
Kritik
Shazam! Fury Of The Gods: Noch ein Superheldenfilm? Oh, ja!
von Michelle Brändle
In seinen grossen Momenten ist «Shazam!» etwas vom Besten, was das Expanded Universe der DC-Comicverfilmungen zu bieten hat. Dazwischen steht ein zweiter Akt, der nichts tut, und ein ultra-generischer Bösewicht.
Welcher Comic-Fan seit Kindheitstagen kennt das nicht? Den Wunsch, einmal selbst Superheld zu sein. Kräfte zu haben, um das Böse zu bekämpfen. Dinge zu tun, die kein normaler Mensch je tun könnte. Es ist eine Fantasie, die in David F. Sandbergs «Shazam!» Realität wird. Gerade in der ersten Hälfte sorgt das für grossartige Unterhaltung.
Aber der Film hat strukturelle Probleme, die besonders in der zweiten Hälfte das geschaffene Fundament zu erdrücken drohen. Schlussendlich hält das Filmkonstrukt – allerdings nicht, ohne unschöne Risse davonzutragen.
Billy Batson (Asher Angel) ist ein Unruhestifter, wie er im Buche steht. Angetrieben wird er von der Suche nach seiner Mutter, die er nicht mehr gesehen hat, seit sie ihn als gerade mal Dreijährigen auf einen Weihnachtsmarkt Philadelphias verloren hat und spurlos verschwunden ist.
Zwölf Jahre später trifft Billy in seinem neuen Pflegeheim – eines von vielen, weil Billy immer wieder davonläuft – auf den gehbehinderten Freddy Freeman (Jack Dylan Grazer). Als dieser von ein paar Raufbolden getriezt wird, setzt sich Billy für ihn ein. Genug, um sich Zugang in eine mysteriöse Höhle zu verdienen, wo ein alter Zauberer ihm seine Macht übertragen will. Denn kürzlich sind die sieben Erbsünden in Form von tödlichen Dämonen befreit worden, und die Welt braucht einen Helden, um sie wieder einzusperren.
Alles, was Billy von jetzt an tun muss, um sich in die ultimative, erwachsene und mit Superkräften ausgestattete Version seiner selbst (Zachary Levi) zu verwandeln, ist, das Wort «Shazam!» auszusprechen.
«Shazam!» beginnt vielversprechend, weil er sich Zeit nimmt, seine Figuren vorzustellen und in Position zu bringen: Billy Batson will keine neue Familie, sondern seine alte wiederfinden. Deshalb läuft er immer davon. Dr. Thaddeus Sivana (Mark Strong) wurde schon als Kind vom Magier gesagt, seiner Macht nicht würdig zu sein. Und Freddy Freeman notorischer Drang, seine eigene Geschichte phantasievoller auszuschmücken als eine Folge Game of Thrones, ist eigentlich ein Schrei nach Aufmerksamkeit.
Gerade Freddy-Freeman-Darsteller Jack Dylan Grazer ist ein echter Szenendieb. Er ist nicht nur zum Schreien komisch, wenn er schneller als Benedict Cumberbatch in der BBC-Serie «Sherlock» seine wirren Texte runterleiert, sondern auch der emotionale Kompass des gesamten Films. Aber auch Asher Angel, der den jungen Billy Batson spielt, schafft es, seinen Charakter eine rebellische Note zu geben, die zu keinem Zeitpunkt ins Nervige abdriftet. Er ist einfach der Rotzbengel, der eigentlich gar nicht so übel ist.
Dann ist da noch Zachary Levi, der Shazam, den erwachsenen Batson, spielt. Wie einst Tom Hanks in «Big» ist er das Kind im Körper des Mannes. Seine Performance ist gut genug, um die Zuschauer nicht alle zehn Minuten daran erinnern zu müssen, dass der erwachsene Mann da wie ein Kind raisoniert. Etwa, wenn einer seiner ersten Amtshandlungen als Shazam der Kauf von Bier für sich und seinen Freund Freddy ist, dann aber feststellt, dass ihm Bier überhaupt nicht schmeckt und die restlichen Dosen in angesäuselten Zustand gegen Chips, Nachos und Popcorn eintauscht.
Der Witz vom Kind im Manne funktioniert also. Jedenfalls anfangs. Dann repetiert er sich selbst zu Tode. Das wäre ja noch verschmerzbar, wenn sich nicht der gesamte zweite Akt darauf stützen würde.
Überhaupt: Billy Batson alias Shazam und sein Freund Freddy verschwenden in diesem zweiten Akt viel zu viel Zeit damit, herauszufinden, welche Superhelden-Fähigkeiten der frischgebackene Übermensch besitzt. Der Film tritt damit auf der Stelle. Nichts von Belang geschieht. Im ersten Akt eingeführte Handlungsstränge gehen einfach mal vergessen. Etwa die Suche nach Batsons Mutter. Oder der böse Dr. Sivana, dem wohl gerade nach einer Kaffeepause war und erst im dritten Akt wieder auftaucht.
Natürlich, die Superkraft-Findungs-Montagen sind unterhaltsam: Wenn Shazam zum ersten Mal angeschossen wird, sind sich die beiden Lausbuben nicht einig, ob Shazam selbst oder nur sein Anzug kugelsicher sei. Also bitten sie die Übeltäter, ihm zur Abwechslung ins Gesicht zu schiessen – natürlich alles gefilmt von einem Smartphone. Das ist sogar realistisch dämlich genug, wenn wir die beliebten Youtube-Fail-Compilations als Massstab nehmen.
Aber abgesehen von ein paar mal mehr, mal weniger gelungenen Gags passiert eine Stunde lang praktisch gar nichts, was die Geschichte wirklich vorantreiben würde. Und wenn zum x-ten Mal ein «Haha ich bin ein Kind im Körper eines Mannes»-Witz kommt, drängt sich Langeweile auf. Zu allem Überdruss will «Shazam!» genau hier einen Subplot einführen, der die Pflegeheim-Schwester Mary (Grace Fulton) betrifft, aber genauso schnell wieder verschwindet, ohne je irgendwohin geführt zu haben. Beliebiger könnte das nicht sein.
Dann kommt plötzlich der Endkampf zwischen Dr. Sivana und Shazam. Zuvor muss aber noch schnell ein eigentlich wichtiger Handlungsstrang aus dem ersten Akt auf derart beknackte Weise abgeschlossen werden – worum’s genau geht, soll hier aus Spoilergründen nicht genauer beschrieben sein – dass sich die Frage aufdrängt, was das denn eigentlich soll.
Und dann wären wir auch schon beim grössten Problem von «Shazam!»: dem Bösewicht. Mark Strongs Charakter kommt nie über den Status des generischen Bösewichts Nummer 267 hinaus. Dies, weil seine Motivationen nie genauer erforscht werden als in den ersten fünf überaus gelungenen Filmminuten. Da hilft es nicht, dass er eigentlich dieselben Fähigkeiten hat, wie Shazam, einfach in «böse». Das ist umso tragischer, weil der Brite eigentlich ein begnadeter Schauspieler ist.
Ihm zur Seite stehen da noch die sieben Erbsünden: CGI-Kreaturen, die wirken, als ob sie nicht fertig animiert worden wären. Das gab’s bei DC mit Steppenwolf in «Justice League» oder Doomsday in «Batman v. Superman» auch schon. Oder der Kriegsgott Ares in «Wonder Woman» und Incubus in «Suicide Squad».
Eigentlich in jedem DC-Film des Expanded Universe.
Warum die Verantwortlichen bei DC immer noch nicht kapiert haben, dass bei so einer generischen Grütze keine Spannung aufkommen kann, ist unverständlich. Aber sei’s drum. Die Action selbst kracht, sieht – abgesehen von den Dämonen-Kreaturen – sogar sehr gut aus und macht dann halt doch so ein bisschen Spass, wenn sich Shazam und Freddy mitten im Getümmel zanken wie ein altes Ehepaar.
Die Sache mit «Shazam!» ist die: Wer will, könnte den Film an so vielen Sachen aufhängen und zum totalsten Brunz des noch jungen Kinojahres verdammen, dass es kracht.
Aber da sind die Charaktere um Billy Batson, Shazam, Freddy und ihrer Pflegefamilie, die dank den schauspielerischen Leistungen mehr Herz haben als alle oben genannten DC-Filme zusammen. Da sind inmitten von vielen durchschnittlichen Gags einige unheimlich gelungene Brüller. Da sind Hiebe auf das Superhelden-Genre, die sitzen, Anspielungen auf anderen DC-Charakteren – besonders im Bezug auf Superman –, die im Snyder-Verse nie treffender gewesen sind, und Ideen, die zwar nicht fertig gedacht, aber dennoch gut sind.
Und auch wenn es in «Shazam!» um das Schicksal der gesamten Welt geht – im Zentrum aller Motivationen Shazams stehen eigentlich jene Menschen, die ihm am liebsten sind. Und das ist die angenehmste Abwechslung.
Abenteuer in der Natur zu erleben und mit Sport an meine Grenzen zu gehen, bis der eigene Puls zum Beat wird — das ist meine Komfortzone. Zum Ausgleich geniesse ich auch die ruhigen Momente mit einem guten Buch über gefährliche Intrigen und finstere Königsmörder. Manchmal schwärme ich für Filmmusik, minutenlang. Hängt wohl mit meiner ausgeprägten Leidenschaft fürs Kino zusammen. Was ich immer schon sagen wollte: «Ich bin Groot.»