

Licht-Helm «Faro» von Unit1: Die Automobilisierung der Velowelt schreitet voran

Der leuchtende «Faro» von Unit1 ist ein Statement wie ein Luxus-SUV in der Stadt. Schickes Design und Vollausstattung machen ihn zum Hingucker. Ich bin beeindruckt, würde ihn mir aber trotzdem nicht leisten.
Was der Porsche Cayenne auf der Strasse, ist der «Faro» auf dem Kopf: zu teuer, übergewichtig und Sonderausstattung kostet extra. Im Falle des Helms von Unit1 betrifft das die Fernbedienung, die Blinker und Bremslicht steuert. Dafür ist er ein Helm, bei dem viele zumindest heimlich denken werden: schon geil. Hätte ich auch gerne. Zumindest berichten die Designer, bei einem Blindtest mit Bildern von diversen Top-Modellen namhafter Hersteller wäre ihr «Faro» von über der Hälfte der Teilnehmenden zur schicksten Schale gekürt worden. Gut möglich, dass ich mich auch für ihn entschieden hätte. Optisch spricht er mich an und ich habe mir ein Testmodell im schönen Farbton Juniper (Wacholder) besorgt.

Kaum ist der Karton auf, muss ich sagen: stimmt. Er ist nicht nur am Bildschirm schön, sondern sieht auch in echt überragend aus. Und fühlt sich so an. Wobei die stoffbezogene und im Farbton der Schale gehaltene Rückseite besonders hervorzuheben ist. Sie erinnert mich spontan an eine Lautsprecherabdeckung. Und tatsächlich wurden im Designprozess auf der Suche nach dem richtigen Material gleich mehrere Boxen zerlegt. Ziel der Suche war eine elegante Art, die LEDs dahinter zu verstecken.

Der «Faro» hat nicht nur ein (stets sichtbares) helles Rücklicht. Hinter dem wetterfesten Stoff verstecken sich gleich 46 weitere LEDs, die dadurch weniger grell sind, aber im Nahbereich wirken sollen. Sie leuchten nicht nur rot als Rück- und Bremslicht, sondern auch gelb beim Blinken und grün, wenn sie den Akkustand anzeigen. Dazu liegt noch ein 90 Grad abgewinkeltes USB-C Ladekabel im Karton und das war’s dann auch schon. Wobei ein Eindruck spontan besonders ins Gewicht fällt: Schwer ist er, der «Faro». 612 Gramm in Grösse M. Das wirkt wertig, fühlt sich für mich zunächst grenzwertig und nach etwas Eingewöhnungszeit auf dem Kopf trotzdem in Ordnung an.
Sicherheitsaspekte
Wie viele andere Modelle beschränkt sich der Nutzen des «Faro» nicht nur darauf, beim Sturz den Kopf zu schützen. Er erfüllt natürlich die vorgeschriebene europäische Norm EN1078 und es gibt ihn mit MIPS. Dem System, das durch eine bewegliche Innenschale die Rotationskräfte beim Aufprall reduziert. Weil in Sicherheitsfragen inzwischen umfassender gedacht wird, soll er auch durch die Beleuchtung helfen, Unfälle zu vermeiden.
Einen SOS-Alarm kann der «Faro» ebenfalls auslösen. Im Falle eines starken Aufpralls werden Notfallkontakte informiert und der Standort gesendet, sofern ich nicht in einer vordefinierten Zeitspanne über die App bestätige, dass es ein Fehlalarm war und alles in Ordnung ist. Dafür schickt sie mir eine Push-Meldung. Unter Realbedingungen will ich das nicht ausprobieren. Stattdessen werfe ich den Helm ein paar Mal schwungvoll auf einen Fatboy und irgendwann löst der Alarm aus.

Ein paar Sicherheitslücken lässt der Helm bewusst offen: Die schöne Skaterhelm-Optik wird nicht durch einen Insektenschutz in der Belüftung gestört. Die Luftzufuhr lässt sich auch nicht regulieren oder schliessen. Bei Regen hast du also keine Wahl und wirst nass, bei Kälte zieht es am Kopf. Dafür kannst du das Licht auf tausendundeine Art deinen Wünschen anpassen.
Licht
Vielleicht haben die Designer ein klein bisschen übertrieben mit dem Licht. Das ist zumindest mein erster Gedanke, als die komplette Rückseite des Helms in grellem Rot aufblitzt. Andererseits haben sie die Technik elegant integriert und geben mir die Möglichkeit, sie meinen Wünschen entsprechend zu nutzen. Von der Helligkeit des Front- und Rücklichts über ihr Blink-, Blitz- und Leuchtverhalten bis hin zum Einsatz der versteckten Lichter kann ich alles individualisieren. Eigentlich würde der «normale» Lichtbalken auch schon ein gutes Rücklicht abgeben, aber natürlich verzichte ich nicht auf das Highlight des Helms. Ausserdem werde ich die Umgebungslicht- und Wetter-Erkennung aktivieren, die den Bedingungen entsprechend reagiert. Bei hellem Tageslicht wird zum Beispiel auf gut sichtbares Blitzen umstellt.

Beim Spielen mit den Einstellungsmöglichkeiten in der App merke ich schnell, dass die Sache einen Preis hat: Die geschätzte Akkulaufzeit sinkt rapide, je mehr Features ich aktiviere. Helles Dauerlicht vorne und hinten, die verstecken Lichter auf «Blitzen», Wetter- und Sturz-Erkennung an – und aus eben noch zehn werden gut zwei Stunden erwartete Nutzungsdauer, bis dem Akku der Saft ausgeht. Zu diesem Zeitpunkt ist er noch zu etwa 90 Prozent geladen, der Rest ging beim Einrichten und ersten Ausprobieren drauf. Und ich habe noch nicht einmal die Fernbedienung verbunden.

Fernbedienung
Um Blinken und das Bremslicht nutzen zu können, brauche ich die Fernbedienung. Durch diese beiden Funktionen werden die versteckten Lichter erst richtig nützlich, da sie sowohl als Richtungsanzeiger als auch als gut sichtbares Warnlicht funktionieren. Trotz des stolzen Preises für den Helm ist die Remote nicht dabei, sondern muss separat gekauft werden.
Das rechtfertigt der Hersteller damit, dass viele Kund:innen gar kein Interesse an diesen Funktionen hätten und man ihnen Zusatzkosten ersparen wolle. Ich finde: Wenn schon den «Faro», dann unbedingt mit Fernbedienung. Sie ist leicht anzubringen, einfach zu bedienen und mit einem Dreh abnehmbar, um den Akku zu laden. Ihr integrierter Beschleunigungssensor steuert das Bremslicht. Registriert er eine starke Verzögerung, flackern die LEDs an der Rückseite des Helms rot auf.

Aktiviere ich den Blinker, blinkt der Richtungspfeil an der Fernbedienung. Das ist wichtig, denn anders als beim Lumos Ultra oder dem Livall «BH51M Neo» gibt es kein akustisches Begleitsignal. Der «Faro» ist stumm, obwohl er wie ein Lautsprecher aussieht. Ich finde das in Ordnung. Der Blinker lässt sich auch so konfigurieren, dass er sich nach einigen Wiederholungen selbst abstellt und beim Dauerblinken sticht das Licht an der Fernbedienung ins Auge. So vergesse ich nicht, ihn wieder abzuschalten.
App
An der App (iOS/Android) führt bei der Einrichtung kein Weg vorbei. Hier kann ich definieren, was mit den Lichtern passiert und, wenn ich will, Teil einer Community werden. Fahrten tracken, Badges gewinnen, Ziele erreichen und Challenges angehen. Zum Beispiel die Kalorien eines Big Mac verbrennen. Will ich alles nicht, aber es wäre möglich. Zum Glück ist es ebenfalls möglich, all dem aus dem Weg zu gehen und sich aufs Setup zu konzentrieren. Dieser Bereich ist übersichtlich und funktioniert bei mir zuverlässig.

Akku und Lebensdauer
Im Helm ist ein nicht austauschbarer Lithium-Ionen-Akku mit einer Kapazität von 1850 MAh verbaut. Er ist in drei Stunden geladen und soll über 500 Ladezyklen durchhalten. Lade ich den Helm zweimal wöchentlich, sollten fünf Jahre Festtagsbeleuchtung drin sein, bevor ewige Dunkelheit am «Faro» herrscht. Das entspricht der Lebensdauer, die die Hersteller ihren Helmen üblicherweise geben, bevor sie den Austausch empfehlen. Ein K-Tipp-Test zeigt jedoch, dass ein gut gepflegter Helm viel länger schützen kann. Und, ganz ehrlich: Wenn ich mir den «Faro» leisten würde, wären mir fünf helle Jahre zu wenig. Ich würde ihn länger tragen und alle Funktionen nutzen wollen. Unit1 findet es dagegen nachhaltig, dass die Lebenserwartungen von Helm und Akku im Einklang sind.
Alltagserfahrungen
Solange alles funktioniert, bin ich vom Zusatznutzen der Beleuchtung am Kopf überzeugt. Und der «Faro» lässt keine Wünsche offen. Das grossflächige Bremslicht ist selbst für unaufmerksame Mitmenschen im Verkehr hinter mir kaum zu übersehen. Die seitliche Sichtbarkeit ist ebenfalls gegeben und vorne passt auch alles: Das weisse Frontlicht zeigt durch fliessendes Blinken an, in welche Richtung es weitergehen soll. Durch die vielen Konfigurationsmöglichkeiten habe ich es selbst in der Hand, wie auffällig beleuchtet ich unterwegs sein will.
Besonders gut gefallen mir aber ein paar Details am Helm, denen andere Hersteller wenig Beachtung schenken. Beim Lumos Ultra zum Beispiel hat mich der Kinnriemen etwas enttäuscht, der im Designprozess links liegen gelassen wurde und mit 08/15-Teilen bestückt ist. Ich hasse fummelige Riemen und Verschlüsse, die ständig nachjustiert werden müssen.

Beim «Faro» haben die Riemen eine breite Führung, die die Anpassung am Ohr erleichtert und relativ gut hält. Auch der magnetische Fidlock-Verschluss am Kinn ist besser als eine simple Plastikschnalle. Das muss ich Unit1 lassen: Ihr Gesamtpaket stimmt, sie haben dem Preis entsprechend an nichts gespart. Auch nicht am Energieverbrauch. Bei meinem Testlauf mit Einrichtung in der App, voller Beleuchtung und allen Features schaltet sich der «Faro» tatsächlich nach etwas mehr als zweieinhalb Stunden einfach aus.
Fazit
Der Helm ist toll designt und vollgepackt mit Funktionen. Viel mehr geht nicht. Vielleicht noch ein Lautsprecher im Nacken, damit ich ihn im Park als Boombox nutzen kann. All die Lichter, Alarme und schicken Details haben ihren Preis. Doch wer ein paar Tausender fürs neue E-Bike auf den Tisch legt, nimmt vielleicht für ein paar Hunderter extra auch noch den schicksten Helm mit. Und die paar Zehner für die Fernbedienung? Geschenkt! So lief es früher mit den Alufelgen und dem Sportpaket im Neuwagen. Heute sind Designerstücke wie der «Faro» auch ein Zeichen gewachsener Wertschätzung fürs Velo.
Ich habe nichts dagegen. Aber gegen eine weitere Parallele zur Autowelt. Wenn ich richtig Gas gebe und alle Features nutze, ist mir der Energiehunger zu gross. Und wenn ich sie nicht nutze, bin ich mit einem anderen Modell auch gut bedient. Rational betrachtet fällt mein Urteil deshalb nüchterner aus. Einen guten Helm mit vergleichbaren Funktionen bekomme ich deutlich günstiger. Ich bleibe beim Lumos Ultra, der leichter ist und länger leuchtet – auch wenn ich den schönen «Faro» nur ungern wieder abgebe.


Einfacher Schreiber, zweifacher Papi. Ist gerne in Bewegung, hangelt sich durch den Familienalltag, jongliert mit mehreren Bällen und lässt ab und zu etwas fallen. Einen Ball. Oder eine Bemerkung. Oder beides.