Produkttest

Calidas Funktions-Schlafanzüge sind gut, aber woran erinnern sie mich nur …?

Schlafen in einem Baumwoll-Pyjama? Das ist fast so out wie Bubble-Tee. Funktional muss Schlafbekleidung heute sein. Das hat jetzt auch die Schweizer Firma Calida verstanden und sich für ihre «Deepsleepwear» bei der Konkurrenz inspirieren lassen.

Mein Schlafanzug von Dagsmejan unterziehe ich seit zwei Jahren quasi einem Langzeittest. Er war der erste Nicht-Baumwolle-Pyjama, den ich getestet habe. Schlafanzüge aus reiner Baumwolle verstauben seitdem im Kleiderschrank.

Calida ist im Schlafanzug-Markt der Schweiz ein Platzhirsch. Allerdings hauptsächlich einer mit Baumwoll-Fell. Die Schweizer Traditionsmarke hat sich Zeit gelassen, jetzt aber auch eine Linie mit «funktionalen» Schlafanzügen herausgebracht. Im Vergleich zu Baumwolle sind die dafür verwendeten Stoffe dehnbarer, formbeständiger und absorbieren Feuchtigkeit besser.

Die neue Linie heisst bei Calida «Deepsleepwear», darunter sind Shirts und Hosen, die aus verschiedenen Modalstoffen gefertigt werden. (Hier findest du alle Produkte dieser Linie im Shop.)

Calida Dsw Balancing
Shirt
CHF89.90

Calida Dsw Balancing

Calida Deepsleepwear Balancing
Pyjama
CHF109.–

Calida Deepsleepwear Balancing

Drei Linien gibt es: Warming, Balancing und Cooling. Das erinnert mich stark an Dagsmejan, das Zürcher Startup, das bereits seit der Gründung im Jahr 2016 im Bereich Schlafbekleidung forscht und produziert. Auch dort gibt es drei Linien. Sie heissen: Stay Warm, Balance und Stay Cool. Kann die semantische Nähe reiner Zufall sein?

Für einen Test hat mir Calida einen kurzen «Balancing»-Pyjama zur Verfügung gestellt. Es ist erkennbar, dass das im luzernischen Sursee gelegene Traditionsunternehmen mit der «Deepsleepwear» etwas Neues wagt. Statt in Plastik verpackt kommen Shirt und Hose in quadratischen silbergrauen Kartons bei mir an. Das zwar traditionelle, aber auch etwas quietschige Calida-Gelb haben die Verpackungsdesigner in die Verbannung geschickt.

In quadratischen Kartons verpackt kommt die «Deepsleepwear» bei mir an.
In quadratischen Kartons verpackt kommt die «Deepsleepwear» bei mir an.
Quelle: Martin Jungfer

Auch preislich heben sich die Tiefschlaf-Pyjamas vom bisherigen Calida-Sortiments ab – und zwar nach oben. Ein Schnäppchen sind die neuen Schlafanzüge nicht. Dafür sind sie aus dem vermeintlichen Wunderstoff Tencel, also einer Modalfaser, statt aus Baumwolle gefertigt. Meine Kollegin Pia Seidel hat die Trendfaser kürzlich genauer vorgestellt. Sie ist umweltfreundlicher, weil bei der Herstellung weniger Wasser benötigt wird als bei der Verarbeitung von Baumwolle zu Fasern.

Calida setzt nicht nur auf die meist aus Eukalyptus- oder Buchefasern gewonnen Modalfasern. Zusätzlich kommt ein Anteil von 28 Prozent «Seacell», ebenfalls ein Modalstoff, zum Einsatz. Der wird aus isländischen Braunalgen gewonnen, die «auf umweltschonende Weise geerntet» werden, wie es auf der Verpackung heisst. Bei der Recherche finde ich heraus, dass nur der obere Teil der Algen geerntet wird, so dass sie von unten wieder nachwachsen kann. Weil die Braunalge aus dem kalten Wasser in den Fjorden Islands stammt, soll sie reich an Mineralien sein. Konkret Magnesium, Calcium, Kalium und Phosphor, wie mir Calida auf Nachfrage mitteilt. Ausserdem stecken in der Wunderpflanze sogar Spurenelemente wie Eisen und Jod, Vitamine und Aminosäuren.

Wirkstoffe sollen in der Waschmaschine überleben

Hey, ich will den Pyjama nicht essen, aber gesund klingt das natürlich. Wobei der isländische Seetang tatsächlich im Sommer Pferden als Mineralfutter gereicht wird. Wie viel der Inhaltsstoffe nach der aufwändigen chemischen Verarbeitung – im Prinzip bleiben vom Ausgangsmaterial nur Moleküle übrig und werden zu Fasern gezogen – noch übrig ist, steht auf einem anderen Blatt. Genauso, ob der Stoff dann tatsächlich meine Haut «jede Nacht» mit «regenerierenden Vitalstoffen» pflegt. Der Schlafanzug fühlt sich zwar seidig weich an, aber er ist halt doch keine Creme. Immerhin: In der Waschmaschine sollen die guten Inhaltsstoffe auch nach 50 Waschgängen noch zu 80 Prozent enthalten sein, heisst es auf der Seite der Smartfiber AG, die mit dem Modalstoffhersteller Lenzing AG zusammenarbeitet.

In einer bei der Universität Jena in Auftrag gegebenen Studie konnte zudem nachgewewiesen werden, dass ein kleines Stück des Algenstoffs in einem Reagenzglas tatsächlich mehr freie Radikale binden kann als Baumwolle. Freie Radikale entstehen durch Stress, UV-Strahlung oder Luftverschmutzung und lassen Haut schneller altern.

Im Shirt ist das eigens neu kreierte Logo zu sehen.
Im Shirt ist das eigens neu kreierte Logo zu sehen.
Quelle: Martin Jungfer

Die Vorteile und Segnungen des Algen-Stoffes werden auf einer Calida-Seite im Internet wortreich beschrieben. Wissenschaftliche Langzeitstudien, ob meine Haut dadurch wirklich weicher wird oder ich im Schlaf mehr Erholung finde, gibt es bisher nicht. Auf der Verpackung finde ich zwar diese Aussage:

Die in der Alge enthaltenen, natürlichen Mineralien, Vitamine und Antioxidantien sind nachweislich hautpflegend und unterstützen die Regeneration.

Forschungsarbeiten habe ich allerdings nur auf den Gebieten Nahrung und Kosmetik gefunden; nicht für Kleidung. Rein subjektiv fühle ich mich in der «Deepsleepwear», die ich testen durfte, ausgesprochen wohl. Weder schwitze noch friere ich. Modalstoffe sind im Vergleich zur Baumwolle deutlich atmungsaktiver. Der Einsatz von Flatlock-Maschinen in der Produktion sorgt für flache Nähte, die ich nicht spüre.

Das T-Shirt ist für lange Kerls etwas zu kurz

Mein Calida-Pyjama hat einen Elasthan-Anteil von sieben Prozent, was ihn noch einmal anschmiegsamer macht. Im Vergleich zu anderen Pyjamas, die ich trage – zum Beispiel von ISA oder Dagsmejan – schneidet Calida eher etwas weiter und etwas kürzer. Mein Shirt in Grösse L hat eine Rückenlänge von 72 Zentimetern. Das sind drei oder vier Zentimeter Unterschied zur Konkurrenz. Da mein Körperbau gemäss Aussage meiner Grossmutter selig eher Typ Bohnenstange ist, hätte ich mir das Shirt länger und enger gewünscht.

Beim Design und den Farben finde ich dann sehr viel wieder, was ich von Dagsmejan kenne: warme, erdige Blau- und Grüntöne zum Beispiel, oder auch den farblich abgesetzten Hosenbund. Sogar ein aufgedrucktes Logo in einem Silberton gibt es bei Calida und bei Dagsmejan.

Zwei Shorts, die sich mindestens so ähnlich sehen wie die Klitschko-Brüder. (Und bevor jemand fragt: Nein, ich bügle meine Pyjamas nicht.)
Zwei Shorts, die sich mindestens so ähnlich sehen wie die Klitschko-Brüder. (Und bevor jemand fragt: Nein, ich bügle meine Pyjamas nicht.)
Quelle: Martin Jungfer

Fazit: Ich bleibe beim Original

Calida hat mit der «Deepsleepwear» ein Produkt auf den Markt gebracht, das dem wachsenden Bedürfnis nach funktionaler Schlafkleidung entspricht. Ich würde eine Wette eingehen und behaupten, dass Calida sich beim Produktdesign und in der Vermarktung mindestens hat inspirieren lassen von den Schlafanzügen von Dagsmejan. Vielleicht sieht man die mutmassliche Nachahmung dort ja sogar als grosses Kompliment.

Wenn du dir etwas gönnen willst und von einem traditionellen Baumwoll-Schlafanzug auf die teurere Calida-«Deepsleepwear» umsteigst, gibt es für dich wohl kein Zurück mehr. Die Modalstoffe machen einen spürbaren Unterschied, sind nachweislich umweltfreundlicher und halten auch nach vielen, vielen Wäschen die Form und den angenehmen Griff.

Mein persönlicher Favorit bleiben jedoch die Dagsmejan-Pyjamas. Nicht zuletzt, weil ich deren Anstrengungen in der Forschung und Zusammenarbeit mit renommierten Expertinnen und Experten wertschätze und lieber beim Original bleibe.

Titelfoto: Martin Jungfer

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Journalist seit 1997. Stationen in Franken, am Bodensee, in Obwalden und Nidwalden sowie in Zürich. Familienvater seit 2014. Experte für redaktionelle Organisation und Motivation. Thematische Schwerpunkte bei Nachhaltigkeit, Werkzeugen fürs Homeoffice, schönen Sachen im Haushalt, kreativen Spielzeugen und Sportartikeln. 


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