Viele Eltern sind verunsichert, wie sie sich verhalten sollen, wenn Kinder mit dem Wunsch nach nochmals einem Glas Wasser und einer weiteren Geschichte die Schlafenszeit hinauszögern. Du tust den Kindern keinen Gefallen damit, wenn du dich darauf einlässt, ist Monika Specht-Tomann überzeugt. Wichtig ist es, sich vor dem Schlafengehen bewusst für seine Kinder und auch ihre Ängste Zeit zu nehmen, sich dann aber ebenso klar zurückzuziehen.
Was hilft:
Es braucht für ein Kind nicht nur Mut, abends alleine im Bett zu liegen. Es ist auch nicht immer einfach, auf dem Spielplatz auf andere Kinder zuzugehen, beim Bäcker alleine Brötchen zu holen oder in der Schule zu fragen, wenn es etwas nicht verstanden hat. Kinder (und nicht nur sie) haben Angst davor, ausgelacht zu werden oder keine Freunde zu finden.
Was hilft:
Was draussen in der weiten Welt passiert, dringt in der Regel nicht bis in den kindlichen Alltag vor. Ob erschütternde Nachrichten Kindern nahegehen, hängt in erster Linie davon ab, wie betroffen die Eltern davon sind. Eine Rolle spielen aber auch das Alter der Kinder und ihr Zugang zu den Medien.
Was hilft:
Kinder spüren es, wenn ihre Eltern nicht mehr miteinander auskommen. Oftmals trauen sie sich aber nicht, zu fragen und suchen alleine nach Erklärungen für die Situation. Wenn die Eltern sich dann trennen, kommen sie zum Schluss, dass sie die Schuld daran tragen.
Was hilft:
Wie bei einer Trennung gilt auch bei einer Krankheit: Kindern ist nicht geholfen, wenn man ihnen die Wahrheit vorenthält. Im Gegenteil: Sie fühlen sich ausgeschlossen und allein gelassen mit ihrer Angst. Oft ist auch hier das, was sich Kinder ausmalen, viel bedrohlicher als die Realität. Ebenso brauchen Kinder auch hier viel Platz für ihre Trauer.
Was hilft:
Bei allen Tipps gilt: Eltern leben ihren Kindern vieles vor. Gerade wenn es um Ängstlichkeit in sozialen Situationen geht, orientieren sich Kinder stark an ihren Nächsten. Sie nehmen auf, wie diese sich mit anderen Menschen verhalten. Kinder müssen spüren, dass du selbst Vertrauen in die Welt um dich herum hast. Kinder bei der Bewältigung ihrer Ängste zu unterstützen, bedeutet vor allem: Geborgenheit geben und ihnen etwas zuzutrauen. «Das bedeutet nicht, alles Schwere, Unverständliche und Belastende vor Kindern tunlichst zu verbergen, von ihnen fernzuhalten oder unter den Teppich zu kehren», schreibt Specht-Tomann in ihrem Buch. «Vielmehr geht es darum, Kindern einen Ort zu schaffen, der ihnen Heimat sein kann und einen geschützten Rahmen darstellt, wo Kindersorgen und Kinderängste ausgesprochen werden können.»
Journalistin und Mutter von zwei Söhnen, beides furchtbar gerne. Mit Mann und Kindern 2014 von Zürich nach Lissabon gezogen. Schreibt ihre Texte im Café und findet auch sonst, dass es das Leben ziemlich gut mit ihr meint.<br><a href="http://uemityoker.wordpress.com/" target="_blank">uemityoker.wordpress.com</a>