
Hintergrund
Zeig mir deinen Blumentopf und ich sage dir, wer du bist
von Stefanie Lechthaler
Meine Pflanzen und ich ziehen um. Sie in Drainage-Töpfe mit Sand, ich in eine Wohnung auf dem Land. Ein Umzugsabenteuer voller Dreck und störrischer Wurzeln.
Ich stecke mitten in den Umzugsvorbereitungen. Zwischen Misten und Mosten (schweizerisch für Reinquetschen) ist mein Blick auf meine Aloe vera in ihrem viel zu engen Topf gefallen. Über zwei Jahre klemmt sie schon in diesem Korsett.
Peinlicherweise habe ich in den letzten Jahren noch nie umgetopft – eigentlich wäre das alle zwei bis drei Jahre nötig. Grün hinter den Ohren dachte ich, meine Pflanzen würden sich ihren Topfgrössen anpassen (Adaptation und so). Dass die Nährstoffe in der Erde irgendwann zu Ende gehen, darauf brachten mich nicht einmal gelb-gefleckte Blätter. Es war wohl zu offensichtlich.
Nun denn: Asche Blumenerde auf mein Haupt. Ich beschliesse, dass auch meine Pflanzen bereit für einen Tapetenwechsel sind.
Im Unterschied zum menschlichen Mietermarkt ist das pflanzliche Wohnungsangebot gigantisch. In meinem Keller stehen Gefässe in unterschiedlichsten Grössen. Und auch auf Galaxus gibt es die ausgefallensten Exemplare, wie meine Kollegin Stefanie Lechthaler entdeckt hat:
Nach einer kurzen Besichtigung sind die Mietverträge unterschrieben. Doch natürlich habe ich das Kleingedruckte nicht gelesen: Meine Töpfe haben keine Abflusslöcher. Diese brauchen Pflanzen, um nach dem Giessen nicht im Wasser zu stehen, lese ich überall. Durch Staunässe können ihre Wurzeln faulen. Soll ich jetzt neue Töpfe kaufen oder in die alten Löcher bohren, mit der Gefahr, sie zu sprengen? Ich will ja nur umziehen und nicht Gebäude abreissen. Wobei, wenn ich an meine bisherige Verwaltung denke …
Nicht mit mir, denke ich. Und wie es so ist: Suche ich lange genug im Internet, finde ich immer, was ich hören will. Endlich! In einem Beitrag steht, die trockenliebenden Sukkulenten bräuchten nicht unbedingt Abflusslöcher, aber eine Drainage. Eine was? Später mehr.
Zuerst steht der Auszug bevor. Die Umzugsfirma ist schnell gefunden: Überraschung, ich bin es selber. Am Gründonnerstag – ich bitte um Vergebung – breite ich eine Umtopf-Plane in meinem Wohnzimmer aus. Sie fängt den ganzen Dreck auf. Eine der besten Erfindungen für Stadtwohnungen ohne Balkon oder Garten.
Weil ich mich schon über 30 Jahre kenne, rechne ich bereits mit einer Schlammschlacht. Deshalb schlüpfe ich – ja, ernsthaft – in Badekleidung und setze mich mit der Aloe in der Hand auf die Plane. Das sieht ganz schön doof aus. Und nein, Bildmaterial gibt es keins. Natürlich hätte ich auch einfach die Kleider nach dem Dreckeln waschen können. Aber irgendwie hat der ganze Sand ein Strandfeeling bei mir ausgelöst …
Zuerst beginne ich, sanft am Stiel der Aloe zu ziehen, zu drehen und zu rütteln. Es tut sich nichts. Sie scheint Mühe zu haben, ihr altes Zuhause zu verlassen. Nach einigen Versuchen greife ich zu einem Löffel und führe den Stiel am Topfrand entlang durch die Erde. Immer wieder knackt es unheimlich. Entweder habe ich die Aloe jetzt gerade zerstört oder das ist der Durchbruch. Zweiteres: Sie fällt heraus.
Als ich die verhedderten Wurzeln sehe, die sich mehrfach um ihre eigene Achse winden, wird mir klar, dass ein Auszug längst überfällig war. Vorsichtig entwirre ich das Durcheinander. Dicke, überlange und faul anmutende Wurzeln kürze ich und stutze sie zurecht. Umziehen heisst schliesslich auch immer, sich von überflüssigen Dingen zu trennen.
Mein Pflänzchen darf nun kurz durchatmen. Ich kümmere mich derweil um die Wohnungseinrichtung: meine Lieblingsdisziplin. Auf den Grund des Topfes kommt gemäss Beschreibung die sagenumwobene Drainage. Einfach gesagt: Es geht darum, im untersten Teil einen Bereich zu schaffen, in den das Wasser abfliessen kann. Zuerst fülle ich – zu ungefähr einem Fünftel – Blähton ins Gefäss. Für Umtopf-Laien wie mich: Das sind diese braunen Kügelchen aus gebranntem Ton, die Wasser aufnehmen.
Darauf kommt ein Trennvlies. Wie es der Name schon sagt, trennt es den Blähton von der Erde darüber. So kann diese nicht dazwischen fallen. Wie ich schnell feststelle, ist das Vlies ein Ries(e). Ich muss es erst zurechtschneiden. Dafür lege ich es auf den Rand des Topfes und schnibbel mit der Schere ein rundes Stück heraus. Dieses drücke ich dann sanft auf den Blähton.
Jetzt zum Nummer-1-Wohnelement für meine Aloe: der Erde. Leider gibt es auf Galaxus keine wirklich optimale Sukkulenten- oder Kakteenerde (das Category Management ist informiert). Die Erde sollte nämlich, wie ich kürzlich auf einem Rundgang durch die Kakteen Gautschi GmbH erfahren habe, möglichst luftig und heterogen sein.
Das heisst, sie sollte nicht gleichmässig zwischen den Fingern zerrieseln, sondern aus feineren und gröberen Elementen wie zum Beispiel Kieselsteinen bestehen. Eine solche habe ich beim Online-Pflanzenshop Feey gefunden. Ich lasse die Aloe auf ihrem erdigen Bettchen Probe liegen. Sie nimmt es schweigend zur Kenntnis. Ich deute das als «Geil, das gefällt mir!»
Du denkst, jetzt hätten wir’s? Nope, es fehlt noch das Sahnehäubchen obendrauf: der Sand. Warum? Ganz einfach. Als ich letztes Jahr einen Versuch mit Indoor-Kräutern startete, zogen mit der Erde auch eine ganze Schar Trauermücken bei mir ein. Nie wieder, sagte ich mir. Von der Galaxus-Community wurde ich darauf aufmerksam gemacht, eine Schicht Sand auf die Pflanzenerde zu kippen. So können sich die Sau-Viecher schlechter vermehren.
Doch welchen Sand nehmen? Den Dekosand, der im Estrich verstaubt? Lieber nicht. Bei einem Testversuch hat sich dieser nach dem Giessen in eine harte, fast undurchdringbare Schicht verwandelt. Etwa so wie die übliche Pflanzenerde von Grossverteilern, die ich in der Vergangenheit gekauft habe. Bessere, durchlässigere Produkte habe ich beim Aquariensand und -kies gefunden. Die Einrichtung ist vollbracht!
Seit etwas über einer Woche leben sich meine Zimmerpflanzen nun ein. Bisher klagen sie nicht. Die Pachira aquatica hat in ihren neuen Tonwänden sogar schon für Nachwuchs gesorgt. Der Sand hat sich nach dem Giessen zwar mit Erde vermischt. Doch halb so schlimm, solange er mich vor Trauermücken bewahrt und nicht verhärtet. Auch hoffe ich, die Drainage wird keine Blamage. Die nächsten Wochen werden es zeigen. Aber jetzt muss ich erst mal selbst packen ...
Welche Erfahrungen hast du mit Drainage und Umtopfen gemacht? Schreibe es in die Kommentare.
Ich mag alles, was vier Beine oder Wurzeln hat. Zwischen Buchseiten blicke ich in menschliche Abgründe – und an Berge äusserst ungern: Die verdecken nur die Aussicht aufs Meer. Frische Luft gibt's auch auf Leuchttürmen.