
Osmo Pocket: Wackelfreie Videos aus der Hosentasche

Den kleinsten Gimbal der Welt hab ich während einigen Tagen getestet. Sei es beim Skifahren oder unterwegs in der Stadt Zürich, bei Tag wie bei Nacht. Die Osmo Pocket lässt die GoPro gerade in der Nacht alt aussehen.
Alle wollen die kleine Gimbal-Kamera aus dem Hause DJI. Doch wird sie dem Hype auch wirklich gerecht? Dieser Frage gehe ich hier nach.
Der Gimbal ist so klein, dass er den Menschen um mich herum kaum auffällt. Spaziere ich in der Stadt herum und habe den Griff mit meinen Händen umschlossen, ist nur noch der kleine Kopf mit Kamera und Gimbal zu sehen. Irgendwie erinnert er mich an ein bisschen an Wall-E aus dem gleichnamigen Disney-Film.

Verbindungen und kleines Display
Ohne aktuelles Smartphone mit USB-C- oder Lightning-Anschluss ist die Kamera nicht nutzbar. Vor dem ersten Einsatz muss die neue DJI Mimo App heruntergeladen werden. Über diese wird der Gimbal aktiviert und aktualisiert. Wegen der fehlenden Wifi- oder Bluetooth-Verbindung geht das nur per Kabel. Den Lightning-Stecker verlierst du leicht, weil er so klein ist. Über einen zusätzlich erhältlichen Wifi-Adapter kann eine Wireless Verbindung zum Smartphone hergestellt werden. Doch in der heutigen Zeit müsste es meiner Meinung nach kein Problem sein, Bluetooth oder Wifi gleich mit einzubauen. Würde das Gerät dadurch einige Millimeter länger, würde es niemanden stören. Aber DJI weiss wohl, dass sich mit Zubehör gut Geld verdienen lässt.
Das Display des Osmo Pocket ist logischerweise auch sehr klein. Es taugt nur zur groben Kontrolle, um sicherzustellen, dass das Objekt korrekt im Bild ist. Dafür kann der Gimbal immer und überall im Hosensack oder der Jackentasche mitgenommen werden. Er könnte also deine Handykamera zumindest fürs Filmen ersetzen. Der Akku ist nach einem Morgen intensiven Gebrauchs oder rund 2 Stunden Aufnahmezeit bereits leer. Mit einer Powerbank kann der nicht austauschbare Akku unterwegs aber ohne Probleme wieder aufgeladen werden.

Pro-Modus über Umwege
Über die mitgelieferten, aufsteckbaren Dongles kann das Smartphone auf der Seite des Gimbals angesteckt werden. Eigentlich eine sehr gute Idee. Leider aber wird dadurch der eh schon empfindliche Ladeanschluss stark strapaziert. Es hängt einiges an Gewicht am Smartphone und während meinen Tests bricht die Verbindung immer wieder ab, weil der Gimbal rausrutscht. Abhilfe schaffen findige Zubehörhersteller wie Pgytech mit diesem Gerät.

Ist der Osmo mit dem Smartphone verbunden, stehen deutlich mehr Einstellungsoptionen zur Verfügung als nur über das Menü des kleinen Kamera-Touchscreens. So gibt es einen Pro-Modus in dem alle Parameter frei eingestellt werden können. Leider fehlen zum Beispiel Einstellungsmöglichkeiten für Farbprofile wie D-Log. Diese sollen mit einem späteren Update aber verfügbar gemacht werden. Ist das Smartphone nicht mehr mit der Kamera verbunden, bleibt die Kamera im Pro-Modus. Einstellungen wie Verschlusszeit oder ISO können dann aber nicht mehr geändert werden.
Besser in Low-Light Situationen als die Konkurrenz
Der fast gleich hohe Preis und die ähnlichen Eigenschaften zur Konkurrenz aus dem Hause GoPro legen einen Vergleich nahe. Beide Kameras sind mit einem 1/2.3 Zoll kleinen Sensor ausgestattet und filmen bei einer 4K-Auflösung mit 60 Bildern pro Sekunde. Der grösste Unterschied ist die Bauart und der mechanische Gimbal bei der DJI-Kamera gegenüber der softwarebasierten Stabilisierung der GoPro.
Bei 4K 60 fps kann die GoPro nur in «Wide» aufnehmen: Das Sichtfeld ist extrem weitwinklig und entspricht ungefähr 15 mm im Vollformat. Leider lässt sich dies in der höchstmöglichen Auflösung nicht auf andere Betrachtungswinkel wie «linear» oder «medium» umstellen. Bei der Osmo Pocket handelt es sich auf Full Frame umgerechnet um ein Äquivalent von etwa 26 mm. Objekte und Gesichter wirken dadurch natürlicher und weniger verzerrt.
Der direkte Vergleich zeigt, dass die Hardware-Stabilisierung über den Gimbal tatsächlich besser funktioniert als die Software-Stabilisierung der GoPro. Besonders bei Aufnahmen mit wenig Licht stösst die GoPro an ihre Grenzen. Dort kann der Gimbal seine Stärken voll ausspielen, da dieser unabhängig von den Lichtverhältnissen funktioniert. Im Vergleich zu einem ausgewachsenen Gimbal wie dem Ronin-S, auf dem eine Spiegelreflexkamera angebracht wird, funktioniert die Stabilisierung aber nicht gleich gut. Wegen des hohen Gewichts eines grossen Gimbals stabilisieren Muskeln und Armgelenk in der Z-Achse automatisch. Beim Osmo Pocket sind Bewegungen in der Z-Achse beim Gehen gut erkennbar.


Andere Ausrichtung als GoPro
Die Osmo Pocket stabilisiert die Aufnahmen nicht nur besser als die GoPro, sondern produziert – gerade bei wenig Licht – schärfere Videos. Es scheint also, dass die Kamera von DJI in vielen Bereichen der Konkurrenz von GoPro voraus ist. Trotzdem hat die GoPro ihre Berechtigung gerade wenn es darum geht, Actionsport-Aufnahmen zu machen. Sie ist dafür ausgelegt, aus verschiedensten Perspektiven Aufnahmen zu machen. Dies dank Halterungen für Surfboards, Autos, Helme usw. Die Osmo Pocket spricht eher Vlogger oder Lifestyle-Filmer an. Bisher haben viele Menschen eine GoPro gekauft, auch wenn sie keine harten Actiontricks präsentieren konnten. Durch die neue Osmo Pocket wird GoPro in diesem Segment wohl an Boden verlieren.
Bitte mit Mikrofoneingang
Insgesamt bin ich vom neusten Gadget aus dem Hause DJI schwer angetan. Wer seine Abenteuer gerne auf Video festhält und nicht auf eine Zoomfunktion angewiesen ist macht mit dem Gerät wenig falsch. Interessant macht die Kamera hauptsächlich der mechanische Gimbal und der Formfaktor. Um das Gerät aber auch für professionelleren Einsatz tauglich zu machen, müsste DJI bei der nächsten Version an einen Mic-Input denken. Wer die Kamera noch mehr ausreizen möchte, kann sich Unterwassergehäuse, Halterungen für GoPro-Mounts und viel weiteres Zuberhör kaufen.


Als Multimedia-Produzent ist es für mich eine Selbstverständlichkeit, Inhalte auf vielfältige Art und Weise aufzubereiten. In meiner Freizeit zieht es mich in die Berge, sei es zum Skifahren, Mountainbiken oder Wandern. Und natürlich habe ich meine Kamera immer griffbereit, genauso wie meine FPV-Drohne.