
Hintergrund
«Die Sims» feiert 25 Jahre – ein Rückblick
von Michelle Brändle
PS4, Xbox und Switch können einpacken. An das Suchtpotenzial, welches die selbstgebauten Arcade-Automaten von Peter Zumstein versprühen, kommt so schnell nichts ran. Sein Hobby hievt Retro-Gaming auf ein komplett neues Level.
In Peters Wohnung sticht mir als erstes eine grosse Vitrine ins Auge. Massstabsgetreu nachgebaute Raumschiffe, Phaser und was das Sci-Fi-Herz sonst noch begehrt, stellt er dort aus. Das macht den 50-Jährigen noch eine Spur sympathischer, als er mir eh schon ist. Zu gerne würde ich lange und ausgiebig mit ihm über seine Modelle aus Star Trek und Babylon 5 fachsimpeln. Oder über den Terminator-Kopf, der im Büro auf dem Pult steht.
Videoproduzentin Stephanie Tresch und ich sind aber nicht deshalb in den Aargau gefahren. Wir besuchen Peter aufgrund einer früheren Begegnung und seinem überirdisch coolen Hobby; er baut Arcade-Automaten.
Rückblende: Am Vintage Computer Festival in Zürich lernen wir vergangenes Jahr Peter kennen, und sein Hobby lieben. Peter arbeitet in der Administration einer Baufirma. Bastelt er in seiner Freizeit nicht gerade in der Garage an einem neuen Automaten, triffst du ihn an der FedCon, an der TreWa Con oder eben beim VCFe. Natürlich bringt Peter stets einen Arcade-Automaten mit. In Zürich wird dieser gleich von den anwesenden Kindern in Beschlag genommen. Ganz zum Entsetzen der Erwachsenen, die genauso Bock haben, endlich mal wieder Original-Knöpfe zu drücken.
Ein Glück, dürfen wir nun Peter persönlich besuchen und am Automaten ausgiebig zocken, ohne davor Kinder vertreiben zu müssen.
Bevor es Konsolen gab – ab Ende der 70er – war Zocken in der Spielhalle gang und gäbe. Space Invaders, PacMan und Donkey Kong fesselten die damalige Jugend so sehr, dass bald überall Arcade-Automaten rumstanden. Natürlich waren sie eine gute Einnahmequelle. Peter verzockte einen Teil seines Taschengeldes am Flughafen Zürich. Genau da unter der Rolltreppe, wo heute Kaffee ausgeschenkt wird. Games wie Starship, Star Castle oder Star Hawk mussten leider längst Starbucks weichen.
Doch gänzlich verschwunden sind die Arcade-Automaten nie. Und das, obschon die damaligen Games aus heutiger Sicht mit minder anspruchsvoller Grafik daherkommen. Dafür ist das Gameplay umso unterhaltsamer. Retro kommt nicht nur bei der damaligen Jugend gut an. Das ist auch der Grund, warum du selbst in unserem Shop fix-fertige Arcade-Automaten kaufen kannst. Doch diese sind vom Design, der Verarbeitung und der Software (Spieleumfang) nicht halb so interessant, wie die selbstgebauten Automaten von Peter. Magst du Spielhallen-Feeling in den eigenen vier Wänden, solltest du es ihm gleich tun und selber basteln. Aber Vorsicht, die Dinger machen süchtig. Peters Bruder hat sich, einige Monate nachdem er seinen Arcade-Automaten erhalten hat, beschwert, dass er wegen dem Teil kaum noch zu Schlaf kommt.
Falls du denkst, Peter würde für seine Automaten fertige Bausätze verwenden, hast du dich geschnitten. Hier ist alles Handarbeit. Egal, ob es um technische Zeichnungen, die kreative Erstellung von Designelementen oder dem Rendern eines ersten 3D-Modells geht.
Beim Erstellen der Grafiken werden die Wünsche des künftigen Besitzers umgesetzt. Der Arcade-Automat erhält dann nicht nur äusserlich ein auf das Thema abgestimmtes Design. Es geht so weit, dass selbst Ladebildschirme ans jeweilige Thema angepasst werden. Diese gab es übrigens früher nicht. Auf den Arcade-Automaten vergangener Zeiten lief jeweils nur ein Spiel.
Die Gehäuse baut Peter in seiner Garage. Er bringt mit selbst erstellten Schablonen, Säge und Fräse 16 mm-Spanplatten in Form. Für den Sockel benutzt er Platten mit 19 mm Dicke. Je nach gewünschtem Bedienungskonzept birgt dieser Arbeitsschritt mehr oder weniger Aufwand. Willst du beispielsweise anstelle eines zweiten Joysticks einen Trackball verbauen, müssen erst die Pläne angepasst werden.
Die Anpassung für den Trackball zieht bei den weiteren Arbeitsschritten einen Rattenschwanz nach sich. Beim Einbau des Trackballs hat Peter diesen aufgrund zu grosser Masse kurzerhand voneinander gesägt. Glücklicherweise war keinerlei Elektronik im abgeschnittenen Teil verbaut. Was mich an der Verkabelung beeindruckt, ist, dass Peter sich jeweils auch die Mühe macht, die Kabel anzuschreiben. Dies hilft einem künftigen Besitzer, sollte er jemals eine Reparatur vornehmen müssen.
Wie du siehst, hat Peter bei diesem Automaten ein zusätzliches Element, eine Schublade, gebaut. In dieser befindet sich nebst Tastatur auch ein Gamecontroller. Damit spielst du trotz fehlendem Joystick zu zweit. Was du auf den Bildern nicht siehst, ist der Sockel. Selbstverständlich bekommt jeder Automat so einen.
Moralische Unterstützung beim Zusammenbau bekommt Peter übrigens von seinem Büsi. Wie alle Katzen setzt sie sich gerne in Kartons – oder eben auch in halbfertige Gehäuse.
Im Inneren der Arcade-Automaten werkelt ein Raspberry Pi 3 Model B. Dieser reicht für die meisten Games. Doch gibt es auch solche, die du nur mit übertaktetem Prozessor spielen kannst. Daher verbaut Peter auch einen Lüfter, der sich bei Bedarf automatisch zuschaltet. Für die Bildausgabe wird ein alter LCD-Monitor verwendet und ein Scanline-Generator eingebaut. Die Zwischenzeilen beim Bildaufbau dürfen für ein originalgetreues Spielerlebnis nicht fehlen.
Peter setzt bei der Software auf RetroPie. Die freie Software, welche nicht kommerziell genutzt werden darf, bringt Nostalgie zurück ins Wohnzimmer. Damit bekommst du Emulatoren für praktisch alle Retro-Games dieser Welt. Egal, ob es sich um Arcade-, C64-, Amiga- oder Super Nintendo-Games handelt, du kannst damit alles spielen. Vorausgesetzt du besitzt die entsprechenden ROMs.
Die Material-Liste für einen Arcade-Automaten enthält übrigens insgesamt 108 Positionen, welche Peter von rund zehn verschiedenen Händlern bezieht. Die Kosten belaufen sich pro Stück auf ca. 1200 Franken, Arbeitsstunden nicht mit eingerechnet.
Falls du dir auch einen Arcade-Automaten bauen möchtest, aber dich der grosse Aufwand oder die Kosten davor abschrecken, solltest du klein beginnen. Der folgende Arcade-Automat ist voll funktionstüchtig und basiert auch auf einem Raspberry Pi. Sein Display misst lediglich 0.96 Zoll.
Um damit zu spielen, benötigst du sehr geschickte sowie kleine Finger und allenfalls Adleraugen. Peter musste sich vor dem Zusammenbau sogar eine neue Brille besorgen. Mehr Infos zu diesem Fitzel-Automaten findest du hier.
Solltest du Lust auf mehr Retro und insbesondere Arcade-Automaten haben, darfst du jubeln. Denn ich werde Peter erneut besuchen. Den im Video erwähnten Bau des Pac-Man-Automaten darf ich mir nicht entgehen lassen. Falls du das nicht verpassen willst, klickst du unten auf «Autor folgen».
Der tägliche Kuss der Muse lässt meine Kreativität spriessen. Werde ich mal nicht geküsst, so versuche ich mich mittels Träumen neu zu inspirieren. Denn wer träumt, verschläft nie sein Leben.