
Hintergrund
462 Gramm Marihuana – Tinus Grow Report, Folge 10
von Martin Jud
Es ist Erntezeit: Mein täglich Hanf gib mir heute. Zuerst wird geschnippelt, dann getrocknet und in zehn Tagen beginnt die Marihuana-Fermentierung.
Hier riecht es komisch, das ist weil… Ich ernte gerade mein Gras. Dabei habe ich was entdeckt, das ich bei einer Schnippelpause konsumiere. So kleiner «Shit», der sich vaporisiert bereits jetzt verdammt gut inhaliert. Lecker!
Begeisterung herrscht, obschon es keine Wirkung zeigt. Der Geschmack erinnert mich an einen fruchtigen Kaugummi mit einer gehörigen Portion Cannabis.
Genaugenommen handelt es sich bei der knubbeligen Probe im Vaporizer nicht um Shit. Die einzelnen Calyxen am Stamm und den Ästen, welche praktischerweise beim Ernten teilweise bereits getrocknet vorliegen, sind wie die normalen Blüten mit besten Cannabinoiden und Geschmacksnoten getränkt. Shit wäre es, wenn mir minderwertiges Haschisch vorliegen würde. Was Hasch ist, muss ich wohl nicht erklären. Doch sei gesagt: «Hascht du Haschisch in der Tasche, hascht du immer was zum Nasche.» Mein Lieblingsspruch in Sachen Cannabis. Der muntert selbst einen Kiffer auf dem Trockenen auf. Oder einen, der haufenweise CBD-Blüten vor sich hat.
Entspannt bin ich übrigens auch ohne CBD im Blut, daher fühle ich wohl nichts beim Konsumieren. Dennoch; geschmacklich ist das Zeug 1A.
Mein Zeug, mein Schatz.
Wobei mir meine Sinne auch einen Streich spielen könnten, weil ich seit Stunden mit Ganja-Geruch torpediert werde. Mit der Zeit wird auch der beste Geruch penetrant. Oder man riecht ihn nicht mehr, was mich an den Schulbesuch in der Kläranlage von anno dazumal in den Neunzigern erinnert. Shit. Damals war ich noch ein richtiges Milchbubi und höchstens Grün hinter den Ohren.
Heute trägt mein Grün milchige Trichome.
Ich ernte weiter und hoffe, dass jetzt kein Nachbar nach Eiern fragen kommt. Obschon ich mit meinem Gras der Sorte Mota CBD Rich Auto nicht in Erklärungsnot käme, da es weit unter einem Prozent THC in sich trägt. Es ist somit legal.
Schade, ist nicht auch THC-Gras legal. Ich wette, dass die meisten derjenigen, die sich seit Jahrzehnten über mein geliebtes Weed auslassen, ab und zu ein Glas zum Wohl, oder auch zu ihrem Unwohl, erheben. Ich kann mich nicht oft genug darüber echauffieren, dass mit Alkohol ein Nervengift legal ist und die tausende Jahre von uns Menschen gehaltene Hanfpflanze, mein geliebtes Cannabis, noch immer in den Köpfen von Gestrigen verteufelt wird.
Ich habe die Schnauze voll, legalisiert es endlich, bitte. Schnell, husch-husch. Ich mache auch einen Kniefall vor der Obrigkeit, den Pharmariesen und der Baumwollindustrie, sollte es von Nöten sein. So, nun aber genug mit Empörung und zurück an die Schere.
Äusserlich hat sich mit blossem Auge bei den vier weiblichen Cannabis-Pflanzen die letzte Woche wenig verändert – eine Hand voll Fächerblätter wurde gelb, ausserdem haben sich bei wenigen Buds vereinzelt Blütenblätter rötlich verfärbt.
In der achten Folge habe ich darauf hingewiesen, dass es das Ziel sei, mit möglichst vielen milchigen Harzdrüsen zu ernten. Und der Blick durchs Mikroskop gab mir gestern, nach 103 Tagen im Leben der Pflanzen, das Gefühl, dass es nun soweit ist.
Daher begann ich gestern Abend mit dem Ernten. Bis spät in die Nacht habe ich Blüten frisiert und insgesamt drei Pflanzen verarbeitet. Das letzte Weibchen ist heute dran.
Nun, nach mehr als sechs Stunden des Schnippelns – ich habe eineinhalb bis zwei Stunden pro Pflanze –, werde ich aber unsicher, ob ich wirklich gerade zum richtigen Zeitpunkt ernte. Mir geht durch den Kopf, dass die Meinungen zumindest bei der Ernte von THC-Gras auseinander gehen. Manch ein Gärtner wartet lieber, bis 50 Prozent der Trichome nicht mehr milchig, sondern bernstein- beziehungsweise colafarbig sind. Später darf, nebenbei bemerkt, auf keinen Fall geerntet werden.
Durch die hinausgezögerte Ernte erhalten nicht nur die Buds mehr Masse, auch verändert sich das Verhältnis unter den Cannabinoiden und das führt wiederum dazu, dass das Ganja körperlastiger wirken soll. Die Couch ist daher des Cola-Liebhabers Freund.
Egal, ich ernte nun mit vielen milchigen und wenigen Cola-Trichomen. So mag ich das persönlich. Bei THC-Gras würde dies gegenüber dem Cola-Pot ein kopflastigeres High auslösen. Ausserdem ist der Geruch respektive Geschmack in diesem Stadium am intensivsten. Natürlich erst nach korrektem Trocknen. Wobei die spätere Fermentierung dem Ganzen noch eins draufsetzen wird.
Wichtig ist, dass beim Ernten eine saubere Unterfläche benutzt wird. Und saubere Scheren. Eine vorgängige Desinfektion mit Reinigungsalkohol kann nicht schaden und mindert das Risiko, Pilzsporen oder anderes einzufangen. Um nicht innert Minuten aneinander klebende Finger zu bekommen sind ausserdem Handschuhe unerlässlich.
Beim Ernten entferne ich alles, was nicht glitzert und lege die einzelnen Blüten auf ein Trocknungstablar. Beim späteren Trocknen ist es wichtig, dass möglichst viel Luft an die Blüten gelangt. Daher belasse ich die grössten Blüten nicht ganz so gross, wie sie sind.
Abgesehen von der Absetzung des Düngers, was bereits Wochen zurückliegt und spätestens zehn Tage vor der Ernte geschehen sollte, habe ich keine weiteren Vorbereitungen getroffen. Weder habe ich meine Pflanzen für 48 Stunden der Dunkelheit mit Wasserentzug ausgesetzt, wie es manche tun, noch ernte ich ausschliesslich am Morgen. Morgens sollen mehr Cannabinoide vorhanden sein, da diese in der Dunkelheit entstehen. Doch denke ich, dass die kurze Zeit einer Nacht gegenüber einer mehrwöchigen Blütephase nicht mehr als ein Tropfen auf den heissen Stein sein kann. Auf diesen Tropfen mehr Cola verzichte ich gerne.
So, die Ernte ist endlich fertig. Ich habe die befüllten Tablare gestapelt ins Dunkle gestellt. Zurück ins Zelt, wo per sofort täglich mehrfach der Diagonalventilator anspringt und dank Aktivkohle auch etwas den Geruch filtert. Läuft dieser nicht, wabert aber dennoch eine Geruchswolke aus dem Zelt. Daher stelle ich einen zweiten Ventilator und Aktivkohlefilter im Raum auf und schalte diesen bei Bedarf ein. Genauer: Er läuft nun immer. Diesen habe ich mir zwischenzeitlich für den Fall einer Teilernte gemeinsam mit einem weiteren kleinen Zelt besorgt.
Die ersten zwei Tage werde ich achtmal 15 Minuten im Zelt für einen Luftzug sorgen. Anfangs ist das Gras feuchter und die Gefahr für Schimmel grösser. Danach schaltet die Zeitschaltuhr den Ventilator viermal 15 Minuten pro 24 Stunden ein. Es ist sehr wichtig, dass die Blüten langsam und vor Licht geschützt trocknen. Mindestens zehn Tage wären gut. Beim Trocknen wird einerseits bis zu 70 Prozent des Gewichts reduziert, also Wasser entfernt. Andererseits baut sich dadurch auch das Chlorophyll (Blattgrün) ab, welches beim Konsumieren eine unangenehme Geschmacksnote bieten würde.
Um im kleinen Abstellraum, wo mein Zelt steht, für gute Bedingungen zu sorgen, schaue ich, dass die Temperatur knapp unter 20 Grad bleibt. Kein Problem, da in dem Raum Bodenheizung fehlt und ich somit bloss die Türe zumachen muss. Ausserdem sollte die Luftfeuchtigkeit nicht zu hoch sein, weshalb ich täglich lüfte. Sollte das Trocknen die kommenden Tage jedoch zu schnell gehen, werde ich dem entgegentreten, indem ich einen feuchten Lappen auf das untersten Trocknungstablar lege. Ich habe extra ein zusätzliches unter den mit Ganja befüllten Netzen hingestellt.
Total habe ich fünf Trocknungstablare mit einer Fläche von 69 mal 69 Zentimetern mit Blüten befüllt. Drei davon komplett. Bei zweien ist weit über die Hälfte voll. Wie viel das wohl alles wiegt?
Die Antwort darauf wird mein letzter Grow Report geben. Weiter geht es dann an die Veredelung des Grases. Und an die Erstellung einer Bilanz. Welchen Wert wird mein Gras haben? Wie hoch waren meine Ausgaben? Wie hoch wohl die Stromrechnung dank 103 Tagen mit 18 Stunden 400-Watt-NDL-Beleuchtung und 24-Stunden-Belüftung sein wird?
Der tägliche Kuss der Muse lässt meine Kreativität spriessen. Werde ich mal nicht geküsst, so versuche ich mich mittels Träumen neu zu inspirieren. Denn wer träumt, verschläft nie sein Leben.