
Hintergrund
Warum ich langweilige Filme mag
von David Lee
Parties am Strand, radioaktiver Giftmüll und ein Monster. Das ergibt einen Film, der so schrecklich war, dass Zuschauer den Kinobetreiber von jeder Verantwortung für Todesfälle freisprechen mussten. Das ist «The Horror of Party Beach», der wohl schrecklichste Horrorfilm aller Zeiten.
«Seltsame Atommonster, die von menschlichem Blut leben!» prangt in grossen roten Lettern auf dem Filmposter des Streifens «The Horror of Party Beach». Das «erste Monster-Horror-Musical» der Filmgeschichte aus dem Jahre 1964 zeigt nicht nur eindrücklich, warum das Genre des Monster-Musicals sich nicht etablieren konnte und sollte – okay, sogar das macht der Film eigentlich falsch –, sondern leidet auch an massloser Selbstüberschätzung. Oder brilliantem Marketing.
Wenn du damals «The Horror of Party Beach» in einem US-Kino schauen wolltest, dann musstest du folgenden Zettel unterschreiben:
Jeder Besucher des Films, der mittlerweile offiziell in der Liste der «Filme, die zu den schlechtesten Filmen aller Zeiten gehören» aufgenommen worden ist, musste offiziell und rechtlich die Kinobetreiber von jeder Verantwortung freisprechen, sollten sie während der Vorführung vor Angst sterben. So schrecklich sei der Film.
Heute, 55 Jahre nach der Erstveröffentlichung, sieht die Welt anders aus. Kinobesucher haben die brillianten Special Effects aus der Werkstatt von Rob Bottin in «The Thing» überstanden, sich vor Angus Scrimm in «Phantasm» gefürchtet und Linda Blair als besessene Regan in «The Exorcist» zum Kulturgut ernannt. Heute können wir, vielleicht, den Horror of Party Beach ertragen.
«The Horror of Party Beach» beginnt mit einer wilden Party am Strand. Aus dem Off läuft der Track «Zombie Stomp» von den Del Aires.
Zwei junge Männer prügeln sich. Wegen eines Mädchens. Ein Mädchen küsst einen Typen, der dann weitergeht und sie küsst den nächsten. Die modernen jungen Leute wissen sich einfach nicht zu benehmen. Und diese Rockmusik erst.
Unter Wasser geht es etwas ruhiger zu und her. Da liegt ein menschliches Skelett und radioaktiver Giftmüll, wie das in den 1960ern so üblich war. Das radioaktive Material läuft aus, trifft auf das Skelett und eine furchtbare Mutation nimmt ihren unheiligen Lauf. Das Skelett verbindet sich mit Seeanemonen und Protozoa. Taxonomisch ist das zwar extrem fragwürdig, aber wo Rockmusik und radioaktiver Giftmüll im Spiel sind, geht alles.
Und dann? Dann hat es sich mit dem Plot. Das Monster bringt Leute um, vor allem die wilden Teenager. An Pyjamaparties, an Rockparties am Strand und an anderen Parties am See. Die guten Erwachsenen, irgendwer ist ja doch noch vernünftig in dieser wilden Welt, suchen derweil nach einem Weg, dieses furchtbare Monster zu töten. Blöderweise begehen die weissen Erwachsenen mit anständigem Haarschnitt einen kapitalen Fehler: Sie ignorieren die Weisheit der schwarzen Haushälterin. Denn diese weiss über Voodoo Bescheid, wie das in den 1960er so üblich war. Doch zum Glück ist die Frau nicht nur schwarz, sondern auch extrem schusselig. Nachdem sich gefühlte sechs Millionen Szenen von Party, Mord und Forschung abwechseln, verschüttet die Haushälterin Eulabelle (Eulabelle Moore) Natrium, das auf einen vom Monster abgetrennten Arm trifft. Dieser löst sich dann auf. Logischerweise.
Mehr Natrium. Monster. Auflösung. Die Weissen leben wieder in Frieden und die Party kann weitergehen. Die Del Aires spielen auf.
The End.
Das Problem wird recht schnell offensichtlich, vorausgesetzt, du schläfst nicht ein. Denn selbst als Trash Film ist «The Horror of Party Beach» komplett nutzlos. Klar, der Film hat es unerklärlicherweise international geschafft, Kultstatus zu erreichen. Aber als filmisches Machwerk versagt der Film auf ganzer Linie.
Da ist die Sache, dass die Drehbuchautoren Richard Hilliard, Ronald Gianettino und Lou Binder keinen Plan haben, wie ein Musical funktioniert. So behämmert das jetzt auch klingen mag, hier das Konzept eines Musicals. Die Schauspieler agieren, wie es normale Menschen tun würden. Sie tun Dinge und sagen Wörter. Auf einmal wird das Realistische ausgeschaltet und die Schauspieler beginnen zu singen und zu tanzen ohne aus der Rolle zu fallen. Ein Beispiel:
In «The Horror of Party Beach» kommt die ganze Musik vom Band oder wird von einer Band im Hintergrund der Szene gespielt. Was aber hier gesagt werden muss, die Band im Film – die Del Aires – machen ganz ordentlichen Surfer Rock. Nichts verreckt Gutes, aber ordentlich.
Das Verständnis für eine Geschichte und was sie ausmacht geht den Autoren völlig ab. In der Regel gibt es in einer jeden Geschichte eine Identifikationsfigur, die dem Zuschauer sympathisch ist. Selbst wenn der Protagonist einer Geschichte unsympathisch oder ein Schurke ist – siehe Ash aus «Evil Dead» –, so ist er doch die Figur, an der die Geschichte hängt. In Party Beach werden die Forscher, die da dereinst das Monster zur Strecke bringen werden, erst nach 23 Minuten eingeführt. Bei einer Laufzeit von 78 Minuten ist das ziemlich spät. Und selbst wenn die Forscher früher kommen würden, dann wären sie immer noch ein paar weisse Männer in Anzug und Krawatte, die sich durch nichts unterscheiden. Dasselbe Schicksal erfahren auch die Teenager im Film – Alter ungefähr Mitte 30 –, die austauschbarer nicht sein könnten. Auch Plot ist nicht so die Sache des Films. Irgendwie geht es um wenig bis nichts. Warum muss das Monster besiegt werden? Klar, das Viech frisst einige Teenies, aber so richtig gefährlich wirkt das Atommonster nicht. Dann vermehrt es sich auch noch, aber dann irgendwie nicht mehr. Warum? Wann? Wie? Alles ungeklärt.
Apropos Monster. Da musst du schon ein Fright Release unterzeichnen, und dann sieht das Monster so aus.
Ja ne, is klar.
Den Status als Kultfilm verdient sich «The Horror of Party Beach» vor allem durch einen Auftritt, Jahrzehnte später. Denn der Film ist schon bald nach der Veröffentlichung ins Public Domain gefallen. Das heisst, dass keiner das Urheberrecht für sich beansprucht. Es sind just diese Filme, die die Comedy-Serie «Mystery Science Theater 3000», kurz MST3K, genutzt hat. Denn in MST3K geht es darum, dass ein Hausmeister und zwei Roboter in einem Kino auf einem Satelliten Filme schauen und diese kommentieren.
Im Jahre 1997, in der neunten Staffel des Mystery Science Theaters, war dann endlich «The Horror of Party Beach» dran. Tipp: Überspring einfach die Parts, die in Farbe sind. Die sind nie besonders gut. Dafür sind die Parts, wo Mike (Michael J. Nelson) und Co. sich über den Film lustig machen, umso besser.
«The Horror of Party Beach» ist nach wie vor im Public Domain. Das heisst, du kannst dir auch die nicht-MST3K-Version des Films einfach auf Youtube anschauen.
Aber eines noch: Wenn du vor Angst und Schrecken stirbst, dann übernimmt Digitec Galaxus keine Haftung. Also darfst du dir den Film nur auf eigene Gefahr ansehen.
So. Fertig. Der Film sollte ursprünglich übrigens «Invasion of the Zombies» heissen. Das Monster vom Partystrand ist zwar untot, aber Zombies sind dann doch was anderes.
Journalist. Autor. Hacker. Ich bin Geschichtenerzähler und suche Grenzen, Geheimnisse und Tabus. Ich dokumentiere die Welt, schwarz auf weiss. Nicht, weil ich kann, sondern weil ich nicht anders kann.