
Hintergrund
Der Gratwanderer
von Michael Restin
Der Weg zu einem leckeren Espresso kann weit sein. Für einen guten Shot müssen viele Faktoren stimmen. Ich habe mich mit der Outdoor-Maschine Cafflano Kompresso auf den Weg gemacht und war erstaunlich schnell am Ziel.
Wenn ich etwas «kochen» kann, dann ist es Espresso. Meine kulinarischen Ambitionen enden bei Pasta mit Sauce, dafür habe ich seit einigen Jahren fleissig mit Kaffeebohnen, Mahlgraden und Handhebelmaschinen experimentiert. Für einen grossen Siebträger fehlt mir der Platz, ich mag es klein und habe mich in das Design der ROK verliebt. Sie funktioniert nach demselben Prinzip wie die Cafflano Kompresso, die ich heute teste: Heisses Wasser musst du dir anderweitig besorgen, aufgiessen und mit Muskelkraft durch den Siebträger pressen. Nach etlichen ekligen Shots landet mit der ROK inzwischen ziemlich zuverlässig ein doppelter Espresso in der Tasse, der ganz nach meinem Geschmack ist. Sie ist mein Referenz-Modell und ich bin gespannt, ob die Cafflano Kompresso mithalten kann.
Eine Schönheit ist die über Kickstarter finanzierte Cafflano Kompresso nicht. Dafür ist sie praktisch aufgebaut, alle Teile sind ineinander verschraubt. So setzt sie sich zusammen:
Auch wenn die Cafflano ein Outdoor-Begleiter sein soll, teste ich sie zuerst zuhause. Dabei gehe ich fast so vor, wie ich es von der ROK gewohnt bin. Ich nehme Bohnen von Stoll (Oraganic Brasil) und mahle sie mit der stufenlos einstellbaren Handmühle von ROK. Der Mahlgrad ist sehr fein, meine zweite Mini-Maschine von Staresso scheitert daran. Ich probiere es mit 14 Gramm Bohnen. Auf einen Leerbezug mit heissem Wasser verzichte ich, da die Kompresso zum grössten Teil aus Kunststoff besteht und ich nicht das Gefühl habe, sie auf Temperatur bringen zu müssen. Nur den «Siebträger» aka Filterhalter spüle ich mit heissem Wasser aus, trockne und befülle ihn. Mit handgemessenen 47 Millimetern hat er einen ordentlichen Durchmesser, beim Tamping-Löffel zeigt das Lineal 45 Millimeter.
Während ich mit dem Siebträger gut leben kann, nervt mich der Löffel. Das ins Kaffeepulver gestempelte Markenlogo sieht zwar witzig aus, ich hätte aber lieber eine glatte Fläche. Keine Chance. Also schraube ich ihn Cafflano-gebrandet ein und koche das Wasser auf. Mein Wasserkocher hat eine Temperaturanzeige. Ich warte auf 95 Grad, giesse 60 Milliliter in den Kolben der Kompresso und setze den äusseren Kolben an. Der Hersteller empfiehlt, für eine Preinfusion fünf bis zehn Sekunden zu warten. Ich zähle langsam bis fünf und beginne dann zu pressen.
Dafür brauche ich mehr Kraft als bei der ROK mit ihren langen Hebeln, aber das Material ist solide und der Kolben fährt geräuschlos nach unten. Nach 20 bis 30 Sekunden schraube ich den Becher ab und bin überrascht. Ich sehe eine ordentliche Crema und schmecke einen runden, starken Espresso. Gleich im ersten Versuch reicht das Ergebnis an die ROK heran. Auch die nächsten Shots gelingen, das kleine Teil läuft meiner «Grossen» für die nächsten Tage den Rang ab.
Nur die Reinigung ist manchmal etwas mühsam. Ich muss aufpassen, mich nicht am heissen Restwasser zu verbrühen, das noch im Kolben sitzt und mir beim Herausziehen des Kolbens oder Abschrauben des Filterhalters entgegenspritzt. Dafür lässt der sich sehr einfach ausklopfen und abspülen. Saubere Sache. Es ist Zeit für einen Outdoor-Test.
Vor einem Ausflug ins Ungewisse mahle ich 30 Gramm Kaffebohnen und verstaue das Pulver gemeinsam mit der Cafflano Kompresso in meinem Rucksack. Es geht in die Berge. Gemeinsam mit Fotograf Thomas Kunz besuche ich den Abenteurer Ruedi Gamper im Appenzell. Wenn ich schon nicht weiss, was mich erwartet, will ich wenigstens guten Espresso trinken.
Mein Moment kommt während des Abstiegs vom Schäfler, als wir am menschenleeren Berggasthaus Mesmer im Nebel sitzen. Hinter uns ein paar Esel, vor uns das Nichts, in den Köpfen das Nachmittagstief. Statt stilecht irgendwo am Lagerfeuer zu sitzen und Wasser aufzukochen, erklären wir der Wirtin unseren Plan und kaufen eine Kanne auf der Hütte. Dann muss es schnell gehen. Pulver in die Kompresso, tampern, Wasser aufgiessen.
Inzwischen habe ich mit der Maschine eine gewisse Routine, aber mir fehlen Waage und eine Temperaturanzeige. Ich erwische etwas zu viel Pulver, das Wasser ist mit Sicherheit längst zu kalt. Egal. Hände an die Griffe und Druck. Ich muss mich richtig anstrengen, um den Kolben überhaupt nach unten bewegen zu können. Es dauert zu lange.
Ich serviere einen bitteren, überextrahierten Espresso, der Tote aufwecken könnte – die sich dann umgehend fragen würden, ob dieses Leben lebenswert ist. Egal. Ruedi macht gute Miene zum schlechten Espresso. Und ich merke, dass die Sache draussen doch nicht so einfach ist. Dafür kann die Cafflano Kompresso nichts, aber es sollte dir bewusst sein.
Wer Perfektion erwartet, ist mit einer «Maschine» wie der Cafflano Kompresso schlecht bedient. Die Ergebnisse können schwanken, gerade wenn du draussen damit hantierst. Aber es ist erstaunlich, was grundsätzlich möglich ist. Ich habe richtig guten Espresso getrunken und mich auch mit dem Äusseren der Kompresso arrangiert, weil sie einfach praktisch aufgebaut ist und sich gründlich reinigen lässt. Wenn meine kleine Staresso demnächst ganz zerbröselt, ist die Kompresso der grosse Favorit auf ihre Nachfolge.
Einfacher Schreiber, zweifacher Papi. Ist gerne in Bewegung, hangelt sich durch den Familienalltag, jongliert mit mehreren Bällen und lässt ab und zu etwas fallen. Einen Ball. Oder eine Bemerkung. Oder beides.