Hintergrund

Rise and shine, it's growing time – Tinus Grow Report, Folge 2

Martin Jud
3.11.2020

Da sind sie: Fünf weibliche Cannabis-Pflanzen erblicken mein Zelt. Eine kommt mit Fehlbildung zur Welt. Doch vieren geht es wunderbar. In Folge zwei gibts erste Schnappschüsse meiner Weibchen und alles zur Anzucht.

Bis zur Marihuana-Ernte dauert es noch. Genauer rund zwei Monate, schätze ich. Doch der erste Schritt ist getan. Pünktlich aufs Wochenende hin, am frühen Freitag-Abend – etwas nach 20 nach vier –, schaffen es meine legalen Cannabis-Pflänzchen, sich aus der Erde zu erheben.

Leider geht es dabei dem ersten meiner fünf Weibchen nicht gut.

Nummer Eins kommt mit einer Fehlbildung zur Welt. Das bedeutet, dass dieses Pflänzchen besonders viel Liebe erhält.

Nummer Zwei lebt sichtbar gesund. Die dritte im Bund ist nur bei gutem Hinsehen zu entdecken.

Und auch bei Nummer Vier und Fünf zeigt sich, eines muss sich noch arg strecken.

Süss, die kleinen. Es handelt sich dabei um Cannabis der Sorte Mota CBD Rich Auto von LaMota Seeds. Warum Auto und nicht Mofa erfährst du weiter unten. Doch sei bereits soviel gesagt: Das Endprodukt wird gemäss Hersteller bis 15 Prozent CBD und 0,6 Prozent THC enthalten.

Falls du gerne mein Grower Setup kennenlernen möchtest, findest du dieses in folgendem Beitrag. Danach geht es los mit der korrekten Erde und dem Stecken des Samens.

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    Das Cannabis-Zucht-Setup – Tinus Grow Report, Folge 1

    von Martin Jud

Das richtige Medium: Gute Erde, schlechte Erde

Hanf ist beim Medium nicht allzu wählerisch. Es gibt Grower, die ihre Pflanzen mit einem Gemisch aus Erde und Kokossubstrat oder mittels hydroponischer Kultivierung auf Steinwolle oder Blähton ziehen. Ich greife jedoch zu Zitruspflanzenerde von Ricoter. Nicht, weil ich gerne Orangen mag, sondern weil diese Erde einen PH-Wert von 6,5 aufweist. Genauso auch, da ich damit bereits gute Erfahrungen gemacht habe.

Damit eine Cannabis-Pflanze die in der Erde vorhandenen Nährstoffe und Mineralien aufnehmen kann, darf die Erde nicht zu sauer und auch nicht zu basisch sein. Du solltest sie also nicht wütend machen und darauf achten, dass ihr PH-Wert zwischen 6 und 7 liegt und bleibt. Das mit dem Bleiben ergibt sich in meinem Fall von selbst. Denn das Wasser aus dem Hahn meiner Wohnung ist leicht basisch, vermutlich bringen die Juraausläufer in der Umgebung etwas Kalk, und schützt somit das Medium vor dem Übersäuern. Zumindest, wenn ich nicht beim Düngen grobe Patzer mache. Sollte der PH-Wert zu niedrig oder hoch sein, kann die Pflanze weniger oder keine Nährstoffe aufnehmen – selbst dann nicht, wenn diese zur Genüge in der Erde vorhanden sind.

Ganz allgemein ist es wichtig, die Pflanzen von klein auf möglichst keinem Stress auszusetzen. Was ich grösstenteils auch tue. Den ersten grossen Stress, der beim Umtopfen kommen könnte, verhindere ich, indem ich Anzuchttöpfe aus natürlichem Material (von Windhager) verwende. Die Topfwand, aus Holzfasern und Torf bestehend, kann problemlos von den Wurzeln durchdrungen werden und wird beim Umtopfen gleich mit in die Erde gesteckt.

Samen stecken

Bevor du den Samen in die Erde steckst, solltest du die Erde nur lose in die Töpfe geben und am Schluss sachte andrücken. Normalerweise sollte dazu nährstoffarme Anzuchterde verwendet werden. Was ich allerdings nicht tue. Weil... Ja, warum eigentlich nicht? Und wieso lasse ich die Samen nicht wie andere Grower erst keimen, ehe ich sie in die Erde stecke? Öh... Vermutlich weil's bei mir auch so immer funktioniert hat.

Jedenfalls machst du dann in den mit Erde gefüllten Topf ein ein bis zwei Zentimeter tiefes Loch. Der kleine Finger bietet sich dazu an. Hast du den Samen da reingelegt und das Loch wieder geschlossen, darfst du zur Giesskanne greifen. Nun giesst du langsam Wasser über die Erde und achtest dabei darauf, dass du nur kleine Schlucke gibst und immer wieder einige Sekunden wartest. Du wartest darauf, dass sich die Topfwand mit Wasser vollsaugt. Ich höre stets dann auf mit giessen, wenn sie ungefähr zur Hälfte dunkel verfärbt ist. Dann schaue ich zu, wie sich der Rest der helleren Stellen auch langsam verabschiedet.

Wichtig ist, dass nun die Töpfchen bis zum Keimen feucht gehalten werden. Mit dem Nachgiessen warte ich jeweils, bis die Erde wieder beinahe trocken ist.

Sobald du siehst, dass die Pflanze aus der Erde ragt, gehört sie unters Licht.

Indica, Sativa, Ruderalis? Von Sorten, Licht und Jahreszeiten

Es ist noch nicht lange her, da war Cannabis über tausende Jahre fester Bestandteil des Lebens. Das war, bevor die grossen Baumwollproduzenten der Welt riesige Felder anlegten. Und auch bevor die Pharmalobby sich gegen das Kraut entschied. Eigentlich waren da noch einige mehr beteiligt, welche mithalfen, das Kraut zu verteufeln. Doch ich will hier nicht ausufernd Geschichte aufrollen. Fakt ist, dass die Menschen den Hanf nicht mehr wollten, da er den Gewinn anderer Geschäfte schmälerte. Auf einmal waren Cannabis und seine Inhaltsstoffe, welche das Endocannabinoid-System des Menschen aktivieren können, nicht mehr erwünscht. Weder als Schmerzmittel, noch als Hustensaft und schon gar nicht als Dämmstoff für Häuser. Dafür kam der Asbest.

Früher gab es alles aus Hanf. Auch Hustensaft.
Früher gab es alles aus Hanf. Auch Hustensaft.

Der abgebildete Hustensaft aus dem 19. Jahrhundert enthält unter anderem, hüstel, auch Cannabis. Genauer Cannabis Indica.

Sprechen Apotheker, Grower, Kiffer oder andere Konsumenten von Indica oder Sativa, geht es dabei um eine Sorte oder Untersorte. Es geht um verschiedene Cannabis-Genetiken, welche jeweils tausende Unterarten haben. Die wiederum unterscheiden sich in Form des Wuchses, in der Grösse und auch im Geschmack sowie deren Wirkung. In der Botanik ist man sich nicht einig, ob es sich bei Indica um eine eigene Art oder eine Unterart von Sativa handelt. Jedoch ist klar, dass es verschiedene Arten gibt. Wenn es um Gras als Genussmittel geht, sind deren drei wichtigsten Sorten Sativa, Indica und Ruderalis.

Cannabis Sativa: Wuchs früher in unseren Breitengraden auch in freier Wildbahn.
Cannabis Sativa: Wuchs früher in unseren Breitengraden auch in freier Wildbahn.
Quelle: wikimedia.org

Cannabis Sativa ist die Sorte, welche auch in der Schweiz einheimisch wäre, wenn es sie denn noch in der freien Wildbahn gäbe. Eine reine Sativa kann sehr gross werden. Je nach Sorte auch drei bis vier Meter, selten auch mehr. Im Gegensatz dazu wächst Indica-Hanf eher buschig gedrungen und bleibt meist unter eineinhalb Meter. Wie schon am Namen zu vermuten ist, wachsen Indica-Sorten in der Natur näher am Äquator.

Cannabis Ruderalis: Erinnert etwas an die Brennessel, mit welcher Hanf verwandt ist.
Cannabis Ruderalis: Erinnert etwas an die Brennessel, mit welcher Hanf verwandt ist.
Quelle: wikimedia.org

Die dritte im Bunde, Cannabis Ruderalis, hat im Gegensatz zu Indica und Sativa naturgemäss einen kleinen THC-Gehalt, dafür relativ viel CBD. Ausserdem wächst diese niedriggedrungene klitzekleine Sorte, beziehungsweise ihre tausende Untersorten, weit ab des Äquators hoch im Norden. So weit im Norden, dass es die Mitternachtssonne oder Polarnächte gibt. Nun muss man wissen, dass sich Sativa und Indica an der Sonne orientieren, wenn es darum geht den korrekten Zeitpunkt für die Blüte zu erwischen. Einerseits am Farbspektrum der Sonne und andererseits an der Dauer des Tages. Die nordische Ruderalis ist eine Besonderheit; im Gegensatz zu ihren Artverwandten kann sie unabhängig von der Dauer des Tages oder des Farbspektrums im Licht in die Blüte gehen. Sie geht automatisch in die Blüte.

Wenn du dir nun eine Cannabis-Sorte kaufst, die den Zusatz Auto oder Autoflowering hat, bedeutet dies, dass ein Teil ihrer Genetik von einer Ruderalis-Pflanze abstammt. Ich baue Mota CBD Rich Auto an.

Der Genotyp der Cannabis-Sorte Mota CBD Rich Auto besteht zu rund zwei Drittel aus Indica und einem Drittel Sativa. Ein unbekannter Anteil, der vermutlich nicht mehr als fünf Prozent der Genetik ausmacht, stammt von einer Ruderalis.

Jahreszeitensimulation und Tag-Nacht-Rhythmus

Hätte die Pflanze kein Ruderalis-Erbgut in sich, müsste ich zwingend darauf achten, die Jahreszeiten zu simulieren. Das bedeutet, dass ich in einer ersten Phase die Pflanzen 18 Stunden mit Licht befeuern müsste. Mit einem Licht, das im Vergleich zur Herbstsonne mehr Blauanteil hat. Damit wird das Wachstum in der Vegetationsphase gefördert. Die Pflanze wird nicht in die Blüte gehen, solange die gleiche Belichtungszeit beibehalten wird. Normalerweise gebe ich einer Pflanze indoor 30 Tage Zeit für die Vegi-Phase, ehe ich sie in die Blüte schicke. Will ich eine Sorte ziehen, für die mein Zelt zu klein ist, kann ich durch eine frühere Einleitung der Blüte die Endgrösse beeinflussen. Sollten die Pflanzen dennoch zu gross werden, können deren Stämme geknickt (vorsichtig um einen Bleistift) und heruntergebunden werden.

In die Blüte gehen Indica und Sativa, wenn die Beleuchtung von 18 auf 12 Stunden reduziert wird. Dabei muss auch das Leuchtmittel gewechselt werden. Damit simulierst du den späten Sommer oder frühen Herbst. Eine Natriumdampflampe mit mehr Rotlichtanteil kommt zum Einsatz.

Doch was ist nun mit der Ruderalis? Ein Ruderalis-Anteil von weiniger als fünf Prozent reicht, um das Erbgut so zu verändern, dass auch fast reine Indica- oder Sativa-Pflanzen unabhängig vom Licht in die Blüte gehen. Das bedeutet, dass du nicht von 18 auf 12 Stunden reduzieren musst. Du bleibst einfach durchgehend bei 18 Stunden, was den Ertrag erhöhen dürfte. Dank dem Ruderalis-Genom wird die Pflanze zwar etwas kleiner, doch geht sie schneller in die Blüte und kann sowohl indoor wie auch outdoor erheblich früher geerntet werden.

Meinen Pflanzen gebe ich seit Freitag, Tag 1, also 18 Stunden Licht. Sie sind übrigens feminisiert, was bedeutet, dass sich nur weibliches Cannabis daraus entwickelt. Nur weibliches produziert Blüten, was das Ziel dieses Grows ist.

Weibliche Hanfpflanze
Weibliche Hanfpflanze
Quelle: wikimedia.org
Männliche Hanfpflanze
Männliche Hanfpflanze
Quelle: wikimedia.org

Männliches Cannabis produziert kleine Beutelchen. Sie sehen wie kleine Hoden aus und platzen irgendwann auf. Erreicht deren Blütenstaub dann ein Weibchen, wird dieses umgehend mit der Samenproduktion beginnen. Die Blüten sehen dann nur noch auf den ersten Blick aus, als könnten sie konsumiert werden. Doch anstelle von CBD und THC tummeln sich nun dutzende, wenn nicht hunderte Samen auf engstem Raum. Daher greife ich lieber zu feminisierten Samen.

Ich habe mich entschieden, später auch das Licht zu wechseln und die Herbstsonne zu simulieren. Allerdings eben ohne die Belichtungszeit zu reduzieren. Für die jetzige Vegetation nutze ich ein 400-Watt-Leuchtmittel von Philips mit der Bezeichnung HPI-T Plus.

Wachse, kleines Cannabis-Baby: Tag 2 bis 5

Am Samstag ist es endlich soweit. Sämtliche Pflänzchen schauen aus der Erde. Nun habe ich Gewissheit, dass nur ein Pflänzchen krüppelig ausschaut. Die anderen sind wohl auf und scheinen sich normal zu entwickeln.

Ob das was wird?
Ob das was wird?
Vier gesunde Weibchen.
Vier gesunde Weibchen.

Damit ich nichts ersäufe, giesse ich immer nur, wenn die Töpfchen beinahe ausgetrocknet sind. Da das Wasser auf den Blättern Kalkflecken hinterlassen kann, passe ich auf, nur die Erde zu giessen. Weiter werde ich darauf Acht geben, sie nicht zu überdüngen. Bedeutet, dass sie die ersten 30 Tage auf keinen Fall Dünger erhalten. Denn solange reichen in der Regel die Nährstoffe einer gekauften Erde. Sie ist bereits vorgedüngt.

Sonntag bis heute Dienstag wachsen meine Mota-Pflanzen stetig im Schneckentempo weiter. Schaue ich ins Zelt, macht mir die erste Pflanze weiterhin etwas Sorgen. Dennoch bleibe ich zuversichtlich und werde sie nicht aufgeben.

Sie kämpft tapfer.
Sie kämpft tapfer.
Putzig, gleich bildet sich ein drittes Blattpaar.
Putzig, gleich bildet sich ein drittes Blattpaar.
Der Blick von oben.
Der Blick von oben.

Wow, sind die Kleinen nicht toll? Cannabis denn Sünde sein?

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Der tägliche Kuss der Muse lässt meine Kreativität spriessen. Werde ich mal nicht geküsst, so versuche ich mich mittels Träumen neu zu inspirieren. Denn wer träumt, verschläft nie sein Leben.


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