Produkttest

O Sohle mio: Sieben Tage auf Skinners

Schuhe aus, Skinners an. Eine Woche lang habe ich nichts Anderes an den Füssen getragen. Weniger Schuh war selten, mehr Socken allerdings auch nicht. Dieses Konzept passt in keine geistige Schublade. Kann es im Dauertest überzeugen?

Die grosse Revolution kommt in einer kleinen Verpackung. Zumindest, wenn man den Verheissungen darauf Glauben schenkt. Da werden die Skinners als «swiss army knife of footwear» gelobt, ausgezeichnet mit dem Red Dot Design Award, garniert mit einem Zitat:

«Perfection is achieved, not when there is nothing more to add, but when there is nothing left to take away.»
Antoine de Saint-Exupéry

Und dann halte ich ein Paar Socken in der Hand, das aussieht, als wäre ein Bauarbeiter damit durch feuchten Asphalt getrampelt. Sieht so die ultimative Lösung für Fitness, Sport und Freizeit aus? Passen Anspruch und Wirklichkeit zusammen?

Gut getarnt auf grobem Asphalt.
Gut getarnt auf grobem Asphalt.

Optik, Haptik, Slapstick

Die Skinners zu tragen fühlt sich an, als hätte man mir ein Stück Tartanbahn an die Füsse geklebt. An den Fersen, seitlich und über den Zehen befindet sich das Material, das aus ihnen mehr als ein Paar dicke nahtlose Socken macht und mir aus der Leichtathletik bekannt vorkommt. Tatsächlich besteht die Sohle aus rutsch- und abriebfestem Polymer. Da ich kein Chemiker bin, nehme ich das so hin. Woraus auch immer das Zeug gemacht ist – für mich zählt, dass es seinen Zweck erfüllt und nach einer Woche Dauernutzung nicht auseinander fällt.

Zwar weist der Hersteller darauf hin, dass die Skinners für vorübergehende Nutzung bei nicht extremen Bedingungen und nicht als vollwertiger Schuhersatz gedacht sind. Andererseits verspricht er, dass die Dinger so ziemlich alles mitmachen, sich nicht auflösen und die Sohle nur zu Beginn etwas krümelt. Das Krümeln kann ich schon mal bestätigen, alles andere wird sich zeigen. Der sockige Teil der Skinners macht einen hochwertigen Eindruck und enthält antibakterielle Silberfäden, die verhindern sollen, dass sie schnell zum Himmel stinken. Ich hoffe es für meinen Nebenmann Patrick Bardelli, der mich neuerdings so begrüsst.

Frisch aus der Verpackung überzeugen die Skinners olfaktorisch mit einer leichten Gummi-Note. Mal schauen, wie lange das so bleibt. Für den Anfang schlüpfe ich barfuss hinein, spüre Gummi unten und einen angenehm zu tragenden Socken oben. Passt. Doch bei meinen ersten Schritten trample ich gefühlt wie ein Stummfilm-Protagonist in Slapstick-Manier durch den Raum. Schliesslich bin ich an dämpfende Sneaker-Sohlen gewöhnt.

Mein Alltag auf Skinners

Dass sich das Leben auf Skinners zu Beginn ziemlich komisch anfühlt, liegt nach den ersten Minuten weniger am direkten Bodenkontakt und mehr an der Tatsache, dass ich keine Schuhe anhabe. Starren mir deshalb alle auf die Füsse? Werde ich als Freak belächelt? Nein. Niemand reagiert. Selbst der Bankberater im Anzug verzieht keine Miene. Schade. «Perfection is achieved when there is nothing left to take away», hätte ich ihm gerne erklärt. Wäre doch auch ein schönes Motto für die Bank. Bald denke ich nicht mehr daran, dass ich nicht ganz «normal» unterwegs bin und setze die Füsse wie von selbst vorsichtiger auf. Der Grip ist gut. Doch ein spitzer Stein, der von jeder Schuhsohle weggedämpft wird, ist jetzt: ein spitzer Stein. Das meldet mein Fuss zuverlässig ans Schmerzzentrum. Der gewählte Weg gewinnt damit an Relevanz und ich spüre am Abend deutlicher als sonst, was ich meinen Füssen tagsüber angetan habe.

Sport mit den Skinners

Während das Tragen der Skinners im Alltag eher unter die Kategorie Dauerbelastungstest fällt, bin ich sehr gespannt, wie sie sich als Sportschuh-Ersatz schlagen. Denn im Fitnessstudio oder bei Outdoor-Aktivitäten sind sie sicher eher erste Wahl als im Büro oder bei der Bank. Bislang hatte ich für den spontanen Sportfall immer ein paar klassische Turnschlappen im Rucksack, die jetzt von den Skinners abgelöst werden. Denn die erweisen sich als deutlich rutschfester und ich habe beim Indoor-Einsatz nichts zu bemängeln – ausser vielleicht, dass sie nach wie vor ein paar schwarze Krümel auf der Sportmatte hinterlassen. Auch als Wasserschuh, im Sand und beim Klettern haben sie mich überzeugt. Sie sitzen gut, verrutschen nicht und sind schnell wieder trocken. Feiner Sand dringt durch die Socken zwar ein, aber gescheuert hat bei mir nichts. Als Laufschuh taugen die Skinners für mich am wenigsten. Beziehungsweise nur dort, wo du auch barfuss rennen würdest – auf Bahnen und berechenbaren Untergründen.

Hält das Material?

Geschont habe ich die Skinners wirklich nicht, sie waren sieben Tage im Dauereinsatz. Schon meinen gezackten Velo-Pedalen hätte ich zugetraut, ein Loch ins Polymer zu reissen. Dazu bin ich über Keramik-Scherben gelaufen, über Waldwege und Sportplätze gerannt, geklettert, durchs Wasser gewatet, im Sand gestapft und habe auf einer Hochzeit getanzt. Alles umsonst. Beziehungsweise: alles ohne Folgen. Zwar sieht man, wo ich die Sohlen belastet habe, aber es zeigt sich weder der Ansatz eines Risses noch ist das Material spürbar dünner geworden. Auch der Socken ist noch in Form, nichts löst sich auf oder ab. Daumen hoch für Qualität und Verarbeitung!

Ja, wir sind ein Paar: Mein emotionaler Höhepunkt der Woche auf Skinners.
Ja, wir sind ein Paar: Mein emotionaler Höhepunkt der Woche auf Skinners.

Schwitzen, waschen, trocknen

Die ersten Tage habe ich die Skinners barfuss getragen und zunächst gedacht, nach ein paar Stunden in einem Schweissbad zu stehen. So schlimm kam es dann nicht. Ich habe mich schnell an das Tragegefühl gewöhnt und nicht übermässig geschwitzt. Trotzdem wich der Gummigeruch nach und nach einem rezenten Aroma. Alle zwei bis drei Tage waren die Skinners ein Fall für die Waschmaschine. Der Hersteller empfiehlt einen Wäschebeutel und maximal 35 Grad, ich habe sie bei 40 Grad ohne Beutel zur übrigen Wäsche geschmissen und es nicht bereut. Kein Schaden an den Skinners. Dafür musste ich ein paar andere Kleidungsstücke abpflücken, die sich in ihren Sohlen verhakt hatten. Nach der Wäsche am Abend waren sie am nächsten Morgen wieder trocken und einsatzbereit. Die zweite Wochenhälfte habe ich zusätzlich dünne Socken getragen. Das macht die Skinners noch mal deutlich bequemer und liess mich tatsächlich irgendwann vergessen, dass ich ohne Schuhe unterwegs bin.

Fazit

Für mich haben die Skinners gehalten, was sie versprechen, und sich als hochwertig verarbeitete Schuh-Alternative für Barfuss-Freunde bewährt. Bei Schuhgrösse 44 und eher schmalem Fuss hat mir das Modell «Black» für den Grössenbereich 43-45 sehr gut gepasst. Im Fitnessstudio, auf Reisen und bei Outdoor-Aktivitäten sind sie in Zukunft sicher dabei. Auch der durchaus stolze Preis geht für mich in Ordnung, da sie nicht von einem Sportmulti irgendwo in Asien gefertigt, sondern in Handarbeit in Tschechien hergestellt werden – und ich für jeden Sportschuh bedenkenlos genauso viel hinblättern würde.

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Einfacher Schreiber, zweifacher Papi. Ist gerne in Bewegung, hangelt sich durch den Familienalltag, jongliert mit mehreren Bällen und lässt ab und zu etwas fallen. Einen Ball. Oder eine Bemerkung. Oder beides.


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