Hintergrund

10 Tage Fasten: Fünf Kilo Speck weg und wie betrunken gefühlt

Andrea Fricke
27.6.2018

Trotz Brille habe ich unscharf gesehen, war fast taub auf einem Ohr und habe heimlich beim Wandern nach Walderdbeeren gesucht. Das ganze im Zickzack-Lauf wie eine Besoffene. Warum? Weil ich zehn Tage Fasten gegangen bin. Und das, obwohl ich Essen liebe.

Zu Beginn des Jahres habe ich nach sieben Jahren meinen Job geschmissen, eine neue Wohnung bezogen und zusätzlich auch noch meine Weiterbildung abgeschlossen. Ganz schön viel. Ich habe durchgepowert. Immer weiter gemacht. Nach dem ganzen Theater war ich sowas von reif für die Klapse. Nach einem Weekend in München bei Freunden war ich einen Ratschlag reicher. Eine Psychologin, die ich dort kennenlernte, empfahl mir zu Fasten. Zu dem Zeitpunkt habe ich Fasten noch mit etwas religiösem verbunden und mit Verzicht auf etwas, was ich liebe. Das sollte sich aber schnell ändern, nachdem sie mir eine ARTE-Dokumentation gezeigt hat, in der ein russischer Psychiater, schwerst depressive Patienten fasten liess. Super spannend. Und irgendwie auch eine Herausforderung. Also wieso nicht so bescheuert sein und mal machen, hab ich mir gedacht?

Sieben Tage nichts essen in Bayern

Wer das erste Mal fastet, sollte dies unbedingt begleitet tun. Allein schon, um es wirklich durchzuziehen. Jede Art von Stress schadet dem Organismus beim Fasten. Am Besten ist Fasten in kleinen Gruppen. Wieso mir genau das bei meiner ersten Krise den Arsch rettet, fasse ich später noch zusammen.

Ich fange also mit einer kleinen Internetrecherche an. Das erste, was aufpoppt, sind Kurhotels in Ungarn. Gross und weit weg. Nichts für mich. Wenn ich mich schon freiwillig irgendwo hinwage, um gegen Hunger und daraus resultierende Beschwerden zu kämpfen, dann in etwas kleineres und feineres. Etwas in den Bergen. Dort wo mich jemand auch versteht, wenn ich wegen Kopfschmerzen jammere oder nach Essen bettel. Die Suche geht weiter und endet bei einem kleineren Bio-Hotel in Bayrischzell in Deutschland. Ein familiengeführtes Sanatorium und Natur-Hotel, das seit über 115 Jahren besteht. Also buche ich das Rookie Paket. Zehn Tage fasten nach Buchinger am Tannerhof. Buchinger setzt 1935 einen Fastenplan auf und hält die folgenden Punkte, als Basis fest:

  1. Die freiwillige Bereitschaft zum Verzicht
  2. Der Wunsch nach innerer Reinigung
  3. Die positive Zuversicht, dass das Fasten ein großartiges ganzheitliches Erlebnis ist
  4. Die Freude auf Bewegung, Ruhe und Besinnung

Meine Antworten:

  1. Jein.
  2. Ja.
  3. Jein.
  4. Ja.

Eine gründliche Darmentleerung: Themen, über die man eigentlich nicht sprechen will

Der Hunger vergeht, wenn man komplett leer ist. Das habe ich immer wieder gelesen und gehört. In den Infoblättern des Tannerhofs habe ich schon Anweisungen für die letzten drei Tage vor meiner Anreise erhalten.

  • Kein Fleisch
  • Gedämpftes Gemüse
  • Nicht zu viel essen

Mit beklommenem Gefühl lese ich auch immer wieder etwas von Einläufen und Glaubersalz. In der Folge «Noah», der zweiten Staffel, «Jerks» mit Christian Ulmen und Fahri Yardim auf ProSieben geht es genau um dieses Thema. Einläufe. Die Folge ist zum Schiessen. Gut, dass ich wenige Stunden vor meiner Abreise nochmal locker drüber lachen kann. Nachher wird's dann ernst.

Wenn du jetzt denkst: «Mein Gott. Die wird ja jetzt nicht im Detail über Einläufe schreiben.» Nein. Das werde ich nicht. Denn ich habe mich für das Runterwürgen von Glaubersalz entschieden. Super ekelhaft! Nachdem ich das Glas runter habe, hab ich dankbar mit Apfelsaft nachgespült. Und dann ist abwarten angesagt. Wenn du Angst vor der Unberechenbarkeit und der Distanz zur nächsten Toilette hast, keine Angst, ein gesunder Mensch bekommt das rechtzeitig mit.

Sobald das Glaubersalz im Darm angelangt ist, zieht es Flüssigkeit von Aussen hinein. Den Rest kannst du dir zusammenreimen. Zwei bis drei Stunden später kannst du wieder das WC verlassen. Danach ist viel trinken angesagt, um den Wasserverlust auszugleichen.

Kleiner Tipp am Rande und gegen einen wunden Hintern: Feuchttücher mitnehmen!

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Meine Rettung: Gruppentherapie

Nachdem ich nun jeglichen Ballast von mir geworfen habe – wie herrlich zweideutig – ist der Hunger weg. Alles ist draussen. Die Leute, die mir gesagt haben, dass es danach einfacher laufen würde, hatten recht.

Die ersten zwei Tage geht es mir gar nicht so schlecht. Klar, ich muss immer wieder an Essen denken. Besonders an Feta und Oliven. Dazu habe ich Freizeit und somit mehr Zeit zum Nachdenken und Grübeln.

«Von Tee am Morgen, Suppe am Mittag und Saft am Abend kann ich nicht zu viel Energie erwarten», dachte ich vor der Abreise

Meine Rettung, wenn ich mal wieder im Kopf bei Feta und Oliven hängen bleibe, sind die drei Damen, mit denen ich mir in der Fasterstube einen Tisch teilen darf. Denn am Tannerhof wird zusammen gesessen. Das ist fast wie Gruppentherapie. Die Damen sind keine Anfängerinnen mehr. Die Älteste am Tisch, eine Malerin, hat vor 43 Jahren das erste mal gefastet. Die Unternehmensberaterin ist zum dritten Mal da und die Neurologin zum zweiten Mal. Im Grunde habe ich drei Mütter bekommen, die auf mich aufpassen.

Und das müssen sie in der Tat. Denn ich bin frische Nichtraucherin und habe zudem noch Cracker im Auto. Dümmste Idee meine Lebens, mit Essen im Kofferraum zum Fasten zu fahren. Randnotiz: Die Cracker sind noch alle am Leben.

Drei Tage wie betrunken

Ich bin jetzt Nichtraucherin. Applaus für mich! Mit dabei, meine drei neuen Mütter, alias die Wachhunde. Meine Kaugummi-Sucht hänge ich auch an den Nagel. Denn es geht bewusst darum, das Kauen für sieben Tage einzustellen. Am dritten Morgen des Nichts-Essens wache ich mit einem unangenehmen Druck auf einem Ohr auf. Ich kann nicht mehr richtig hören. Gut habe ich meinen zweiten Kontrolltermin bei der Ärztin des Tannerhofs auf dem Terminplan.

«Das ist nicht schlimm. Das kann von Ihrem tiefen Blutdruck kommen. Sie müssen sich mehr bewegen.» sagt sie.

Ich entscheide mich für Aqua-Jogging. Nach meinem spassigen Rumgehampel ist mein Ohr wieder frei. Am nächsten Tag sehe ich mit Brille unscharf. Das hat mit dem sich senkenden Augeninnendruck zu tun. Was nicht schlecht ist, wie mir die Ärztin abermals versichert.

Nach diesen Spirenzchen habe ich erst gelernt, was richtig tiefer Blutdruck mit meinem Körper für Spielchen treibt. Ich fühle mich drei Tage so als wäre ich betrunken. Geschlagene drei Tage. Beim Spaziergang lauf ich Schlangenlinien. Velofahren ist mir zu riskant. Im Liegen hab ich eine Sanduhr im Kopf und irgendwie ist es lustig. Obwohl ohne Alkohol. Kurze Trauer um ein oder zwei oder drei gute Gläser Rotwein. Ich hab dann doch noch eine Methode gefunden, meinen Blutdruck auf Hochtouren zu bringen. Ich beginne Heu für Hochlandrinder zu schippen. Und nur für Hochland-Rinder. Der Grund: das schönste Pony der Welt.

Kneipp’sche- und Bädergüsse

Die Lösung meines Problems ist eigentlich zu naheliegend. Kaltes Wasser. Also arschkaltes Wasser. Jeden Morgen ist direkt nach dem Aufstehen der Gang in die Bäderabteilung angesagt. Dort werde ich abwechselnd mit warmem und kaltem Wasser bis zur Hüfte abgespritzt. Super lässig. Nicht wirklich. Aber das lässt mein Herz einiges besser Pumpen. Danach kann ich das kribbelnde Gefühl in meinen Beinen geniessen und meinen Tee vor mich hinschlürfen. Um die Pumpe jedoch weiterhin in Trab zu halten, muss ich laufen gehen. Gut, dass ich in den Bergen bin. Jeden Tag drei Stunden, bemannt mit einigen Päckchen Honig für den Notfall, schlendere ich durch die Wälder. Übrigens gehört der Honig nicht wirklich zum Konzept des Herrn Buchinger, aber am Tannerhof war’s erlaubt. Sonst wäre ich heute noch im Wald.

Ich habe niemals geahnt, so viel Energie zu haben. Zurück am Tannerhof stampfe ich noch einmal durch’s Kneipp Becken. Eine unmenschliche Kälte, aber grandioser Effekt. Meine Empfehlung für Zuhause: Unter der Dusche mit den Fusssohlen beginnen und dann zu den Knien hoch wandern. Beginnend mit warmem Wasser, dann kalt. Das ganze zweimal wiederholen und mit kaltem Wasser aufhören. Die Beine danach nicht mit dem Handtuch trocken rubbeln, sondern die Wasserperlen mit den Händen etwas in die Haut einreiben und dann von der Luft trocknen lassen. So bleibt das kühlende Gefühl noch etwas länger und belebt dich richtig schön am Morgen. Das Ganze geht auch unter dem Thema «Gefässtraining» und hat folgende Vorteile:

  • Durch den Temperaturwechsel ziehen sich die Venen zusammen, was ein gutes Training der Gefässe ist und Krampfadern vorbeugt
  • Haut und Muskeln werden besser durchblutet
  • Kann eine Erleichterung bei schmerzenden Füssen bringen
  • Gut bei Kopfschmerzen

Buttermilch und Apfeltee

«Buttermilch. Das hani no nie trunke», sagte die neu angekommene Tischnachbarin aus der Schweiz zu mir.

Als ich im Teenageralter Leistungssport getrieben habe, habe ich noch die ein oder andere Buttermilch vertilgt. Sie sättigt und versorgt den Körper mit Protein. Beim Fasten hat sich wieder eine richtige Liebe zu Buttermilch entwickelt. Wenn du jetzt glaubst, dass muss etwas Deutsches sein, was man bei uns nicht findet, dann täuscht du dich. Buttermilch gibt es in jeder Migros oder Coop. Und ich finde sie köstlich.

Während des Fastens gibt es nicht vieles, auf das du dich freuen kannst, aber die Buttermilch ist eines davon. Und dann war da noch der Apfeltee. Davon haben mir schon meine Fasten-Muttis erzählt. Den gibt es immer mittwochs und sonntags. Und meine Güte, sowas leckeres hab ich schon lange nicht mehr als Heissgetränk gehabt. Und das kann unmöglich an meinen sich wieder regenerierenden Geschmacksknospen nach dem jahrelangen Rauchen liegen. Später habe ich dann das Geheimrezept abgefangen. Kauf dir einen Sack Äpfel und koche diese gut zehn bis zwölf Stunden in Wasser. Danach kannst du den Saft abgiessen und verdünnen. So viel zu der Magie. Du musst es einfach ausprobieren.

Dieser Saft ist übrigens auch ein total köstlicher Zusatz, wenn du wie ich, auf dem selbstgemachten Eistee-Trip bist. Frische Minze aufkochen und dann mit dem Apfelsaft mischen.

Der Effekt und das Abnehmen

Es geht mir beim Fasten nicht nur um eine Zäsur für meinen Körper. Oder um eine Reinigung. Ich will damit auch Abnehmen und Sport wieder besser in meinen Alltag hineinpacken. Letztes Jahr habe ich einen Unfall gehabt und war fast fünf Monate krank. Ich konnte zwar nach zwei Monaten wieder arbeiten, jedoch war ich überhaupt nicht in der Lage, Sport zu treiben. Ich bin auch noch Frustesser. Da kam einfach alles zusammen.

Mit dem Fasten will ich einen Startschuss abfeuern. Gesagt getan. Es hat geklappt. Vor dem Fasten wurde eine Bio-Impedanz-Analyse durchgeführt. Zum Schluss dann nochmal. Und ich bin Fett im Volumen von zwölf Packungen Butter losgeworden. Drei Kilogramm Fett. Total habe ich fast fünf Kilo abgenommen. So richtig gesehen habe ich es erst zu Hause, als ich endlich mich wieder in einem Ganzkörperspiegel sehe. Hat mich schon ziemlich happy gemacht.

Alltag: Wie es weitergehen soll

Nach dem Fasten habe ich rechte Schwierigkeiten, wieder ins Essen zu finden. Mir ist die ersten Tage recht schlecht. Manchmal überfordert es sogar meinen Kreislauf. Das ist eine ganz neue Erfahrung für mich. Ich liebe doch essen. Ich muss mich erst nochmal darauf besinnen, was mir wirklich gut tut. Die Antwort: Protein und gesunde Fette. Das kriegt meine Verdauung richtig gut hin. Hat sich auch wieder bestätigt. An Fleisch oder Alkohol habe ich mich bisher noch nicht heran gewagt. Das kann auch warten. Wenn du deine Wohnung richtig schön aufgeräumt hast und alles glänzt, schmeisst du ja auch nicht direkt wieder eine Abrissparty.

Für den Alltag bin ich auf intermittierendes Fasten umgestiegen. Ganz nach dem 16:8 Prinzip. Was dahinter steckt? 16 Stunden nicht essen, 8 Stunden essen. So lass ich das Frühstück weg und esse nur zwischen 12 und 20 Uhr. Das funktioniert ganz gut und ermöglicht mir, mein Gewicht zu halten. Zudem ist es gesund für den Darm, da dieser Zeit hat sich zu reinigen, bevor schon wieder was Neues nachgeworfen wird. Übrigens meine Bibel zum Thema «Darm» ist folgender Bestseller und meine Meinung nach lesenswert:

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Deutsch, Giulia Enders, 2017

Zwischendrin kannst du auch mal ein bis zwei Tage komplett auf feste Nahrung verzichten und bei Wasser, Buttermilch und Bouillon bleiben. Damit hast du auch keinen Jojo-Effekt.

Ob ich das Ganze wieder tun würde? Ja. Vielleicht sogar jedes Jahr.

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Andrea Fricke
Team Leader Business Management Mobiles
Andrea.Fricke@digitecgalaxus.ch

Smartphones kennen uns so gut und niemanden berühren wir so oft, wie unser geliebtes Handys. Ohne einander leben? Nicht für mich. Ich stelle mir eher die Frage: Liegt das Smartphone laut Knigge links oder rechts vom Teller?


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