

Die grüne Alternative: Pflanzen als Vorhang
Weisse Vorhänge sind langweilig. Graue Fensterläden unpersönlich. Die Alternative? Ein nachhaltiger Vorhang aus Pflanzen. Eine Expertin verrät, worauf du achten musst.
Meine Nachbarn sind gerade beim Abendessen. Unsere Blicke treffen sich. Das fühlt sich seltsam an und doch kommt es nicht selten vor. Ich wohne mitten in Zürich. Hier reiht sich ein Haus ans nächste. Wer keine Vorhänge hat, ist selbst schuld. Da ich nur bedingt Fan von Gardinen bin und mir mehr Privatsphäre wünsche, muss eine Alternative her. Am liebsten eine aus Pflanzen. Darum frage ich bei Friederike Kasten nach. Die urbane Gärtnerin, Landschaftsarchitektin und Pflanzenkursleiterin arbeitet für das Unternehmen Veg and the City und leitet Kurse, in denen sie Interessierten Kokedama und Co. näher bringt.
Wie fange ich am besten mit dem grünen Vorhang an?
Friederike Kasten: Zuerst solltest du dich fragen, ob dein Vorhang von oben nach unten oder umgekehrt wachsen soll. Ich persönlich finde eine Kombination aus beidem schön, weil du so schnell etwas umarrangieren oder angelaufene Blätter kaschieren kannst.
Mein Pflanzenwissen hält sich in Grenzen. Welche Arten kann ich zum Vorhang machen?
Wenn du die richtigen Bedingungen schaffst, eignen sich hierfür viele Zimmerpflanzen. Die Heimat der meisten Zimmerpflanzen sind ferne Länder. Das heisst, dass sie Raumtemperaturen brauchen, die sie aus ihrer Heimat kennen. Diese liegen zwischen 15 und 25 Grad Celsius. Ausserdem benötigen sie genügend Licht, Luftfeuchtigkeit, Wasser und Nährstoffe. Letzteres gibst du ihnen in Form von Erde oder einem Substrat. Oder aber du entscheidest dich für Luftpflanzen, die keine Erde und somit keinen schweren Topf benötigen.


Wie kommen Luftpflanzen zu ihren Nährstoffen, wenn sie so am Fenster schweben?
Über Luftfeuchtigkeit. Die Tillandsia beispielsweise wächst trichterförmig. In ihren Hohlräumen sammelt sich Wasser an und kann schrittweise verdunsten. Durch regelmässiges Besprühen oder Eintauchen in ein lauwarmes Wasserbad kannst du sie gut mit Feuchtigkeit versorgen.
Über meinen Fenstern befinden sich Gardinenstangen, die ich für den Pflanzenvorhang nutzen kann. Welche Arten wachsen besonders schön nach unten?
Porzellanblumen (Hoya), Leuchterblumen (Ceropegia Arten), Hasenpfotenfarnen (Davallia) oder Erbsenpflanzen (Senecio rowleyanus) fühlen sich an sonnigen Standorten wohl. Da ihre Sprossen längs aneinander herunterhängen, kannst du daraus gut einen Vorhang machen. Die Grünlilie (Chlorophytum comosum) ist eine krautige Pflanze, deren Ausläufer lang und dicht sind. Aus ihr kannst du einen üppigen Vorhang machen.

Mir bereitet das Gewicht Sorgen. Gibt es «leichtere» Alternativen zum Tontopf?
Wenn du darauf verzichten möchtest, sind schwebende Pflanzen wie Kokedama ideal. Sie bestehen aus einem Moosball, der das Erdgemisch und die Pflanze zusammenhält und können ohne Topf in einer einfachen Schnuraufhängung aufgehängt werden. Wie die Luftpflanzen sollten Moosbälle regelmässig in Wasser getaucht werden.
Und umgekehrt: Wie gestalte ich einen grünen Vorhang von unten nach oben?
Indem du grossblättrige Pflanzen wie das Fensterblatt (Monstera) oder Baumfreunde (Philodendron) verwendest. Weil sie Haftwurzeln besitzen, wachsen sie besonders hoch. Im tropischen Lebensraum nutzen sie ihre Wurzeln, um damit an anderen grossen Pflanzen oder Bäumen hinauf zu klettern, um dem Licht näher zu kommen.
Monstera neigen zum Wuchern. Wie kann ich sie besser nach oben und in eine Richtung lenken?
Mit einem Moosstab. Die Monstera oder auch Pflanzen wie der Zimmerefeu kannst du ohne Weiteres zuschneiden. Mit Stützen wie Stäben und Ringbindern bringst du sie in Form. Einige Pflanzen wie Cissus-Arten haben an ihrer Sprossachse oder an ihren Blattenden kleine Häkchen. Sie klimmen sich gerne an Rankhilfen, um hochzuklettern.


Efeu kenne ich vor allem im öffentlichen Raum. Er frisst sich oft in die Fassade und hinterlässt dort Spuren. Ist das beim Zimmerefeu anders?
Efeu (Hedera helix) oder kleinblättrige Gummibäume (Ficus pumila) haben Haftwurzeln, die du mit Saugknöpfen vergleichen kannst. Sie wachsen gerne an Flächen hoch. Bei zu hoher Luftfeuchtigkeit im Raum kann es zu Spuren am Fensterrahmen kommen. Jedoch frisst sich der Zimmerefeu nicht in die Wand. Als Hängepflanze ist er komplett unproblematisch.
Spielt die Saison eine Rolle, wenn ich meinen Pflanzenvorhang am Fenster gestalte?
Der saisonale Aspekt ist bei Zimmerpflanzen eigentlich nicht ausschlaggebend, weil für sie alles fremd ist. Es ist nur, dass viele eine Winterpause machen und in dieser Zeit nicht gedüngt werden sollten. Du solltest sie dann auch nicht umtopfen. Oft ist in Altbauwohnungen direkt unter dem Fenster ein Heizkörper. Stelle deshalb sicher, dass die ausgewählten Pflanzen Heizungsluft vertragen. Im Sommer hingegen spielt die Fensterausrichtung eine Rolle. Grundsätzlich gilt, je kleiner die Blattoberfläche, desto mehr Sonne verträgt die Pflanzenart. Wenn du auch in der Mitte des Raumes einen Vorhang kreieren möchtest, solltest du ihn dort zusätzlich künstlich beleuchten können.

Was empfiehlst du in Sachen Aufhängung?
Für die Montage empfehle ich dir Hängetöpfe oder Makramee-Aufhänger, die dir vor allem ein einfaches Auswechseln ermöglichen. Wenn vorhanden, ist eine fest montierte Gardinenschiene super, um daran Töpfe aufzuhängen. Kleine Kokedama können auch an einem Wandhaken hängen. Falls du unsicher bist, weiche auf Kunststofftöpfe aus. Diese sind leichter als die Variante aus Ton. Bedenke nur, dass sie anders als das natürliche Material Ton keine Feuchtigkeit durchlassen und es zu Staunässe kommen kann.
Fürs Erste habe ich alles, was ich zum Thema wissen muss. Hier kann ich nicht einfach nach der Optik der Pflanzen gehen und sie wie einen gewöhnlichen Vorhang kaufen. Ich muss zuerst prüfen, welche Bedingungen ich zuhause habe, damit die auserwählten Pflanzen später wachsen und mir einen Sichtschutz bieten. Dass die Fenster in die Richtung meiner Nachbarn zeigen, wusste ich ja schon. Jetzt muss ich nur noch wissen, in welche Himmelsrichtung sie zeigen, damit mein grüner Vorhang schön bleibt.
Wie ein Cheerleader befeuere ich gutes Design und bringe dir alles näher, was mit Möbeln und Inneneinrichtung zu tun hat. Regelmässig kuratierte ich einfache und doch raffinierte Interior-Entdeckungen, berichte über Trends und interviewe kreative Köpfe zu ihrer Arbeit.