

Pflanzenerde aus Schweizer Nebenprodukten

Bei Ricoter werden Nebenprodukten der Forst- und Landwirtschaft neues Leben geschenkt – in Form von Pflanzenerde. Besonders Zuckerrüben spielen dabei eine grosse Rolle.
Es sieht aus, als hätte ein überdimensionaler Maulwurf seine Spuren hinterlassen. Wohin ich auch blicke, türmen sich Erdhügel meterhoch auf. Dampf steigt von ihnen empor, was der Szene eine mystische Stimmung verleiht. In dem Moment schweift mein Blick weiter links, wo meine romantisierte Assoziation jäh zerstört wird: Maschinen sind für die braunen Haufen verantwortlich.

One man’s trash is another man’s treasure
«Ricoter ist ein Akronym aus den Wörtern Rinde, Kompost und Terra», sagt der Geschäftsführer Beat Sutter. Sobald ich mir die Hügel auf dem Areal in Frauenfeld näher ansehe, wird klar weshalb. Denn das meiste ist gar (noch) nicht Erde, sondern eben Rinde, Kompost und andere Rohstoffe. «Unsere Blumenerde besteht hauptsächlich aus Nebenprodukten aus Schweizer Forst- und Landwirtschaft.» Dazu gehört eben Rinde aus der Forstwirtschaft, Kompost aus der Grüngutverwertung, aber auch Sägemehl aus Schreinereien oder Erdreste von Zuckerrüben aus der Zuckerfabrik nebenan.


Für deren Einsatz ist Ricoter bekannt. «Das Unternehmen entstand sogar aus der Idee, Zuckerrübenerde zu verwenden» so Sutter. Denn an den Zuckerrüben hängt beste Schweizer Landerde aus der Humusschicht, die im Säuberungsprozess von den Rüben gespült wird. Bei Ricoter wird diese entwässert, getrocknet und mehrfach umgesetzt. «Die frische Erde besitzt fünf Prozent organisches Material, was wir loswerden müssen. Deshalb wird die Landerde so lange gelagert, bis sich alles zersetzt hat und sie unkrautfrei ist.» Dann wird sie mit anderen Rohstoffen gemischt, abgepackt und in Umlauf gebracht. Dieses Jahr aber weniger als die Jahre zuvor. Der heisse, niederschlagsarme Sommer war wenig förderlich für die Ernte.

Auch was für Veganer
Aber Landerde ist nicht das einzige Produkt der Schweizer Firma. Es gibt alles, was das Gärtnerherz begehrt, sogar vegane Erde. Vegan? Bisher habe ich noch keinen Gedanken daran verschwendet, dass Blumenerde nicht vegan sein könnte. «Herkömmliche Pflanzenerde wird vielfach mit Hornspänen, verschrotetem Horn von Schlachtvieh angereichert. Für die vegane Variante wird hingegen Rapsschrot als Dünger eingesetzt», erklärt Sutter.
Für Hobbygärtner torffrei
Jedes Produkt im Sortiment von Ricoter besitzt ihr ganz eigenes Mischverhältnis aus nachhaltigen Restprodukten. Es wird stur nach Rezept gearbeitet, damit jede Pflanzenerde ihren Zweck möglichst effizient erfüllt. Torf ist dabei nur sehr selten ein Bestandteil. «Im Hobbygarten-Bereich verzichten wir komplett auf das organische Material. Für Baumschulen wird es noch teilweise verwendet», sagt Sutter. Das liege daran, dass Torf pflanzentechnisch wertvoll sei, da er ein Vielfaches seines Gewichts an Wasser speichern kann. Doch durch seinen Abbau werden eben auch Moore trockengelegt. Seit 1987 sind die Schweizer Moore geschützt und dadurch der Torfabbau verboten. Der Import hingegen ist weiterhin erlaubt, was die Moore in nördlichen Ländern wie Estland belastet. Deshalb soll der Torfanteil bei Sackerden bis 2020 schweizweit auf höchstens 5 Prozent reduziert werden. Ricoter schafft das schon heute.

Vom Erdhügel zur Sackerde
Diese torffreien Mischungen nach Rezept entstehen an der zweitletzten Station des Rundgangs. Erneut sehe ich überall braune Haufen, die im Gegensatz zum Anfang aber tatsächlich als Erdhügel bezeichnet werden können. Von dieser Station geht es für die Erde und uns einige Meter weiter in einen komplett geschlossenen Raum. Dort haben Roboter das Sagen. Die frisch gemischte Pflanzenerde wird von ihnen massgenau in handliche Säcke abgefüllt und in Paletten gebündelt. So warten sie auf den Abtransport in den Handel, von dem aus sie bald ihre letzte Ruhestätte im Beet eines Hobbygärtners finden. Aus der Schweizer Natur für die Schweizer Kultur.




Meinen Horizont erweitern: So einfach lässt sich mein Leben zusammenfassen. Ich liebe es, neue Menschen, Gedanken und Lebenswelten kennenzulernen,. Journalistische Abenteuer lauern überall; ob beim Reisen, Lesen, Kochen, Filme schauen oder Heimwerken.