

Beim Edge Explore ist weniger mehr

Noch mehr Funktionen? Noch teurer? Nein danke. Dass weniger mehr sein kann, beweist Garmin mit dem «Edge Explore». Der Velocomputer verzichtet auf ein paar Tools für Profis, ist dafür bezahlbar und attraktiv für Tourenfahrer.
Mein letztes Garmin war ein «Dakota 20», Baujahr 2009. Dann begann die Smartphone-Ära und machte es für mich irgendwann überflüssig. Ich schalte den Veteranen nochmal ein und weiss sofort wieder, warum: Winzige Icons, ein kaum zu bedienender Touchscreen, dunkles Display. Katastrophe. Das Smartphone war mir irgendwann genug und setzte den Standard, was Benutzerfreundlichkeit anging. Während die Garmin-Velocomputer sich zu Hightech-Leistungsmessern mit Navi-Funktion entwickelten, habe ich auf Velotouren und beim gelegentlichen Mountainbiken nichts vermisst.


Mit dem «Edge Explore» von Garmin gibt es nun wieder ein Gerät, dem ich eine Chance gebe. Warum? Weil es auf einige Funktionen für Cracks verzichtet, dafür aber mit einem attraktiveren Preisschild daherkommt. Wenn dir Dinge wie Trainingspläne, Strava Live Segmente oder Powermeter-Unterstützung beim Biken so egal sind wie mir, solltest du es dir genauer anschauen. Auch der Edge Explore kann für Normalfahrer wie mich mehr als genug. Ich glaube, die meisten Nutzer können auch bei diesem Gerät noch auf den Grossteil der Funktionen verzichten. Hauptsache, die Navigation ist gut.

Erster Eindruck und Installation
Der Edge Explore sieht aus wie der kleine Bruder des mit allem Schnick und Schnack ausgestatteten Edge 1030, der viel mehr kann, als ich jemals brauchen würde. Ich finde die kompakten Dimensionen des Explore vorteilhaft, mir reicht das drei Zoll grosse Farbdisplay mit seiner Auflösung von 240 x 400 Pixeln. Das Gerät liegt gut in der Hand und lässt sich mit der von Gummiringen fixierten Halterung schnell überall anbringen. Am Lenker oder Vorbau, wie es dir und an deinem Velo passt. Ich wechsle im Laufe meines Tests zwischen Mountainbike und Alltagsrad und platziere das Garmin jeweils am Vorbau.
An den Seiten hat das Gerät noch drei Knöpfe: Einen, um das Display zu sperren oder zu aktivieren, einen zum Starten/Stoppen der Aufzeichnung und einen, um eine neue (Trainings)-Runde zu beginnen. Mit einem fix verbauten 1150 mAh grossen Akku, der bis zu zwölf Stunden durchhalten soll, bringt es der Edge Explore auf 116 Gramm. Als ich ihn das erste Mal an den PC anschliesse und mit Garmin Express verbinde, saugt er sich direkt ein Software-Update. Auch die auf dem 16 GB grossen internen Speicher vorinstallierten Europakarten könnte ich jetzt aktualisieren. Da für das Update bei mir 2 Stunden und 43 Minuten veranschlagt werden, verzichte ich vorerst. Ich will los. Einen Teil der freien 7,7 GB mit Tour-Daten füllen.

Die Navigation
Sie ist vermutlich das Hauptinteresse aller, die sich sich für den Edge Explore interessieren. Wenn du das Gerät einschaltest und die üblichen Grundeinstellungen vorgenommen hast, kannst du schon nach ein paar Sekunden loslegen und über die Zieleingabe Adressen, Koordinaten oder POIs auswählen. So starte ich meine Explore-Erkundung. Ich steige auf, gebe Ziele ein und schaue, wie gut das für mich funktioniert. Dabei merke ich schnell, dass es zumindest sinnvoll ist, im Menü unter «Toureinstellungen» den Routing-Modus zu definieren: Rennrad? Mountainbike? Offroad? Radfahren auf verschiedenen Untergründen? Zu Fuss? Könnte ja noch einen Unterschied machen.
Nachdem es beim ersten Einsatz noch eine Weile gedauert hatte, bis die Position gefunden war und die Routenführung beginnen konnte, geht die Navigation über GPS danach immer fix und zuverlässig. Mir ist beim Navigieren wichtig, dass die Neuberechnung schnell erfolgt und das Gerät nicht ewig an seiner Route festhält, wenn ich mich für einen anderen Weg entscheide. Das funktioniert mit dem Garmin gut. Er hat schnell die nächste Anweisung parat, wenn ich mal eine ignoriere, und fordert mich nie zum Umkehren auf. Dafür sehe ich darüber hinweg, dass die ursprünglichen Routenvorschläge nicht immer deckungsgleich mit meinen Ideen sind und die Hinweistöne an ein untotes Tamagotchi aus den 90ern erinnern.
Wenn du grössere Touren in Angriff nehmen und eine Strecke mit vielen Zwischenzielen planen willst, geht das besser über die Connect-App oder am besten am Computer. Die Planung mit mehreren Wegpunkten wird auf dem Explore selbst sonst schon etwas fummelig und mühsam. Willst du eine spontane Runde drehen, kann dir das Edge Explore aber auch jederzeit Rundkurse in der gewünschten Länge für deine aktuelle Position vorschlagen.

Bedienung und Menüführung
Die Handhabung des Edge Explore ist wirklich einfach. Das Display reagiert sehr gut, lässt sich auch mit Handschuhen bedienen und die Grundfunktionen sind schnell erreichbar. Schade ist vor allem der fehlende Umgebungslichtsensor. Du musst die Display-Helligkeit also manuell einstellen. Das geht wie bei Android-Handys über ein Menü, das du von oben aufs Display ziehen kannst. Da es in meinen Testwochen meist ziemlich sonnig war, habe ich sie fast auf 100 Prozent gestellt und dann nicht mehr verändert. Damit war es jederzeit gut ablesbar und das Thema für mich erledigt. Auch wenn es zu Lasten der Akkulaufzeit geht: Wer will das schon ständig anpassen? Was ich gerne angepasst hätte, ist die Belegung der Tasten. Besonders die «Runden»-Funktion ist auf Touren wenig sinnvoll, aber leider nicht zu ändern. Während der Fahrt lässt sich leicht zwischen den drei Hauptansichten hin und her wischen, die dir Karte, Höhenprofil und Daten wie Geschwindigkeit, Distanz zum Ziel oder Kalorienverbrauch anzeigen. Welche davon du hier sehen willst, kannst du frei konfigurieren. Geht doch.

Konnektivität
Auch das Garmin Edge Explore ist längst nicht nur Navi, sondern eine kleine Kommandozentrale. Wenn du dein Smartphone via Bluetooth verbindest, lassen sich deine Touren direkt in der Connect-App auswerten oder GroupTrack-Sitzungen mit Freunden starten. Dazu kannst du dich auf dem Explore auch über eingehende Anrufe und SMS informieren lassen und die automatische Unfall-Benachrichtigung aktivieren. Bei mir stand die Verbindung zum Handy immer auf Anhieb, sobald ich das Garmin eingeschaltet habe.
Zusätzlich lassen sich über ANT+ noch weitere Sensoren koppeln. Ich habe es mit dem Varia RTL510 ausprobiert und war von diesem Radar-Rücklicht ziemlich angetan. Es scheint nicht nur hell nach hinten, sondern erfasst auch zuverlässig, was hinter mir auf der Strasse los ist. Nähert sich ein Fahrzeug, wird das durch einen Warnton und optisch am Rand des Displays signalisiert. Wenn dir die Möglichkeiten über Bluetooth und ANT+ noch nicht reichen, wirst du in Garmins Connect IQ Store fündig und kannst die Funktionalitäten des Edge Explore durch Apps und Widgets erweitern.
Fazit
Ich bin mit dem Garmin gut gefahren. Die Qualität von Hard- und Software stimmt und es wurde nur an Funktionen gespart, die mir (bis auf den Umgebungslichtsensor) nicht weiter fehlen. Ausgefeilte Trainingsfunktionen, einen barometrischen Höhenmesser und einen elektronischen Kompass hat der Edge Explore nicht. Ausserdem setzt er «nur» auf GPS. Entsprechend sind die aufgezeichneten Daten nicht über jeden Zweifel erhaben. Wenn es dir dabei auf absolute Genauigkeit ankommt, musst du wohl tiefer in die Tasche greifen.
Wenn du aber ein gutes und handliches Turn-by-Turn-Navi suchst, das dich beim Biken oder Wandern begleitet und nicht gleich ein Vermögen kostet, spricht aber einiges für den Edge Explore. Damit bist du schnell startklar und kannst immer noch genug Zusatzfunktionen entdecken. Ich habe Schritt für Schritt das eine oder andere ausprobiert und das Gerät so immer mehr nach meinen Vorlieben konfiguriert. Frust kam dabei nie auf, Abstürze habe ich nicht erlebt. Wie lange der Akku schlussendlich hält, ist schwer zu sagen, aber eine Tagestour sollte definitiv drin sein. Schade ist allerdings, dass er fix verbaut ist und nicht einfach gewechselt werden kann. Denn ansonsten hat der Edge Explore das Zeug dazu, für einige Jahre ein zuverlässiger Tourenbegleiter zu sein.


Einfacher Schreiber, zweifacher Papi. Ist gerne in Bewegung, hangelt sich durch den Familienalltag, jongliert mit mehreren Bällen und lässt ab und zu etwas fallen. Einen Ball. Oder eine Bemerkung. Oder beides.