
Ratgeber
Fotobearbeitung: Helligkeitsunterschiede ausgleichen
von David Lee
Filterhalterungen sind teuer und umständlich. Aber sie sind nötig für Verlaufsfilter – und die können in der Landschaftsfotografie ausgesprochen nützlich sein. Ich habe darum ein Filtersystem von Nisi ausprobiert.
Ein häufiges Problem in der Landschaftsfotografie: Der Himmel ist im Vergleich zum Rest zu hell. So wird entweder der Himmel überbelichtet und verliert Details, oder alles darunter ist viel zu dunkel – du kriegst nicht beides zugleich richtig hin.
Das lässt sich ein Stück weit in der Bildbearbeitung korrigieren, vor allem, wenn du im RAW-Format fotografierst. Doch dem sind Grenzen gesetzt. Selbst mit den besten heute verfügbaren Sensoren.
Darum gibt es Grauverlaufsfilter: Sie funktionieren nach dem Motto «besser schon richtig aufnehmen als im Nachhinein korrigieren». Sie dunkeln den oberen Bereich des Bildes ab und lassen im unteren Bereich das Licht durch. Der Übergang zwischen hell und dunkel verläuft fliessend.
Damit das funktioniert, muss ein solcher Filter höhenverstellbar sein. Denn nicht immer willst du den Horizont am genau gleichen Ort. Und das wiederum ist der Grund, weshalb Grauverlaufsfilter nicht wie alle anderen Filter einfach in Form einer Scheibe vors Objektiv geschraubt werden können. Es braucht eine Halterung, die den Filter in der Höhe justierbar macht.
Nisi ist ein Hersteller solcher Filtersysteme. Er bietet verschiedene Sets an, die sich in der Anzahl Filter und sonstigem Zubehör unterscheiden. Das meiste ist aber auch einzeln erhältlich. Der Filterhalter existiert in einer Version 5 und einer Version 6. In der neusten Version sind einige Kleinigkeiten in der Handhabung verbessert worden. Ich teste hier das Nisi V6 Starter Kit Plus.
Nisi V6 Starter Kit Plus 100mm
ND- / Graufilter, ND- / Grauverlauffilter, 100 mm
Dieses enthält eine ganze Menge verschiedener Filter.
Das mag umständlich erscheinen, geht aber nicht anders. Ein normaler, vor das Objektiv geschraubter Polfilter würde die ganze Halterung mitdrehen, denn die hängt am Filtergewinde. Der Polfilter muss somit ebenfalls in die Halterung integriert sein.
Ziemlich teuer, dieses Starter Kit – du kriegst aber auch einiges. Neben den Filtern gehören zum Lieferumfang:
Adapter für verschiedene Objektivgrössen: 67, 72, 77 Millimeter. Das Gewinde ohne Zusatzadapter misst 82 Millimeter. Falls du mit einem kleineren Objektiv fotografieren willst, bietet Nisi für praktisch jede Grösse Adapterringe an. Die Ringe der Nisi-Systeme V5 und V6 sind untereinander kompatibel.
Mit dabei ist ausserdem der Clever Cleaner, ein Tool, um die Filter schnell zu reinigen, ein Reinigungstuch und ein Blasebalg. Das Schnellreinigungstool hat mir sehr geholfen. Wie lange es seine Wirkung behält, weiss ich allerdings nicht. Immerhin: Es kann günstig nachgekauft werden. Es ist wichtig, dass die Filter möglichst sauber sind, weil Staubpartikel reflektieren und so kleine leuchtende Farbpunkte auf dem Bild erzeugen.
Zum Umfang gehören zudem eine Schutzkappe und eine Tasche, die mit einer integrierten Schlaufe am Stativ befestigt werden kann. Die Tasche ist zwar von solider Qualität, ich finde sie jedoch zu eng. Gerne würde ich Adapter, Halterung, Polfilter und Gummikappe zusammengeschraubt lassen und so verstauen, doch das geht nur mit Hängen und Würgen.
Die Sonnenuntergänge auf der kanarischen Insel La Gomera erschienen mir ideal, um das Filterset auszuprobieren. Tatsächlich brachte ich einige schöne Fotos damit zustande, lernte aber zugleich auch die Tücken des Systems kennen.
Gleich zu Beginn musste ich feststellen, dass mein kleines Reisestativ nicht stabil genug ist, um die Spiegelreflexkamera mitsamt Filtersystem zu halten. Ich musste irgendwie ohne Stativ auskommen. Trotzdem wollte ich nicht auf Langzeitbelichtungen verzichten, denn das verfliessende Wasser macht einen schönen Teil der Faszination solcher Bilder aus. Die Kamera auf eine Unterlage zu setzen war auch nicht ganz einfach, denn die Filter ragen unten hinaus. Ich schaffte es schliesslich, indem ich die Kamera ganz vorne auf einer Mauer platzierte.
Bei Sonnenuntergängen hast du zudem nur wenig Zeit. Je näher am Äquator, desto extremer wird es. Das Filtersystem ist aber nichts für Schnappschüsse, sondern erfordert einen sorgfältigen Aufbau. Vor allem am Anfang, wenn es dir an Erfahrung damit fehlt, gerätst du schnell unter Zeitdruck. Also unbedingt schon vorher die Filter reinigen, Adapter zusammensetzen und an der Kamera befestigen. Zudem sollte die Belichtung schon beim ersten Versuch ungefähr passen, was bei Langzeitbelichtungen nicht immer ganz einfach ist. Nisi bietet dafür eine ganz simple, aber nützliche App (Android und iOS) an. Du gibst die Belichtungszeit ohne Filter und die Filterstärke an, und die App berechnet dir die benötigte Belichtungszeit mit Filter.
Wieder zu Hause, wollte ich die Sache noch etwas vertiefen. Beispielsweise konnte ich in den Ferien nicht länger als 30 Sekunden belichten, da ich keinen Fernauslöser dabei hatte. Je länger die Belichtung, desto glatter wird das Wasser, und desto besser sind Spiegelungen im Wasser sichtbar. Dieses Foto ist 70 Sekunden belichtet.
Das hat gut geklappt, doch hier zeigt sich ein anderes Problem. Durch die Spiegelung der Sonne im Wasser ist auch der untere Bereich des Bildes hell. Weder der normale noch der umgekehrte Grauverlaufsfilter passen so richtig. Im Extremfall bringen die Verlaufsfilter dann gar nichts mehr. Hier war es nicht so. Der Himmel wird mit dem Verlaufsfilter zwar dunkler als das Wasser, aber das lässt sich per Bildbearbeitung korrigieren. Der gesamte Helligkeitsunterschied ist trotzdem kleiner als ohne Filter – und damit die Qualität besser.
Fun fact: Auch dieses Fotosession musste ich wieder ohne Stativ machen – die Stativplatte fiel mir gleich beim Auspacken des Stativs in den See.
Wenn der Horizont aufgrund eines Berghangs schräg ist, lässt sich das Filtersystem entsprechend drehen und ausrichten. Trotzdem gibt es sicherlich viele Situationen, wo die Helligkeit im Bild nicht so regelmässig verteilt ist, dass sie mit einem Verlaufsfilter schön ausgeglichen werden kann. Das wäre zum Beispiel bei einem Tal mit zwei entgegengesetzten Berghängen der Fall, bei einem grossen Objekt im Vordergrund (Baum oder Haus), oder eben bei stark spiegelndem Wasser.
Obwohl die Kameras heute mehr Dynamik bieten als früher, machen Verlaufsfilter immer noch einen deutlichen Unterschied. Sie ermöglichen Bilder, die es so sonst nicht gäbe. An der konkreten Lösung von Nisi habe ich nichts auszusetzen. Das System ist solid und durchdacht. Konkurrenzprodukte dürften kaum besser sein.
Es stellt sich aber grundsätzlich die Frage, ob sich für dich der Aufwand lohnt. Denn die Handhabung eines solchen Systems ist nichts für Ungeduldige – jedenfalls ist sie deutlich komplizierter als bei Filtern, die direkt auf das Objektiv geschraubt werden. Zum anderen kostet ein solches Set auch nicht gerade wenig. Der Preis relativiert sich aber etwas dadurch, dass das System für jede Kamera verwendbar ist und kaum veraltet.
Wenn du Landschaftsfotografie ambitioniert betreiben willst, lohnt sich ein Filtersystem mit Verlaufsfiltern. Wenn du aber nur gelegentlich mal eine schöne Abendstimmung knipsen willst, ist es zu aufwendig – sowohl preislich als auch zeitlich.
Durch Interesse an IT und Schreiben bin ich schon früh (2000) im Tech-Journalismus gelandet. Mich interessiert, wie man Technik benutzen kann, ohne selbst benutzt zu werden. Meine Freizeit ver(sch)wende ich am liebsten fürs Musikmachen, wo ich mässiges Talent mit übermässiger Begeisterung kompensiere.