
Meinung
«The Grand Tour» ist zu Ende – und damit eine ganze Ära
von Samuel Buchmann
Die moderne Technik ist ein Segen – und für mich oft ein Fluch. Bluetooth-Geräte bereiten mir Kopfschmerzen. Aber nichts war bisher so schlimm wie die Probefahrt mit einem Tesla.
Bei diesem Text handelt es sich um einen Kommentar unseres freien Autors Thomas Meyer und seine Meinung. Er widerspiegelt nicht die Meinung von Digitec Galaxus. Wir führen die angesprochenen Geräte nicht in unserem Sortiment und planen auch nicht, diese ins Sortiment aufzunehmen.
Trigger-Warnung: Hier geht es um Elektrosensibilität. Falls du deine Augen schon jetzt zum maximalen Ausschlag verdrehst, beendest du die Lektüre dieses Artikels besser gleich wieder. Er enthält nämlich weitere schöne Begriffe aus der Welt der Esoterik. Allerdings auch einen kritischen Blick darauf.
Noch da? Also: Elektrosensibilität bedeutet, dass die Betroffenen sich unwohl fühlen, wenn sie sich in der Nähe von Mobilfunk-Sendemasten, Bluetooth-Geräten, WLAN-Routern, Induktionsherden oder anderen starken Erzeugern hochfrequenter Strahlung aufhalten. Auf mich trifft das definitiv zu.
Erstmals richtig bewusst spürte ich diese Problematik nach einem Fahrzeugwechsel vor fünf Jahren. Mein erstes Auto war ein Seat Ibiza ST. Ein toller, aber leider ziemlich kostenbewusst produzierter Kleinwagen, der immer mehr Probleme machte. Deswegen kaufte ich nach sieben Jahren einen Honda Civic. Im Gegensatz zum Ibiza hatte der ein Navi, Bluetooth und WLAN an Bord. Ich nutzte zwar nur ersteres, bekam aber jeweils nach etwa 30 Minuten Fahrt diffuse Kopfschmerzen, die ich mir nicht erklären konnte.
Meine Mutter schon. Sie beschäftigt sich seit langem mit esoterischen Themen und schimpft gegen so ziemlich alles, das mehr hat als ein Stromkabel. Ich war also vorsensibilisiert, sozusagen, und begann auf ihre entsetzten Ausrufe hin («Was! Bluetooth! Im Auto! Mein armes Kind!») nach Möglichkeiten zu suchen, die elektromagnetischen Felder – kurz EMF – zu harmonisieren. Ja, das nennt man so. Entstören ist ein anderes Wort dafür.
Ich wurde fündig im Internet und kaufte ein «Memonizer-Car-Set» für 468 Franken. Ein happiger Preis, aber mein Unwohlsein relativierte ihn. Ich bekam zwei kleine Kästchen zugeschickt, eines für die generelle Elektrik bzw. Elektronik im Auto und eines für Navi, WLAN und Bluetooth. Die Geräte wirkten sofort, ich hatte keine Kopfschmerzen mehr und fühlte mich nach dem Aussteigen nicht so erschlagen wie zuvor. Verwundert schrieb ich dem Hersteller, wie das sein könne, was in den Kästchen genau drin sei.
«Nichts», antwortete man mir. Es sei vielmehr Information aufgespielt, die Kästchen seien lediglich Träger – vergleichbar mit der Homöopathie: «Unsere Technologie moduliert die Frequenzen elektromagnetischer Felder mit natürlichen Frequenzen. Dazu werden die Frequenzen des energetischen Wirkbereichs von Sonnenlicht auf Silizium gespeichert.»
Ich kann alle verstehen, die hier nur noch den Kopf schütteln. Oder meine «Heilung» dem Placebo-Effekt zusprechen. Oder finden, wer ein Problem mit Bluetooth habe, sollte selber mal entstört werden. Es klingt wirklich abgefahren – Wirkbereich des Sonnenlichts! Aber mir hilft es seit Jahren.
Es gibt zahlreiche Studien, die den negativen Einfluss von Mikrowellen auf Menschen, Pflanzen und Tiere untersuchen und belegen. Allerdings werden diese, wie es wissenschaftlichen Erkenntnissen bekanntlich oft widerfährt, ignoriert oder schlicht geleugnet. «Es gibt keine Studien, die das beweisen!» ist ein Satz, den ich schon viele Male gehört habe. Und wenn ich dann welche vorlege: «Das ist doch alles unseriös.»
Die Weltgesundheitsorganisation WHO stuft Handystrahlung als «möglicherweise krebserregend» ein, das Bundesamt für Strahlenschutz BfS empfiehlt, «die persönliche Strahlenbelastung durch eigene Initiative zu minimieren, um möglichen Risiken vorzubeugen», das Bundesamt für Gesundheit BAG sagt zu Bluetooth: «Bezüglich gesundheitlicher Auswirkungen bei langfristiger Belastung durch hochfrequente elektromagnetische Felder bestehen noch Unsicherheiten», und das Bundesamt für Umwelt BafU schreibt auf seiner Website: «Verschiedene Studien liefern Hinweise auf biologische Effekte auch bei schwacher Strahlenbelastung unterhalb der Grenzwerte. So kann schwache hochfrequente Strahlung Hirnströme verändern sowie die Durchblutung und den Stoffwechsel des Gehirns beeinflussen. Ob diese Wirkungen für die Gesundheit von Bedeutung sind, ist derzeit noch ungewiss.»
Mit den Grenzwerten ist das ohnehin so eine Sache. Sie werden ausschliesslich nach dem Gesichtspunkt der Körpererwärmung festgelegt. Das BAG schreibt dazu: «Als grundlegendes Mass für die Belastung durch hochfrequente Strahlung wird die im Körper absorbierte Strahlungsenergie pro Zeitintervall und Körpergewicht verwendet und als spezifische Absorptionsrate (sog. SAR-Wert) in Watt pro Kilogramm W/kg angegeben.»
Der SAR-Grenzwert schreibt also nur vor, wie viel Wärme in einem Kilogramm menschlichen Gewebes entstehen darf durch die Nutzung eines Gerätes. Ein Bluetooth-Gerät der Leistungsklasse 2 (maximale Sendeleistung 1,9 Milliwatt, Reichweite 40 Meter) hat einen SAR-Grenzwert von 0,03, das ist im Gegensatz zu einem iPhone 14 (0,98) oder einem Google Pixel 7a (0,99) natürlich ein Klacks und wirkt harmlos.
Doch Mikrowellenstrahlung hat auch sogenannt athermische Effekte: Störungen an den Zellmembranen, biochemische Schädigung (oxidativer Stress) und Schädigung durch Störung der Zellkommunikation. Diese Wirkungen treten verzögert auf, lassen sich also erst später nachweisen, und haben vielfältige Folgen: Schlafstörungen, Kopfschmerzen, Nervosität, Konzentrationsstörung, Tinnitus, Potenz- und Fruchtbarkeitsstörung, Immunschwäche, Burn-out, Hyperaktivität, Fehlgeburten und vieles mehr.
Nun kannst du sagen: Das gibt es gewiss alles, aber es hat andere Ursachen als die Technik, von der ich erstens nichts spüre und die zweitens innerhalb offizieller Grenzen operiert.
Dem entgegne ich: Die Grenzwerte decken nur einen Teil der Effekte ab, eben jenen der Hitzeschäden, und bloss weil du keinen direkten Zusammenhang spürst, bedeutet das nicht, dass keiner existiert. Vielleicht hast du ja oft Kopfschmerzen und fühlst dich ständig erschöpft und machst das an allem möglichen fest, aber nicht an dem, von dem es tatsächlich herrührt. Zum Beispiel den Bluetooth-Kopfhörern, die du den ganzen Tag im Ohr stecken hast (oder zum Einschlafen trägst, wie ein Kollege es hier kürzlich beworben hat). Oder am 5G-Sendemast auf dem Dach des Nachbarhauses.
Apropos 5G: Der Flussdichte-Grenzwert von Handy-Antennen – 5 Volt pro Meter – wird bei weitem nicht immer eingehalten. Die Kantone messen die Strahlung und stellen regelmässig Werte bis 11 Volt pro Meter fest. Jede fünfte Antenne strahlt zu stark, im Kanton Bern ist es sogar jede zweite. In Saas Fee strahlte eine Antenne mit knapp 24 Volt pro Meter.
So viel zu den Grenzwerten. Eine parlamentarische Motion will diese übrigens auf 20 Volt pro Meter anheben.
Es ist leider sehr schwierig geworden, über bestimmte Themen zu diskutieren. Schon vor Corona, seither aber erst recht. Egal, worum es geht, es bilden sich sofort zwei Lager, die beide die Wahrheit für sich pachten und die Gegenseite für dumm und verblendet halten. Meist wird schon beim ersten Satz zu Spott gegriffen und im zweiten zu Beleidigungen. Um die Sache geht es höchstens am Rand. Wenn ich auf Digitec einen Beitrag kommentiere, reicht das Wort «Elektrosmog», und schon ist die Hölle los.
Allerdings werden Menschen, die auf die möglichen Gefahren von Bluetooth, WLAN und Mobilfunk hinweisen, bisweilen mit gutem Grund ausgelacht. Wer sich über das Thema informieren will, findet nicht nur Websites und YouTube-Kanäle von seriösen Geopathologen, sondern auch – naja, eigentlich hauptsächlich – von wunderlichen Gesellen, die glauben, 5G sei eine besonders perfide Methode des Weltjudentums, die Menschheit zu versklaven.
Weil ich aus ökologischen Gründen gern ein Elektroauto fahren würde, aber Bedenken habe wegen der zusätzlichen Strahlenbelastung, habe ich auf YouTube nach «elektrosmog elektrofahrzeug» gesucht. In einem Video prüfte ein Mann ein E-Fahrzeug mit einem EMF-Messgerät, wie ich selbst auch eines besitze. Die Ergebnisse reicherte er jedoch mit schrägen Einblendungen an, in denen er von «Mikrowellenterroristen» schwadronierte und einer «digitalen Diktatur». In den Kommentaren kam dann natürlich prompt die Behauptung, die NWO («New World Order», ein antisemitischer Code) wolle «Bevölkerung abspecken» – als Erklärung dafür, warum E-Fahrzeuge nicht ausreichend abgeschirmt sind.
Wie gesagt: Ich kann alle verstehen, die ob solchem Quatsch nur noch lachen, ich lache spätestens hier ja selbst. Aber nur weil gewisse Leute komplett übers Ziel hinaus schiessen, heisst das nicht, dass sie bereits am Start falschgelegen sind.
Ich unternahm trotzdem eine Probefahrt im Tesla Model 3. Ein fantastisches Auto, standardmässig mit einer High-End-Audioanlage ausgestattet und vielem mehr. Man kann sogar einstellen, dass es beim Blinken furzt statt klickt – und es hat einen Aussenlautsprecher! Der Verkäufer erzählte von Männern, die sich zufällig auf der Autobahn bei den Supercharger-Parkplätzen zum Laden treffen, und alle stellen die Lautsprecher auf Pupsen und lachen sich schief. Was für eine tolle neue Welt! Ich wäre gern Teil davon.
Aber ich kann nicht. Ich bekam kurz nach dem Losfahren sofort Kopfschmerzen und spürte ein unheimliches Kribbeln am ganzen Körper. Ich fühlte mich, nun ja: komplett elektrisiert. Mein Prüfgerät mass bis zu 100 000 Mikrowatt pro Quadratmeter, was als stark gesundheitsgefährdend eingestuft wird: Der baubiologische Richtwert liegt bei 50 Mikrowatt pro Quadratmeter – in einem Tesla kommst du also in den Genuss einer Strahlungsintensität, die 2000 Handyantennen zusammen produzieren. Hui!
Nach zehn Minuten brach ich die Probefahrt ab und fuhr zurück. Kaum war ich ausgestiegen, verschwanden die Symptome wieder.
Der Verkäufer wollte wissen, ob es mir gefallen habe. Ich sagte, ich würde das Auto allein schon wegen der Fürze kaufen, könne mich aber leider nicht drin aufhalten, wegen der Strahlung. Zu meiner Überraschung machte der Mann keine doofen Sprüche, sondern hörte interessiert zu und räumte schliesslich ein, in seinem eigenen Tesla auch manchmal Kopfschmerzen zu haben.
Auch den Sony-Kopfhörer, den ich kürzlich bei Digitec bestellt hatte, um auf Zugreisen und im Tram meine Ruhe zu haben, musste ich gleich wieder zurückschicken. Ich hatte sofort nach dem Koppeln mit meinem Handy das Gefühl, dass mein Gehirn regelrecht gebraten wird. Dazu kamen Ohrenschmerzen und Schwindel.
Ich empfinde Bluetooth, WLAN und Mobilfunk als überaus praktisch. Und E-Mobilität als taugliche Methode, die CO2-Belastung erheblich einzudämmen. Ausserdem denke ich, dass ein gewisses Mass an Mikrowellenstrahlung unbedenklich ist. Meiner Meinung nach ist uns die Technik aber wieder einmal unter den Händen davongaloppiert, ohne dass uns wirklich klar ist, was wir da genau anstellen. Über 500 oberirdische Kernwaffentests hatten die Atommächte durchgeführt, bis sie merkten, dass es möglicherweise nicht so geil ist, alles radioaktiv zu verseuchen, und sich 1963 selbst ein Testverbot auferlegten (unterirdisch machten sie natürlich trotzdem weiter).
Die Einführung von 5G erfolgte nicht, weil Handynutzerinnen und -nutzer sich über zu lahme 4G-Leitungen beschwerten, sondern weil Industrie und Politik von der Digitalisierung schlicht besoffen sind. Mit dem Ergebnis, dass noch viel mehr Antennen montiert werden – bis zu zehn Mal mehr – und wir aus allen Ecken 24 Stunden dauerbestrahlt werden. Die Gehirne der Kinder, die jetzt auf die Welt kommen, stehen von Anfang an unter diesem Einfluss. Was bedeutet das für ihre Entwicklung? Das weiss niemand so genau. Gemacht wird es trotzdem. Ich halte das für grobfahrlässig.
Ich habe in meinem Kampf gegen Elektrosmog mittlerweile «next level» aufgerüstet: Laptop, iPhone und iPad sind alle via Ethernet-Adapter und -kabel mit dem Internet verbunden, das WLAN ist bei mir zu Hause seit Wochen deaktiviert. Und um mein Bett herum habe ich für teuer Geld einen mit Silberfäden durchwirkten Baldachin montiert. Damit bin ich vom Mobilfunk-Sendemast in der Nähe meines Hauses abgeschirmt. Messung auf meinem Balkon: 1000 Mikrowatt pro Quadratmeter. Auf meinem Bett messe ich 1 Mikrowatt pro Quadratmeter. Das gibt es sonst nirgends. Nicht mal mitten auf dem Zürichsee.
Ach, und ich habe für mich, meinen Sohn und meine Partnerin Baseballmützen gekauft, in denen der gleiche Silberfaden-Stoff eingenäht ist. Mein Opel Astra ist zwar ein Benziner, strahlt aber trotzdem ganz ordentlich, wie meine Messung ergab. Ich will trotz Memonizer-Harmonisierung auf Nummer sicher gehen.
«Dann tragen wir jetzt also Mützen im Auto», seufzte meine Freundin und setzte sich ihre auf.
«Findest du mich sehr schrullig?«, fragte ich.
«Fragst du das im Ernst? Mit deinem Elektro-Prinzessinnen-Bettchen? Und deinem verkabelten Handy? Und jetzt diesen Caps?»
«Ja.»
«Du willst doch bloss hören, wie schrullig du bist!»
«Ja.»
Du kannst von Elektrosmog halten, was du willst. Wenn du keine Beschwerden hast, umso besser. Aber vielleicht magst du deinen Router ja trotzdem auf 25 oder sogar 10 Prozent Sendeleistung herunterregeln, was für die meisten Wohnungen völlig ausreicht, und eine Zeitschaltung einrichten, die das WLAN nachts ganz abschaltet (hier findest du weitere Tipps zur Reduktion der Strahlenbelastung). Das kostet dich eine Minute und verbessert dein Wohlbefinden unter Umständen erheblich.
Ich zitiere in diesem Zusammenhang zum Abschluss die deutsche Telekom, die in der Anleitung für ihren Router schreibt: «Vermeiden Sie das Aufstellen Ihres Speedport in unmittelbarer Nähe zu Schlaf-, Kinder- und Aufenthaltsräumen, um die Belastung durch elektromagnetische Felder so gering wie möglich zu halten.»
Um online zu sein, brauchst du also ein Gerät, das möglichst weit weg stehen muss. Schöner kann man das Dilemma nicht ausdrücken.
Titelfoto: Thomas MeyerDer Schriftsteller Thomas Meyer wurde 1974 in Zürich geboren. Er arbeitete als Werbetexter, bis 2012 sein erster Roman «Wolkenbruchs wunderliche Reise in die Arme einer Schickse» erschien. Er ist Vater eines Sohnes und hat dadurch immer eine prima Ausrede, um Lego zu kaufen. Mehr von ihm: www.thomasmeyer.ch.