

Eine Woche in der Wildnis über der Baumgrenze: was du wirklich brauchst

Wer echte Outdoor-Ferien machen will, muss alles Nötige selbst mitnehmen. Da stellt sich die Frage, was denn eigentlich nötig ist. Insbesondere auf einer Wanderung in steilem Gelände. Hier die Übersicht, was du für eine Woche Bergwandern brauchst.
Ich bin kein Trekking- und Outdoor-Freak. Aber seit 2008 gehe ich jedes Jahr mit Freunden auf eine grosse Wanderung. Wir gwaggeln etwas mehr als eine Woche durch die Alpen und übernachten meistens draussen. Oft kommen wir tagelang an keinem Dorf mit Laden vorbei. So gelangen wir an sehr entlegene Orte. Das ist nicht nur ein schönes Naturlerlebnis, es ermöglicht uns auch, mal komplett abzuschalten. Handyempfang gibt es an diesen Stellen oft bis heute nicht.

Diese Art von Ferien bringt es aber auch mit sich, dass wir ganz viel Zeug in unseren Rucksäcken mitschleppen müssen. Wenn du an einem Tag 8 Stunden wanderst und je 1000 Höhenmeter rauf und runter steigst, dann spielt es schon eine Rolle, ob dein Rucksack 15 oder 18 Kilogramm wiegt. Mit anderen Worten: Wir überlegen uns ganz genau, was wir brauchen und was nicht. Jeder Fehler, egal ob du zu wenig oder zu viel mitnimmst, wirkt sich unangenehm aus.
Daher weiss ich mittlerweile sehr gut, welche Dinge du auf einer solchen Outdoor-Tour wirklich brauchst und welche nur «nice to have» sind. Von diesen 10 Jahren Erfahrung will ich dir etwas mit auf den Wanderweg geben.
Campieren versus biwakieren
Zuerst aber noch eine wichtige Anmerkung. Du darfst nicht einfach überall dein Zelt aufschlagen, wo es dir gerade gefällt. Wenn eine Gruppe von Menschen wild campiert, hinterlässt sie Spuren. Es ist auch ein Mengenproblem. In der Schweiz wurden im vergangenen Jahr 3,2 Millionen Übernachtungen auf Campingplätzen gezählt. Wenn diese Leute alle wild campieren würden, ohne sanitäre Anlagen, Abfallkübel etc., dann würde sich die Schweizer Bergwelt in eine Müllhalde verwandeln. Wahrscheinlich würde es auch zu Waldbränden kommen.
In der Schweiz ist es erlaubt, im hohen Gebirge (über der Waldgrenze) zu übernachten und am nächsten Morgen weiterzuziehen. Das nennt sich nicht campieren, sondern biwakieren. Der SAC informiert über die Details und stellt auf der verlinkten Seite ein Merkblatt auf Deutsch, Französisch, Italienisch und Englisch als PDF zur Verfügung. Von Thomas Schwager habe ich ausserdem noch den Tipp erhalten, dass du dir auf den Schweizer Wanderkarten die verbotenen Zonen direkt anzeigen lassen kannst.

Andere Länder haben teilweise andere Regelungen. In jedem Fall aber gilt: Rücksichtnahme und gesunder Menschenverstand sind das A und O und entscheiden letztlich darüber, ob du bei einer Übernachtung unter freiem Himmel Ärger kriegst oder nicht. Hinterlasse den Platz möglichst so, wie du ihn vorgefunden hast, nimm den Abfall mit. Benutze bestehende Feuerstellen. Übernachte nicht in Naturschutz- oder Jagdbanngebieten. Wenn sich in der Nähe eine Alp befindet, frag um Erlaubnis. Die Älpler kapieren schnell, ob sie es mit einer Horde Vandalen zu tun haben oder mit Leuten, die Rücksicht auf die Umwelt nehmen. Wir wurden fast immer sehr freundlich behandelt.
Nun aber zur Ausrüstung.
Kleider
Verabschiede dich von der Vorstellung, jeden Tag frische Wäsche anzuziehen. Einerseits ist im Rucksack kein Platz dafür, andererseits stinkst du sowieso ständig nach Schweiss und Rauch vom Feuer, egal wie oft du die Wäsche wechselst. Die meisten bei uns benutzen drei Sätze Socken und Unterwäsche: zwei für den Trip selbst und einer für die Heimreise im Zug. Wobei wir nach einer solchen Woche selbst mit frischer Wäsche eine Zumutung für die anderen Fahrgäste sind. «Sitzen wir hier eigentlich im Kohlenwagen?» fragte mal ein Renter im Nachbarsabteil. Übrigens: Frauen sind auf der Wanderung keine dabei. Ist für alle besser so.
Was dafür mit muss: Winterkleider. Wenn du vor der Abreise noch bei 35 Grad im Schatten ein Bier trinkst, fällt es schwer zu glauben, dass lange Unterhosen, Mütze und Handschuhe auf jeden Fall dazu gehören. Doch schroffe Temperaturwechsel sind typisch für die Berge. In der Höhe kann es auch mitten im Sommer sehr kalt werden, wenn die Sonne weg ist. Einmal schneite es am Abend.
Selbstverständlich brauchst du etwas Pulloverartiges, das warm gibt, und darüber eine Jacke, die den Wind abhält. Ein guter Regenschutz ist natürlich Pflicht und kann als zusätzlicher Windstopper dienen. Am besten vorher noch mit einem Spray imprägnieren. Am Feuer hat der Regenschutz nichts zu suchen, da bekommt er nur Brandlöcher. Eine Rucksack-Regenhülle ist auch nie verkehrt, selbst wenn der Rucksack angeblich wasserdicht ist.

Wenn du vom Regen überrascht wirst oder das Wetter anhaltend schlecht ist, lässt es sich kaum vermeiden, dass die Kleider nass werden. Sehr wichtig ist darum, dass der Stoff schnell trocknet. T-Shirts aus synthetischen Stoffen trocknen besser als solche aus Baumwolle. Jeans sind ganz schlecht, es lohnt sich, spezielle Outdoor-Hosen zu kaufen. Dann musst du auch nicht bei jedem kurzen Regenguss gleich die Regenhosen aus dem Rucksack packen und umständlich anziehen. Das ist sowieso keine gute Idee. Wer den Regenschutz zu oft anzieht, wird auch nass – von innen, durch den Schweiss.

Schuhe: eine Warnung
Ich bin kein Wanderschuhexperte und kann dir nicht helfen, die richtigen Schuhe zu finden. Es gibt aber etwas, was du unbedingt wissen musst, weil es dich in grosse Schwierigkeiten bringen kann. Auf unserer Outdoor-Woche hat sich schon zwei Mal bei einem noch gut erhaltenen Schuh die Sohle abgelöst. Beide Male am zweiten Tag. Wenn das passiert, ist fertig lustig. Du kannst nur hoffen, dass die Sohle mit den Schnürsenkeln oder mit einem starken Tape noch bis ins nächste Tal hält. Unterwegs schnell neu anleimen? Keine Chance.
Die Sohle hält nicht länger, wenn du die Schuhe kaum brauchst. Im Gegenteil wird das Material schneller spröde. Eine Sohle kann sich so schon nach fünf Jahren verabschieden. Ältere Schuhe solltest du also vor einer grossen Tour in abgelegenem Gebiet unbedingt vorher mehrere Stunden ausprobieren – natürlich in einer Umgebung, wo du bei einem Reparaturfall nicht komplett aufgeschmissen bist.
Gesundheit und Hygiene
In der Höhe ist die Sonneneinstrahlung extrem. Ist eigentlich klar, aber du vergisst es leicht, wenn es nicht so heiss ist. Neben starker Sonnencreme brauchst du auch einen UV-Lippenstift. Ich trage immer einen Sonnenhut, der rundum abdeckt. Damit sehe ich zwar bescheuert aus, aber das kümmert mich wenig. Spätestens beim Gang über ein Schneefeld ist auch eine Sonnenbrille unerlässlich, die seitlich einfallendes Licht abschirmt.
Natürlich haben wir immer eine Notfall-Apotheke dabei. Auch Medikamente wie NeoCitran und Schmerzmittel. Ein Dauerbrenner sind Blasen am Fuss. Die Compeed-Pflaster sind gut, aber noch besser ist, kritische Stellen an Zehen und Fersen mit einem Tape zu schützen, bevor die Haut kaputt ist. Zieh die Schuhe vor einem Abstieg straff an, dann rutscht der Fuss weniger.

Im 21. Jahrhundert leben die meisten Menschen hierzulande wesentlich hygienischer, als es zur Erhaltung der Gesundheit nötig wäre. Mit diesem Wissen im Hinterkopf kommst du sehr viel entspannter durch eine Outdoor-Woche. Dein Teller muss nicht für jedes Essen komplett sauber gereinigt werden. Du bekommst davon nicht mal Durchfall. Verzichte auf Berge von Taschentüchern und ähnliches. Eine Zahnbürste würd ich aber schon mitnehmen, und WC-Papier, falls weit und breit kein Bergrestaurant in der Nähe ist. Lass das Papier nicht einfach herumliegen, sondern verbrenn es.
Übernachten
Heute gibt es erstaunlich kleine und leichte Zelte, die trotzdem stabil sind. Das Zelt unten wiegt laut Hersteller nur 580 Gramm. Doch irgendwie traut keiner von uns so recht diesen hauchdünnen Zeltböden – eine Blache gegen Steine, Stacheln etc. kommt trotzdem mit. Und Flickzeug.
Wer eh eine Blache mitnimmt, kann sich auch überlegen, ohne Zelt draussen zu übernachten. Je nach Wetterprognose und Route reicht ein Biwaksack und ein Tarp, also ein Zeltdach mit Schnüren und Heringen. Als Zeltstangen verwendest du deine Wanderstöcke. Bei starkem Wind sind Tarps jedoch mühsam, da schläft es sich in einem Zelt wesentlich besser.
Nur mit dem Schlafsack unter freiem Himmel übernachten ist keine gute Idee. In der Nacht wird der Boden vom Tau feucht, dein Schlafsack wird nass und gibt nicht mehr genügend warm. Beim Übernachten im Freien obligatorisch: Eine leichte und stabile Luftmatratze, um die Bodenkälte abzuhalten und Unebenheiten etwas auszugleichen. Und eine Stirnlampe. Wenn du ausschliesslich in Hütten übernachtest, genügt ein Schlafsack, der dann noch etwas leichter sein darf.
Essen und Trinken
Wenn wir draussen übernachten, kochen wir im Freien – entweder mit dem Benzinkocher oder über dem Feuer.
Pfannen auf dem Feuer dürfen keine Kunststoffelemente enthalten. Zum Anfassen eignet sich ein Paar alte Gartenhandschuhe, ein Grillrost sorgt für eine stabile Unterlage. Das Geschirr sollte aus Kunststoff sein – robust aber nicht schwer. Faltbecher und Faltschüsseln brauchen weniger Platz im Rucksack.
Nicht immer findet sich ein Schlaf- und Essplatz nahe am Wasser. Für den Wassertransport vom nächsten Bach eignen sich wasserdichte multifunktionale Säcke. Ein selbststehender Wassersack wird zur Waschschüssel. Das Wasser kochen wir ab und machen Tee daraus.
Der «Göffel» vereint Gabel und Löffel. Auf Englisch spork (spoon + fork). Viel Platz und Gewicht sparst du mit dieser Kombo aber nicht. Ich habe mir einen Göffel gekauft und benutze ihn seit Jahren, aber ehrlich gesagt ist es für mich ein typisches Beispiel für sinnlose Überoptimierung.
Die Esswaren fallen mehr ins Gewicht. Fertigsuppen aus dem Beutel sind für eine Outdoor-Wanderung etwas vom Besten. Sie sind leicht, sie wärmen dich auf, und sie geben dir verlorene Flüssigkeit sowie Salz zurück. Wenig Gewicht brauchen auch Fertigrisotto, Pasta oder Stocki, ein Highlight der exzellenten Schweizer Küche. Ich kann dir garantieren: Nach einem anstrengenden Tag als zweibeiniger Muli wirst du auch schnöde Fertiggerichte mit dem allergrössten Appetit verschlingen. Hunger ist der beste Koch, und vermutlich gibt auch das Kochen im Freien dem Essen eine besondere Note.

Wenn die Möglichkeit für ein Feuer besteht, ist natürlich Grillieren angesagt. Das Fleisch hält im Rucksack zumindest in den Bergen erstaunlich lange. Alle Bedenken, dass wir uns mit tagelang mitgeschlepptem Gammelfleisch den Magen verderben könnten, haben sich als unbegründet erwiesen. Und letztlich bildet ja das Grillieren auch einen gewissen Schutz gegen Krankheitserreger.
Zur Grillade gehören auch Zucchetti, Maiskolben, Kartoffeln in Alufolien etc. Auch wenn diese Dinge nicht gerade leicht sind. Apropos nicht gerade leicht: Einmal pro Wanderung gibts Fondue. Meist wenn wir in grosser Höhe übernachten. Der Käse liegt zwar nicht nur im Rucksack, sondern auch im Magen schwer auf und das Brot braucht viel Platz, aber Fondue gibt warm und unbestätigten Gerüchten zufolge auch gute Laune.
Am Morgen würgen wir Porridge runter, ein Highlight der exzellenten britischen Küche. Mit Pfefferminzsauce Zimt und Fruchtstücken. Unterwegs kommen zum Beispiel Nüsse, Guetsli, Schoggi, Käse, Brot und Trockenfrüchte in Frage. Kohlenhydrate sind wichtig, aber allzu Süsses wie Traubenzucker gibt nur ganz kurz Energie und bringts auf einer langen Wanderung nicht. Manche schwören auf Power-Riegel. Mir haben die auch schon geholfen, die letzten zwei Stunden noch zu packen, doch geschmacklich kommen sie nicht ganz an die ruhmreiche britische Küche heran (d.h. sie sind einfach gruusig).

Der Outdoor-Kaffee besteht aus Instant-Kaffeepulver und je nach Geschmack Zucker und Milchpulver. Kondensmilch ist zu sperrig und schwer und richtet eine klebrige Schweinerei im Rucksack an, weil die Tuben nie dicht halten. Pulver muss in einem dichten Zip-Beutel (zur Sicherheit besser zwei) verschlossen sein. Wirklich dichte Plastikgefässe à la Tupperware gehen auch, brauchen aber im Rucksack viel Platz.
Unterwegs gibts natürlich Wasser. Wo weit und breit kein Vieh weidet, kannst du bedenkenlos aus einem Bergbach trinken. Anderenfalls benutzt du Tabletten oder Tropfen, die Schädlinge innert 30 Minuten abtöten.
Dieses Jahr haben wir die ganze Woche keinen Lebensmittelladen gesehen. Doch nutzten wir die Gelegenheit, uns in Bergrestaurants die Bäuche vollzuschlagen, in Hütten Schokolade nachzutanken. Auf fast jeder Alp gibts Käse. Die Vorräte reichten jedenfalls locker.
Sonstiges
Wir benützen noch immer keine Navigationsgeräte, sondern ausgedruckte und eingeschweisste Karten. Die sind leicht, wetterfest, brauchen keinen Akku und sind grösser als jeder Bildschirm. Einziger Nachteil: sie zeigen dir nicht an, wo du gerade bist.
Wanderstöcke sind kein Muss, aber ich würde nie mehr ohne sie auf eine längere Wanderung gehen. Gekauft habe ich sie, weil ich infolge einer alten Knieverletzung ständig Schmerzen beim Abstieg hatte. Mit den Stöcken kann ich die Knie entlasten. Auch beim Aufstieg wird die Anstrengung auf mehr Muskeln verteilt.
Ich muss unbedingt eine Kamera dabei haben. Das trifft sicher nicht auf jedermann zu, ich bin halt ein Foto-Freak. Beim Fotografieren per Smartphone ist heutzutage weniger die Bildqualität das Problem, sondern der Akku. Wenn du noch eine Powerbank mitschleppen musst, kannst du auch gleich eine Kompaktkamera nehmen.
Nichtraucher müssen daran denken, Feuerzeuge mitzunehmen. Mehrere. Die Dinger gehen in der Höhe oft kaputt. Kerzenstummel helfen, ein Feuer hinzukriegen, wenn es nass ist.
Ein bisschen Raum für individuelle Macken
Natürlich haben nicht alle genau die gleichen Ansichten und Prioritäten. Einer aus unserer Gruppe bewahrt sein Geld in einem Zip-Beutel auf, um selbst noch das Gewicht des Portemonnaies zu sparen – schleppt aber gleichzeitig ein bis zwei Kilo mehr über alle Pässe, damit er abends Bier trinken kann. Ein anderer nimmt jedes Jahr Dinge mit, die eindeutig nur «nice to have» sind: Klappstuhl, Solar-Panel, oder sogar eine Säge, eine Stereoanlage oder eine lustige Deko-Beleuchtung. Finden wir völlig okay, denn er hat sich noch nie über das zusätzliche Gewicht beklagt.
Und damit auch das noch gesagt ist: Ein korrekt eingestellter Rucksack mit 20 Kilogramm trägt sich weitaus angenehmer als ein falsch eingestellter mit 15 Kilogramm. Das Hauptgewicht muss auf den Hüften liegen, der Hüftgürtel ist dementsprechend eng zu schnallen. Auf den Schulterriemen liegt nur wenig Gewicht. Sie müssen aber trotzdem eng angezogen sein, denn der Rucksack soll möglichst gut am Körper liegen, damit er nicht hin und her schlenkert. Auch der Riemen um die Brust muss aus diesem Grund angezogen sein. Schwere Dinge gehören im Rucksack tendenziell eher nach unten und nahe zum Rücken. Auch das verringert Schaukelbewegungen.


Durch Interesse an IT und Schreiben bin ich schon früh (2000) im Tech-Journalismus gelandet. Mich interessiert, wie man Technik benutzen kann, ohne selbst benutzt zu werden. Meine Freizeit ver(sch)wende ich am liebsten fürs Musikmachen, wo ich mässiges Talent mit übermässiger Begeisterung kompensiere.