

Das beste Sportgame des Jahres ist hier – und es ist nicht «Fifa 19»
Die FIFA-Reihe ist tot. Lang lebe «NBA 2K19»! Ich erkläre dir, warum die Basketsimulation das beste Sportspiel des Jahres ist – Mikrotransaktionen zum Trotz.
Die Entwickler von 2K sitzen seit Jahren auf dem Basketball-Thron. Und das wissen sie. Die Detailverliebtheit nimmt teilweise absurde Formen an. So ist das Sound-Design-Team in jedes Stadion gefahren und hat dort die authentischen Prell-Geräusche auf dem jeweiligen Parkett und sogar die Geräusche des Netzes bei einem «Swoosh» (wenn der Ball direkt im Korb landet) aufgenommen. Das grenzt eigentlich schon fast an Überheblichkeit, kämpft der Mitstreiter EA doch seit Jahren mit Problemen bei ihrer Basketsimulation «NBA Live».
Präsentation: Nur Fernsehen ist besser
Es ist völlig unbestritten: So authentisch wie Basketball bei «NBA 2K» wird keine Sportart in einem Game präsentiert. Das beginnt mit der Expertenrunde um Ernie Johnson, Greg Anthony und Shaquille O’Neal, die das kommende Spiel witzig und charmant anmoderieren. Danach sorgt das Einlaufen der Heimmannschaft für Gänsehaut. Während des Spiels schalten die Kommentatoren Seitenlinien-Reporter zu, in den Pausen gibt es Interviews mit Spielern und seit dem letzten Jahr sind sogar Gast-Kommentatoren dabei. So war ich völlig überrascht, als Kevin Garnett beim ersten Spiel mit meiner Lieblingsmannschaft, den Timberwolves, plötzlich seinen Senf zum Spiel gab. Ich weiss: viele geben gar nichts auf eine authentische Präsentation, sie wollen nur zocken. Für mich kommt aber erst richtig Stimmung auf, wenn auch das Drumherum passt. Wenn im vierten Viertel der «Assist of the Game» gezeigt wird. Oder wenn die Zuschauer lautstark die Defense anfeuern und du sie dabei rhythmisch in die Hände klatschen siehst. Hier können sich Fifa und Co. eine dicke Scheibe abschneiden.

Grafik: Fertig Clipping
Grafisch gibt es in diesem Jahr wenig Neues: Die Spieler sehen ihren echten Vorbildern sehr ähnlich, trotzdem scheint die Engine langsam etwas in die Jahre gekommen zu sein. Grösste Verbesserung zum letzten Jahr ist, dass die Spielermodelle sich weniger ineinander verheddern. Das sogenannte Clipping wurde weitgehend behoben.
Hinzugekommen sind neue Animationen, die das Spiel lebhafter wirken lassen. Du siehst alleine an der Animation, dass Steph Curry gerade den Dreier geworfen hat. Die Stars und ihre Signature Moves sind allesamt vertreten. Weil die Spielermodelle sowieso nur in den Zwischensequenzen in Nahaufnahme gezeigt werden, kann ich über die etwas laue Grafik hinwegsehen. Die noch einmal optimierten Animationen hingegen machen wirklich Laune und wirken sich auch auf dein ganzes Spiel aus. Endlich wirken Blocks wirklich wuchtig und nicht zufällig, die Spieler fangen den Ball nicht mehr so oft aus unmöglichen Situationen und wenn der Ball frei herumliegt, bücken sich die Spieler realistisch und beamen den Ball nicht einfach in ihre Hände. Hier hat «2K» definitiv einen Schritt vorwärts gemacht, was sich merklich aufs Gameplay auswirkt.

Gameplay: Hot or not?
Bei «NBA 2K19» hat die Verteidigung kräftig dazugelernt. Vorbei sind die Zeiten, in denen du mit einem mittelmässigen, schnellen Spieler einfach an Verteidigern vorbeiziehst. Die Defense steht wie eine Eins und du kommst nicht um taktische Spielzüge herum. Du musst Blocks stellen und so Spieler freispielen (Pick and roll), sonst läufst du immer in eine Wand von Verteidigern. Schüsse aus unmöglichen oder schwer gedeckten Positionen landen kaum im Korb. Sobald sich aber eine Möglichkeit zum Schuss bietet, musst du diese auch nützen.
Dabei hat sich an der Steuerung wenig geändert: Mit dem rechten Stick machst du Dribblings und wirfst, es gibt drei Pass-Arten und die Möglichkeit, einen Wurf per Button einzuleiten. Nützlich kommt hinzu, dass die Schussanzeige in diesem Jahr immer eingeblendet wird. Damit ist ein grosser Kritikpunkt der letztjährigen Version behoben: Unter dem Korb wurde dort die Schussanzeige ausgeblendet, was oft dazu führte, dass einfache Korbleger versemmelt wurden.

Natürlich bietet dir «NBA 2K19» wieder den gewohnten, taktischen Tiefgang und eine schier unüberschaubare Anzahl an Spielzügen und taktischen Optionen. Wenn du willst, kannst du das Verhalten deiner Feldspieler bis ins kleinste Detail beeinflussen und deinen Spielzug während des Spiels von einem «Fist 12 Pop» auf einen «Quick 2 Carolina Leak» wechseln (auch wenn ich nicht im geringsten weiss, was die Spielzüge machen).
Ganz neu ist das «Takeover» System. Ist ein Spieler heissgelaufen, kannst du einen Boost für diesen Spieler aktivieren. Er übernimmt dann quasi das Spiel, seine Stärken werden noch stärker. Aber Vorsicht: Ein schlechter Schütze versenkt nicht plötzlich Dreier um Dreier oder ein kleiner Spieler kann nicht plötzlich dunken. Auf der anderen Seite kann ein Spieler auch unterkühlt sein, wenn er zu viele Fehler macht und bringt dann nichts mehr zustande. Versuchst du nun den unterkühlten Spieler in Szene zu setzen und hilfst ihm so aus dem Loch? Oder gibst du dem etwas schlechteren Bankspieler eine Chance? Die Entscheidung liegt alleine bei dir.
Spielmodi: Vor lauter Bäumen den Wald nicht mehr sehen
Zwei Storymodes, einen lockeren Freestyle-Modus, ein Sammelkartenspiel, zwei Saisonmodi… alles, was das Herz begehrt ist vertreten. In diesem Jahr bin ich vor allem vom Storymodus begeistert. Seit fast 10 Jahren bietet «2K» die Möglichkeit, als einzelner Spieler eine Geschichte zu durchleben. Dabei war sogar der Regisseur Spike Lee einmal für die nötige Dramatik verantwortlich. Gepackt hat mich bisher keiner dieser Storymodes. Das ist in diesem Jahr anders: Du beginnst ganz unten. Statt im Draft von einem NBA Team auserwählt zu werden, muss der Protagonist zuerst in der chinesischen Liga seine Sporen abverdienen.

Die «Vom Tellerwäscher zum Millionär» Story ist nicht wirklich tiefgründig, das muss sie aber auch nicht sein. Etwas Drama, etwas Komik, mir reicht das völlig. Neben dem Platz triffst du Entscheidungen, die mehr oder weniger Einfluss auf den weiteren Verlauft der Story haben und spielst dich so langsam, aber sicher in die beste Liga der Welt hoch. Seifenoper statt Shakespeare. Genau das braucht aber ein Sportspiel. Falls du eher im Kollektiv antreten willst, dann ist der Managermodus «MyGM» dein Ding. Auch der hat wahlweise eine Story. Leider sind die Dialoge dort aber nicht vertont und du musst dich durch eine gefühlte Million Textboxen lesen, weshalb ich gerne darauf verzichtet habe.
Saisonmodus: Ich kann alles besser
Erneut kannst du nämlich in zwei anderen Saisonmodi dein Team zu Ruhm und Ehre führen: Beim «MyGM» Modus ohne Story musst du dich um die Anliegen der Teambesitzer und Spieler kümmern, die Finanzen unter Kontrolle halten, diverse Mitarbeiter einstellen und feuern, Spieler scouten und traden und halt alles machen, was ein Teammanager so macht. Weil deine Spieler sich immer benachteiligt fühlen, könnte man ihn auch als «Kinderhortleiter-Simulator» bezeichnen. Daher konzentriere ich mich lieber auf «MyLeague». Dort fällt das Rollenspielelement weg. Ausserdem kannst du bis ins letzte Detail die Gegebenheiten der Saison anpassen. Wie lange dauert die Saison? Welche Teams spielen mit? Wie lange dauern die Playoff Serien? Gibt es eine Lohnobergrenze?
Mein Team durch mehrere Saisons zu begleiten und alles besser zu machen, als die echten Manager und Trainer ist seit jeher meine Leidenschaft und hier punktet die «2K NBA» Reihe richtig. Und weil du im Spiel selbst Spielerdatenbanken von anderen «2K» Usern herunterladen kannst, lässt sich das Spiel ohne Aufwand anpassen. Irgendjemand hat bestimmt die Teams der Saison 97/98 originalgetreu erfasst. Warum also nicht dort anfangen?
Das ist die Stärke bei «2K»: Totale Kontrolle über sämtliche Aspekte des Spiels. Das geht tief ins Gameplay rein. Per Schieberegler passt du so jedes erdenkliche Detail an. Die Computergegner begehen zu wenige Fouls? Kein Problem, Regler etwas hochstellen. Dir gelingen unrealistisch viele Rebounds? Regler runter. Jedes Detail kann so angepasst werden und auf Internetforen gibt es hunderte von vorgeschlagenen Einstellungen. Ein Traum für Individualisten und Taktik-Tüftler. Bravo «2K»! Jetzt kommt sie aber doch, die Schelte.
Willkommen in der Mikrotransaktionshölle
«2K» scheint kritikresistent zu sein. Im letzten Jahr wurde «NBA 2K» wegen des komplett irren Mikrotransaktions-Systems von der Fachpresse mit schlechten Review-Noten abgestraft. Geändert hat sich nichts. Vor allem das virtuelle Kartenspiel «MyTeam» zieht dir das Geld aus der Tasche. Die teuersten, virtuellen Kartenpäckli kosten über 20 Franken. Dafür bekommst du nicht etwa Drogen geschenkt, nein: Du kriegst eine Handvoll virtuelle Basketballspieler. Ohne Kohle zu investieren, spielst du in diesem Modus eigentlich immer die zweite Geige. Klar kannst du dir die virtuelle Währung auch freispielen. Das dauert aber Ewigkeiten. Willst du dein «MyTeam» mit LeBron James, Steph Curry und James Harden ausstatten, musst du entweder arbeitslos sein und jeden Tag 12 Stunden zocken. Oder du zückst die Kreditkarte. Weil ich aber einen Job und nie Geld habe, lasse ich die Finger ganz von diesem Modus. Ich habe ihn also auch nicht getestet. Wer gerne Geld zum Fenster rausschmeisst, der soll ruhig «MyTeam» spielen. Sag aber nicht, ich hätte dich nicht gewarnt.

Schliesslich gibt es wieder einen Park, indem du dich mit deinem «MyCareer» Spieler austoben kannst. Der Park dient als Lobby, du spielst auf Streetball-Plätzen um Ruhm und Ehre und kaufst deinem Charakter Kleider und Fortbewegungsmittel. Auch in diesem Modus kannst du mit Mikrotransaktionen deinen Spieler stärker machen. Wobei es schon fast ein Müssen ist. Um die beste Wertung 99 zu erreichen, gilt dasselbe wie bei «MyTeam». Entweder RAV oder Kreditkarte. Auch diesen Modus lasse ich links liegen.
Fazit: Mehr ist manchmal eben doch mehr
Mit einer Vielzahl an Modi, Einstellungsmöglichkeiten bis ins letzte Detail und optimierter, künstlicher Intelligenz in der Verteidigung zeigt «NBA 2K19», wer hier der Chef auf dem Platz ist. Der Storymodus macht in diesem Jahr richtig Spass, die Präsentation ist gewohnt spitze und die Atmosphäre ungeschlagen. Weil ich getrost auf «MyTeam» und den Park verzichten kann, ist «NBA 2K19» das beste Sportspiel dieser Generation. Wenn «2K» jetzt ihr Ghetto mit den Mikrotransaktionen in Ordnung bringen würde, hätten wir gar das perfekte Sportspiel. So bleibt aber trotzdem ein bitterer Nachgeschmack.
Als ich vor über 15 Jahren das Hotel Mama verlassen habe, musste ich plötzlich selber für mich kochen. Aus der Not wurde eine Tugend und seither kann ich nicht mehr leben, ohne den Kochlöffel zu schwingen. Ich bin ein regelrechter Food-Junkie, der von Junk-Food bis Sterneküche alles einsaugt. Wortwörtlich: Ich esse nämlich viel zu schnell.