

Notizen aus der Hängematte

Ein Nylonhauch von Nichts und zwei Schlaufen, die Bäume umarmen. Ich bin in der Schwebe, fest mit der Natur verbunden, über mir nur der Himmel. Ein Loblied auf die Leichtigkeit des Hängemattenlebens.
Müssiggang wird kritisch gesehen. «Leg’ dich in die Hängematte, nicht ins Zeug», ist der erste Sinnspruch zum Thema, den mir Google in meinen himmelblauen Kokon spuckt. So weit, so gut. Doch da es sich um eine deutsche Redewendung handelt, gehört noch ein vernichtender Halbsatz dazu: « Flüstert gern die Faulheit.» Die Hängematte ist asozial. Da hängt einer ab während andere arbeiten. Dieser Vorwurf schwingt in unserem Kulturkreis mit, wenn irgendwo zwischen 9 und 18 Uhr ein Bein aus dem aufgespannten Tuch baumelt.
You may say I'm a dreamer

Beim Homer-Simpson-Way-of-Life lassen wir uns im Alltag nicht gerne erwischen. Schliesslich sollen wir produktiv sein, first world problems wälzen, uns selbst optimieren. Lieber zum Psychologen rennen und ausbrennen, als irgendwo rumhängen. Matt darf höchstens die Sonderlackierung des neuen Porsche sein. Wir nicht.
In Gesellschaften wie unserer ist das Stück Stoff zwischen zwei Bäumen ein Sehnsuchtsort. Die ultimative Verheissung, das süsse Leben. Feriengefühl. Der Instagram-Post, mit dem wir unser Publikum neidisch machen. Wobei die perfekte Inszenierung des Nichtstuns auch wieder Arbeit ist. Ich musste rennen, um rechtzeitig fürs Selbstauslöser-Foto wieder entspannt zu hängen. Also verzichte darauf.
Above us only sky
In einer Hängematte hat es Platz für revolutionäre Gedanken. Sie erweitert den Horizont. Ich glaube, dass darin bessere Lösungen gefunden werden als in Konferenzräumen. Die Seele muss baumeln, um dem Geist Freiraum zu schaffen.

Falls Sir Isaac Newton wirklich den berühmten Apfel fallen sah, der ihn angeblich auf den Gedanken mit der Gravitation brachte, wäre eine Hängematte nützlicher gewesen als ein MacBook. Vermutlich hätte er sonst mit gerunzelter Stirn auf sein Retina-Display gestarrt und den entscheidenden Moment, in irgendein Paper vertieft, verpasst. Wobei es gut vorstellbar ist, dass er die Schwerkraft-Idee im Schwebezustand zwischen zwei Bäumen wieder verworfen hätte.
Heureka, Schwerkraft! Moment, nein, das Leben fühlt sich viel zu leicht an... Zzzz.
In der Hängematte lässt sich alles überdenken oder ganz einfach ausblenden. Mein Blaufilter, meine Scheuklappen, meine Freizeit-Firewall passt in einen Rucksack und spannt sich überall auf, wo es Bäume gibt. Dann bleiben nur der Himmel, das Blätterrauschen, die Frühsommerluft und ein Kopf voller Gedanken. Die Welt kann warten, während ich in die Sonne blinzle. Im Gleichgewicht. Wie schwindelig mir war, merke ich erst, als ich zur Ruhe komme und nicht mehr wie irre durch den Alltag rotiere. Das Hamsterrad ist nur von aussen betrachtet absurd. Ich glaube, viele von uns lernen gerade, etwas mehr Hängematte zu wagen.
I hope someday you will join us
Ein Tuch am Baum verspricht das gute, leichte Outdoor-Leben, statt ein weiterer Klotz am Bein zu sein. Du könntest auch zum Preis von 20 000 Franken niedergeschlagen auf einem überdimensionalen Boxhandschuh liegen.

Oder über den Dingen schweben. Schwerelos, geerdet und verbunden zugleich. Nichts ist leichter als die Entscheidung für diesen Lifestyle. Mich kostet sie nur ein paar Franken und ein müdes Lächeln.
When I'm working on a character, I lie in them and daydream. They're the best tools for working that I have.



Einfacher Schreiber, zweifacher Papi. Ist gerne in Bewegung, hangelt sich durch den Familienalltag, jongliert mit mehreren Bällen und lässt ab und zu etwas fallen. Einen Ball. Oder eine Bemerkung. Oder beides.