
Hintergrund
Der Horrorfilm, der so schrecklich ist, dass du eine Schreck-Verzichtserklärung unterschreiben musst
von Dominik Bärlocher
Am Computer ist fast alles möglich. Heerscharen, Aliens und Feuersbrünste. Doch der ganze Pixelmüll wird auf Dauer alt. Practical Effects hingegen sind und bleiben zeitlos. Eine Liebeserklärung an eine sterbende Kunst.
Kollege Luca Fontana und ich sitzen beim Zmittag. Sandwiches. Wir schwafeln über dies und das, Filme unter anderem. Wir reden oft über Filme und es gibt kaum etwas im Leben, das Luca nicht mit Star Wars begründen kann. Heute aber hat er ein anderes Thema.
«Die Affen in <War for the Planet of the Apes> sehen grossartig aus. Andy Serkis, Mann...», sagt er.
«Ich mag die alten Affen von anno dazumal besser. Oder die aus dem Jahre 2001», sage ich.
«Neeeein, Mann, die neuen Filme sind besser.»
Mag schon sein, aber die Affen sahen früher definitiv besser aus. Der Grund: Sie wirken real und nicht wie aus dem Computer gekotzt. Natürlich, Andy Serkis Performance als faschistischer Affe Caesar sucht seinesgleichen. Aber am Ende starrt uns da ein Haufen Pixel an, so despektierlich das auch klingen mag.
Kurz: Ich bin und bleibe davon überzeugt, dass je weniger an einem Film aus dem Computer kommt, desto besser die Spezialeffekte.
Das Problem sind aber nicht die kleinen Bewegungen im Film. Wenn Andy Serkis als Caesar blinzelt und das Computermodell blinzelt dazu, dann hat das seine Richtigkeit und beeindruckt. Schwierig wird es bei Computereffekten dann, wenn etwas künstliches mit der echten Welt interagieren soll. In Action- oder Kamfpszenen wirkt das immer besonders grässlich und auch standardsetzende Werke wie die Geschichten vom Planet der Affen sind davor nicht gefeit:
Natürlich wissen das die Filmemacher. Daher haben sie im Laufe der Zeit einige Tricks entwickelt, wie sie um den Unrealismus herumarbeiten können. Darunter sind:
Find ich zum Heulen, so etwas. Schade auch, dass das moderne Kino sich so stark auf Computer verlässt.
Auf der anderen Seite sind in Hollywood einige Filmemacher nach wie vor davon überzeugt, dass der Weg zu schönen und guten Filmen der ist, dass möglichst alles echt sein soll. Selbst die ambitioniertesten Projekte wollen Regisseure wie Christopher Nolan oder George Miller praktisch umsetzen.
Wo jetzt CGI-Schmieden wie Weta Workshop hingehen würden und per cleverem Algorithmus den Gang drehen würden und dann das offen wehende Haar von Schauspielerin Ellen Page mit der virtuellen Schwerkraft rotieren lassen würden, ist das Christopher Nolan in «Inception» anders angegangen.
Christopher Nolan und sein Team haben ein Set gebaut, das einen Hotelgang darstellt und das um 360 Grad gedreht werden kann. Damit Pages Haare die Illusion nicht zerbrochen haben, trägt sie nur in den Hotelszenen einen Dutt. Klar, Nolan kann so nicht sagen «Wir haben über 12 000 einzelne Bögen Papier animiert und realistisch in die Szene eingefügt» sondern nur «Wir haben per Computer ein paar Kabel entfernt und einige Dinge schweben lassen», was offensichtlich nicht so beeindruckend wie animiertes Papier ist.
Practical Effects, also Spezialeffekte ohne Computer, sind schlicht besser als Computereffekte. Denn wenn etwas in der echten Welt existiert, dann muss es auch nicht so ausgesehen lassen werden als ob es echt wäre. Paradebeispiel dafür ist «Mad Max Fury Road». Autor und Regisseur George Miller hat einige Regeln für die postapokalyptische Welt aufgestellt. Darunter, dass jedes Objekt zwei Funktionen haben muss.
Der Gitarrist mit der flammenwerfenden Gitarre heisst Doof Warrior. Die Gitarre speit im echten Leben Flammen. George Miller «mag keine Dinge, die nicht funktionieren». Das zieht sich durch den Film. Die Autounfälle sind alle echt, die Schauspieler haben ihre Stunts bei etwa 110 Kilometern pro Stunde in der Wüste durchgezogen und überhaupt, die Wüste war echt. Keine Bühnenbilder mit Unmengen Sand. Die ganze Produktion hat in der Wüste Namibias stattgefunden.
Wenn wir von Science Fiction und Action absehen, dann sind es Horrorfilme, die am meisten von Practical Effects profitieren. Denn nichts sieht so grässlich blutig aus wie wenn die Gedärme aus echten Sachen – nicht zwingend echte Gedärme – gemacht sind.
The Void ist aktuell der wohl bekannteste Film aus dieser Bewegung heraus. Die Filmemacher Jeremy Gillespie und Steven Kostanski wollten einen blutigen Horrorfilm wie aus den 1980ern schaffen und haben mit The Void ein starkes Zeichen für Maskenbildner und literweise Kunstblut gesetzt.
Nicht ganz allen Ambitionen für Horrorfilme mit Practical Effects werden aber Realität. Der niederländische Filmemacher Richard Raaphorst hat anno 2004 mit der Produktion von Worst Case Scenario begonnen. Drei Jahre später folgt ein Trailer, der viel verspricht.
Die Filmproduktion wird 2009 aufgrund von finanziellen Problemen abgebrochen. Die Design-Ideen und einige Plot-Elemente werden aber 2013 in Frankenstein's Army aufgegriffen.
Dem Film fehlt der Humor des Worst Case Scenarios, da weder ein Fussball-WM-Finale als Auslöser für die Zombieapokalypse hinhalten muss und der Soundtrack so generisches Technogedüdel ist. Unter anderem. Schade.
Kein Artikel über Practical Effects kommt um die Erwähnung von zwei Namen herum: Rob Bottin und Rick Baker. Kaum ein Mann ist für so viele filmbedingte Alpträume verantwortlich wie die beiden. Die Maskenbildner haben praktisch im Alleingang die 1980er-Jahre zum goldenen Zeitalter der Spezialeffekte gemacht.
Bottin ist verantwortlich für die herrlich bizarren Monstren aus John Carpenters The Thing.
Er hat Robocop anno 1987 sein knapp nicht mehr menschliches Gesicht gegeben.
Rick Baker hat Aliens geschaffen, die ein Computer nie so gut hingekriegt hätten. Er hat in Men in Black Ausserirdische geschaffen, in Videodrome einen Meilenstein des Body Horror gesetzt und die Affen im gescheiterten 2001er-Reboot des Planeten der Affen erfunden.
Was den Planeten der Affen von anno 2001 so gut macht, ist nicht die beknackte Story mit Mark Wahlberg, sondern der Look des Films. Ich glaube dem Film, dass die Affen auf ihrem Planeten echt sind. Denn die Schauspielerinnen und Schauspieler sind stundenlange in der Maske gesessen und haben sich von Rick Baker zum Affen machen lassen. Das gibt dem Film ein Gefühl der Greifbarkeit, des Physischen und des Echten. Und genau das ist es, was ich an den ganzen Computer-Schlachten vermisse.
Wenn du wissen willst, was Practical Effects alles tun und können und dazu auch noch etwas hinter die Kulissen des Fachs schauen willst, dann kann ich dir die US-amerikanische Reality-Show „Face Off“ ans Herz legen. Moderiert von MacKenzie Westmore und unter der Leitung ihres Vaters, Special Effects Creator Michael Westmore, treten eine Schar Kandidaten gegeneinander an und schaffen Masken und Kostüme, die eine Jury aus Experten beeindrucken soll.
So. Fertig. Ich mach mal mehr Nostalgie und schau mir zum xten Mal «The Thing» an. Besser als die eine Kinovorführung in Wien wird das wohl aber kaum. Ein Thema für einen anderen Tag, vielleicht.
Journalist. Autor. Hacker. Ich bin Geschichtenerzähler und suche Grenzen, Geheimnisse und Tabus. Ich dokumentiere die Welt, schwarz auf weiss. Nicht, weil ich kann, sondern weil ich nicht anders kann.