
Hintergrund
Kryptowährungen: Lohnt es sich noch, auf den Zug aufzuspringen?
von Mike Halter
Bezahlen mit Bargeld hat ausgedient. Münzen und Noten sterben aus, Bitcoins und Co. drängen sich als Nachfolger auf. Werden Kryptowährungen zum neuen Standard?
Die Entwicklung der Gesellschaft hin zu einem komplett bargeldlosen System ist beinahe abgeschlossen. Egal, ob im Restaurant, an der Migros-Kasse oder im Shopping Center: Kaum jemand zahlt heute noch bar. Twint, Apple Pay oder kontaktlos mit Debit- beziehungsweise Kreditkarte zahlen ist einfacher. Viele haben kein Portemonnaie mehr, nur noch ein Smartphone und einen kleines Card Wallet.
Kryptowährungen hingegen sind auf dem Vormarsch und erleben einen zweiten Frühling. Denn Geld – egal in welcher Form – interessiert sich nicht dafür, was du denkst. Es ist ein primitives Mittel, um eine Gegenleistung zu erhalten. Ob du mit Papierscheinen oder digitalen Coins zahlst, kümmert niemanden. Münzen und Noten existieren nur noch, weil einige verängstigte Puristen verzweifelt daran festzuhalten versuchen. Was sie zwar wissen, aber nicht wahrhaben wollen: Bald schon wird Bargeld ausgestorben sein.
Bargeld hat noch nicht existiert, als der Handel unter Menschen als eine der ersten wirtschaftlichen Aktivitäten entstand. Damals zahlten Händler mit Warengeld, sprich mit Gütern wie Nahrungsmitteln oder Edelmetallen. Streng genommen zahlten sie nicht, sondern tauschten. Es gab keine Münzen oder Noten, trotzdem hat alles reibungslos funktioniert. Die Wirtschaft florierte. Übrigens: Auch heute noch ist der Bezahlprozess ein simpler Tausch – egal, ob mit Bargeld oder elektronisch.
Was also ist der Unterschied zwischen Bargeld und Kryptos? Was macht Geld in den Augen vieler – fälschlicherweise – so viel besser? Ignorante Finanzfachleute bezeichnen Bitcoins und Co. als zum Scheitern verurteilte Spekulationsblase, weil der Kryptomarkt alle gängigen Merkmale wie beispielsweise zu hoch bewertete Vermögensgegenstände aufweist. Das Problem an den bisherigen Crashes waren aber nicht die Kryptowährungen per se, sondern die viel zu hoch bewerteten ICOs (Initial Coin Offerings) und die damit verbundenen (zu) grossen Töne, welche die Initianten spuckten. Kryptos waren neu, in aller Munde und bereit für Grosses – dennoch wurden sie zu Beginn überschätzt. Aber: Bitcoins und Co. haben die Crashes überstanden, Investoren und Anleger zogen ihre Lehren daraus und haben das System weiterentwickelt.
Weil Bargeld auch nur ein simples Tauschmittel ist, wird es aussterben, sobald sich eine effizientere Möglichkeit findet und durchsetzt. Die Zeit ist nun reif, reif für Neues, Effizienteres und Moderneres. Aus diesem Grund zahlt heute kaum jemand mehr bar, sondern mit Karte. Der Wert des Geldes ist nicht an ein Warengut gebunden – sein Preis ist unabhängig und der Wert hängt davon ab, wie hoch wir ihn schätzen beziehungsweise er uns diktiert wird. Wer also sagt, dass Fiatgeld nicht auch eine Bubble ist?
Wenn wir heute nicht mehr an den Wert von Bargeld glauben würden, was wäre es dann morgen noch wert? Ohne die lange Vorgeschichte, die ihm innewohnenden Traditionen und die beruhigenden Worte der Zentralbanken, was spricht da noch für die Existenz von Bargeld? Falls Kryptowährungen aufgrund ihrer Schnelllebigkeit oder Volatilität eine Bubble sind, dann sind es auch Aktien, Bonds und jede andere Art von Geld – es sind künstlich geschaffene Tauschmittel, an deren Wert wir glauben, der durch den Staat bestimmt wird und bei dem wir hoffen, dass er möglichst lange möglichst stabil bleibt.
Wieso vertrauen wir Regierungen, wenn’s um den Wert und die Art des Geldes geht, aber immer weniger, wenn’s um politische Entscheide geht, welche Gesetze und Steuern betreffen? Wie können wir ihren Versprechen in und ihrer Arbeit an einer besseren Zukunft misstrauen, aber den von ihr vorgegebenen Geldwert nicht hinterfragen? Aus all diesen Gründen sind Kryptowährungen die Zukunft. Nicht, weil ein paar Millennials damit reich wurden und daran festhalten. Sondern, weil Kryptos wegen ihrer unbestreitbarer Vorteile das neue Betriebssystem für eine dezentralisierte demokratische Welt sind.
Ein Beispiel gefällig? Dank Bitcoins und Co. umgehen zahlreiche Venezolaner die im eigenen Land vorherrschende Inflation. Kryptowährungen: Eine Alternative mit gewaltigem Zukunftspotenzial. Es ist kein Vertrauen in eine Regierung mehr nötig, die bestimmt, wie viel Geld wert zu sein hat. Bei einem Eingriff im Falle einer Finanzkrise muss die Bevölkerung keine Sparkurse mehr akzeptieren, während die eigentlichen Schuldigen mit dem Schrecken davonkommen. Schliesslich hängt die (finanzielle) Zukunft eines Staates nicht mehr von der Launen der Regierung ab, sondern von den Geldgebern selbst.
Ja, es kann sein, dass Kryptos überbewertet sind. Ja, auch sie können manipuliert werden. Ja, Krypto-Mining verbraucht ebenfalls viel Energie. Und nein, sie sind nicht immer die einfachste Lösung, speziell was High-Frequency-Trading betrifft. Und trotzdem: Was bleibt, ist die alles entscheidende Frage des Preises. Was ist es dir wert, die Sicherheit zu haben, dass jede und jeder, der sein Geld in einem der unveränderbaren Krypto-Accounts hat, mitbestimmt, wie sich das Ganze entwickelt? Die einseitige Entscheidungsfindung bezüglich Preissetzung durch die Regierung wird beim Modell mit Kryptowährungen vom gemeinsamen Konsens abgelöst.
Ist ein System besser als ein anderes, wird es dies unaufhaltsam auslöschen. Und das ist gut so. Es ist noch nie passiert, dass sich ein unterdurchschnittliches System lange halten konnte – es sei denn, es ist das kleinste von allen Übeln. Nicht zufällig haben sich DVDs gegen VHS, Google gegen Yahoo oder Facebook gegen MySpace durchgesetzt. Aus denselben Gründen werden Bitcoins und Ethereum Bargeld als Zahlungsmittel verdrängen.
Wer das Prinzip des Fiatgeldes nicht versteht, darf nicht darüber urteilen, ob Kryptos Bargeld irgendwann ablösen werden. Dasselbe gilt für die Funktionsweise des Krypto-Minings – wenn du es nicht verstehst, steht es dir nicht zu, es als Bubble abzustempeln. Denn: Vollständige Transparenz, lückenlose Aufzeichnungen und Crowd-Funding machen Kryptowährungen zu einer mehr als ernst zu nehmenden Gefahr für die Existenzberechtigung von Bargeld. Das ist keine Vorhersage, sondern ein Fact.
Spätestens dann, wenn du im digitec-Shop bei der Abholung deines TVs gefragt wirst, ob du mit Bitcoins, Ethereum oder Tether zahlen möchtest, wirst du an mich denken.
Wenn ich nicht gerade haufenweise Süsses futtere, triffst du mich in irgendeiner Turnhalle an: Ich spiele und coache leidenschaftlich gerne Unihockey. An Regentagen schraube ich an meinen selbst zusammengestellten PCs, Robotern oder sonstigem Elektro-Spielzeug, wobei die Musik mein stetiger Begleiter ist. Ohne hüglige Cyclocross-Touren und intensive Langlauf-Sessions könnte ich nur schwer leben.