Produkttest

Der Schlagbohrer für deine Muskeln

Michael Restin
9.10.2018
Bilder: Thomas Kunz

Als ich das Massagegerät «Hypervolt» zum ersten Mal in der Hand halte, denke ich eher an Werkzeug als an Wellness. So soll es auch sein, denn die Produkte von Hyperice sind für Athleten gemacht. Was kann dieser Schlagbohrer?

Der Erfolg von Hyperice ist märchenhaft. Gründer Anthony Katz, ein ehemaliger Geschichtslehrer und Basketball-Coach, fand mit seinem ersten Produkt in Rekordzeit Fans unter Amerikas Topathleten. Als er sich für das Thema Regeneration zu interessieren begann, banden sich selbst die Stars noch behelfsmässig Eisbeutel um die schmerzenden Gelenke. Mit seiner Kompressions-Eismanschette aus Neopren traf er die richtigen Leute und den Nerv der Sportstars, von denen sich auch einige als Investoren beteiligten. Wenn sich Athleten wie LeBron James, Kobe Bryant oder Lindsey Vonn mit deinen Produkten zeigen, hast du gewonnen. Seither ging es für das Unternehmen rasant bergauf. Der «Hypervolt» soll nun die Königslösung für die punktgenaue Vibrationsmassage sein. Sowohl zur Aktivierung vor der Belastung als auch zur Regeneration im Anschluss. Ich bin gespannt, wie sich das anfühlt, wenn man nicht ganz den Brustkorb eines LeBron James und die Oberschenkelmuskulatur einer Lindsey Vonn hat.

What’s in the box?

  • der Body
  • der Akku/Griff
  • vier Massageaufsätze in Teller-, Ball-, Bullet- und Gabelform
  • ein Ladegerät
Die Verpackung ist hochwertig, der Inhalt übersichtlich.
Die Verpackung ist hochwertig, der Inhalt übersichtlich.

Auf Schnickschnack und langatmige Anleitungen verzichtet Hyperice. Beim Zusammenbau kannst du auch nicht viel falsch machen. Der Akku wird in den Body geschoben, bis er einrastet, was allerdings etwas Kraftaufwand erfordert. Erst im letzten Moment macht es «Klick». Dass das Ladegerät an der Unterseite eingestöpselt werden kann, entdeckst du bei der Gelegenheit schnell und der On/Off-Schalter daneben erklärt sich auch von selbst. Wobei das Gerät erst startet, wenn du zusätzlich noch den Knopf an der Rückseite des Bodys betätigst, mit dem sich die Geschwindigkeit in drei Stufen regeln lässt. Der Massageaufsatz deiner Wahl wird vorher eingesteckt und leicht gedreht, dann kann’s losgehen. Aber welcher Aufsatz? An welcher Körperstelle? Und lieber mit 2000, 2600 oder 3200 Stössen pro Minute? Das erklärt der coole Mr. Katz höchstselbst im Video. Ich fasse dir seine Ausführungen kurz zusammen.

Teller, Gabel, Bullet, Ball

  • Der Ball ist der weichste Aufsatz und praktisch überall einsetzbar, gut für den Einstieg.
  • Der Teller ist ebenfalls sehr vielseitig, allerdings härter und mit einer grösseren Kontaktfläche. Viele Nutzer setzen ihn bevorzugt am Quadriceps (vorderer Oberschenkel), Gluteus (Hintern) und Pectoralis (Brust) ein.
  • Der Bullet-Aufsatz ist dazu gemacht, Triggerpunkte sehr gezielt zu bearbeiten. Mit ihm kannst du tief ins Gewebe gehen und auch kleinere Körperbereiche massieren, zum Beispiel an den Füssen.
  • Die Gabel eignet sich zur Massage am Trapezius (Nacken), wobei der Muskel zwischen den Zinken platziert wird und du durch Drehungen beidseitig ins Gewebe gehen kannst. Links und rechts der Achillessehne lässt sich damit ebenfalls gut arbeiten, was für Läufer interessant sein dürfte. Und einige nutzen die Gabel auch gerne an den grösseren Muskelpartien. Sagt der Chef.
Drücken, drehen, fertig: Die Aufsätze lassen sich ohne Kraftaufwand wechseln.
Drücken, drehen, fertig: Die Aufsätze lassen sich ohne Kraftaufwand wechseln.

Die drei Geschwindigkeitsstufen: «It’s up to you!»

  • Die Einstiegsgeschwindigkeit von 2000 RPM empfiehlt Mr. Katz im Hals-/Nackenbereich, wo Vorsicht geboten sei.
  • 2600 RPM würden sich eher für die Beine und Waden eignen.
  • Auf der höchsten Stufe von 3200 RPM hätten Hüften, Hintern und Quadriceps Freude.

Grundsätzlich aber gelte bei allem: «It’s up to you!» Okay. Wenn du eine Bohrmaschine kaufst, bekommst du auch nicht gross erklärt, wo und wie du damit bohren kannst. Der Hypervolt ist auch ein Werkzeug. Wer auf Instagram nach dem Hashtag sucht, findet jede Menge Physiotherapeuten, Athleten mit per Hypervolt zum Wabbeln gebrachten Muskelbergen und diesen Hund, bei dem ich nicht ganz sicher bin, ob er die Behandlung wirklich geniesst.

Ausprobiert: Es geht auch ohne LeBron-Statur

Ich starte mit dem Ball-Aufsatz am Oberschenkel. Der Ball ist etwas gummiert, die übrigen Aufsätze bestehen aus leichtem Hartplastik. Den Hauptschalter auf On, ein Druck auf den Knopf an der Rückseite, los geht’s auf Stufe eins. Der Hypervolt ist wirklich überraschend leise, nur ein tiefes Brummen ist zu hören. Der «Booster» von Blackroll hat für mehr Lärm gesorgt. Da durch den Akku fast das gesamte Gewicht im Griff sitzt, lässt sich das Gerät sehr gut und stabil halten. Am unteren Ende des Griffs befindet sich zudem ein LED-Ring, der über den Ladezustand des Akkus Auskunft gibt. Er soll etwa drei Stunden durchhalten. Das wären über eine halbe Million Stösse, die die deine Muskeln durchschütteln.

Das fühlt sich – zumindest mit dem Ball – gar nicht so heftig an. Auch als Normalsterblicher ohne LeBron-Statur. Wenn du ihn ansetzt, spürst du schon auf der niedrigsten Stufe keine einzelnen Stösse, sondern einfach ein konstantes Vibrieren der Muskulatur. Ich bearbeite Oberschenkel und Oberarme, bevor ich den Aufsatz wechsle. Jetzt also der Teller, dessen grosse Kontaktfläche bei jedem Treffer für noch mehr Wirkung sorgt. Diese beiden Aufsätze bleiben meine Favoriten, da ich mir und der Bullet nicht ganz traue, wenn es darum geht, Triggerpunkte zu treffen und tief ins Gewebe zu massieren.

Auch die Gabel nutze ich nur kurz. Auf den grossen Muskeln finde ich sie nicht angenehm, entlang der Achillessehe und am Trapezius fehlt mir eine helfende Hand – das gelingt in Eigenregie nicht gut. Ich hatte den Hypervolt über einen längeren Zeitraum immer wieder im Einsatz und es ist nicht ganz einfach, ihm im Urteil gerecht zu werden. Verarbeitungsqualität und Leistung sind gut, aber die Anwendung ist schlussendlich sehr individuell. Ich hatte kein spezielles Problem wie Community-Mitglied Pcevans, der seinen Tennisellbogen damit behandelt hat und sehr zufrieden ist. Und ich habe Hemmungen, einzelne Bereiche mit grösserem Druck zu bearbeiten. Was bleibt, ist eine gute Selbstmassage, die trotz der vorhandenen Power so leise vonstatten geht, dass es nicht nervt.

Fazit

Braucht es das? Bringt's das wirklich? Ich hatte zu Beginn einige Vorbehalte dem Gerät gegenüber. Je mehr ich mich damit befasst habe, desto mehr habe ich festgestellt: Nicht der Hypervolt ist das Problem. Es ist ein Gerät, das in fachkundige Hände gehört, wie auch die Physiotherapeutin meines Vertrauens meint. Ein Tool für Therapeuten und Sportler, die wissen, was sie tun und punktgenau damit arbeiten wollen. Wenn das auf dich zutrifft, dann bekommst du ein hochwertiges Produkt für dein Geld, das noch dazu angenehm leise ist und lange durchhält. Ich würde trotzdem den «Booster» von Blackroll oder die «Vyper» von Hyperice vorziehen, weil die Kombination aus Faszienrolle und Vibrationsmassage eher zu meinem Anwendungsprofil passt. Sollte ich aber einem Physio mit dem Hypervolt begegnen, würde ich mich bedenkenlos auf seine Liege legen.

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Einfacher Schreiber, zweifacher Papi. Ist gerne in Bewegung, hangelt sich durch den Familienalltag, jongliert mit mehreren Bällen und lässt ab und zu etwas fallen. Einen Ball. Oder eine Bemerkung. Oder beides.


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