
Ratgeber
Kein Garten oder Balkon, kein Problem: So spriessen Kräuter auch drinnen
von Darina Schweizer
Flaschendeckel, Glas, Plastikfolie: In Pflanzenerde kannst du immer wieder auf unerfreuliche Fundstücke stossen. Erfahre hier von vier Herstellern, wie es dazu kommt, was du selbst tun kannst und welche Erde (fast) plastikfrei ist.
Biologische Kräuter- und Aussaaterde ohne Torf – «klingt erspriesslich», dachte ich mir, als ich vor Kurzem einen Indoor-Kräutergarten anlegte.
Doch als ich die Packung öffnete, erlebte ich mein bröckeliges Wunder: Auf der Schaufel lagen – statt feinkörniger Erde – dicke Klumpen. Als ich sie umdrehte, erkannte ich, dass es sich um Holzstücke und Plastikteile handelte. Ich versuchte, sie zu zerkleinern. Ohne Erfolg. Also filterte ich sie heraus – im festen Glauben, dass das ja nicht so viele sein können. Doch meine Augen weiteten sich mit jedem weiteren Brocken, der das Sieb allmählich füllte. «Das kann ja wohl nicht wahr sein?!», dachte ich mir.
Doch, kann es. Ich bin nicht die Einzige, die betroffen ist. Auf Migipedia, der Kundenbewertungsplattform von Migros, schreibt beispielsweise «Klinker» von «zu vielen Grossanteilen». Und auch «DimeVengeance», «callmeloco», «chregibe» und «Cludi80» berichten in ihren Kommentaren auf Galaxus von «anorganischem Abfall», «riesigen Plastikstücken» und sogar «einem halben Legostein» in der Pflanzenerde.
Betroffen sind aber nicht nur Migros-Produkte. Die Gartenerde von diversen Grossverteilern enthält Plastikabfall. Darüber hat kürzlich K-Tipp berichtet.
Wie kommt das?
In torffreier Blumenerde – einem grundsätzlich umweltfreundlichen Produkt – ist Grünabfall enthalten. Dieser stammt unter anderem aus Gärten, Parks oder Böschungen. Das Problem: Darin befinden sich oft Fremdstoffe. Zum Beispiel, weil achtlose Zeitgenossen bei der Entsorgung von Blumen die Folienbeutel und Plastiktöpfe nicht entfernen. Oder, da sie beim Spaziergang durch den Park gedankenlos Essenspackungen wegwerfen.
So werden Plastikteile zusammen mit den Grünabfällen gehäckselt, kompostiert und enden in der Aufbereitungsanlage. Ihre Aufgabe ist es zwar, die Materialien in mehreren Siebgängen voneinander zu trennen. Doch dabei stösst sie an Grenzen. Alexandra Heckmann, Lead CFM Zimmerpflanzen und Tierwelt bei Do it + Garden Migros, erklärt: «Durch unsere Siebe kommt Material mit 20 bis 28 Millimeter Durchmesser – hochkant auch längeres. Bei Holzhäckseln ist das gewollt, die wollen wir in unserer Erde. Leider lässt sich aber nicht verhindern, dass immer mal wieder Plastikteilchen durchkommen.»
Auch Andrea Neuenschwander, Marketingleiterin bei der Hauert HBG Dünger AG, beobachtet Ähnliches:
Erde ist an sich nicht homogen. Obschon wir das Möglichste tun, können wir Plastikteilchen nicht vollständig heraussieben.
Ricoter betont ebenfalls, dass in den Kompostwerken alles getan werde, um die Fremdstoffe herauszufiltern. «Je kleiner die Teile sind, desto schwieriger wird es», sagt Beat Sutter, Geschäftsführer der Ricoter Erdaufbereitung AG.
Ähnlich klingt es bei Regine Hofmann, Marketingmanagerin bei der COMPO Jardin AG, welche die COMPO-SANA-Erden vertreibt. Sie bedauert, dass man «trotz aufwändiger Qualitätssicherungs- und Reinigungsmassnahmen» nicht ausschliessen könne, dass es zu «vereinzelten Verunreinigungen» durch Fremdstoffe komme.
Immerhin: Die Grossverteiler halten die Schweizer Grenzwerte gemäss der Chemikalien-Risikoreduktions-Verordnung ChemRRV ein. Die Richtlinien für RAL-Kompost geben eine maximale Fremdstoff-Menge von 15 Quadratzentimetern pro Liter in der Flächensumme vor. «Wir liegen durchschnittlich unter 7 Quadratzentimeter», sagt Alexandra Heckmann von Do it + Garden Migros.
Dann spricht sie etwas Überraschendes an. Fremdstoffe, so ärgerlich sie sein mögen, würden auch Vorteile mit sich bringen. Holzstücke etwa würden einer Verdichtung der Erde vorbeugen, sagt Alexandra Heckmann. Ausserdem betont sie, dass Kompost zu 100 Prozent ein Recyclingprodukt sei. Eine so hohe Wiederverwertungsquote habe kaum ein anderes Konsumgut. «Die unzähligen Vorteile dieser Kreislaufwirtschaft können den Nachteil der Fremdstoffe mehr als kompensieren», findet die Fachspezialistin.
Nun, ärgerlich sind die Fremdstoffe für mich als Hobby-Gärtnerin trotzdem. Immerhin zahle ich für etwas, das ich nicht in meiner Erde haben möchte. Auch wenn es bei COMPO SANA heisst, dass «Verunreinigungen mit kleinen Plastikteilen prinzipiell keinerlei pflanzenbauliche Auswirkungen haben», frage ich mich, ob dasselbe auch für mich als Mensch gilt. Zum Beispiel, wenn ich Kräuter aus kunststoffbelasteter Erde esse.
Was also tun? Hier sind zwei Lösungsvorschläge:
Kompost muss nicht zwingend aus Grüngut hergestellt werden. Auch Rindenkompost eignet sich. Diesen benutzt beispielsweise Hauert und verzichtet ganz auf Grünkompost. Auch Ricoter setzt primär Rindenkompost in seiner Erde ein: «Er ist praktisch frei von Fremdstoffen», sagt Andrea Neuenschwander. Migros und COMPO SANA verwenden Rindenkompost nebst Grünkompost und anderen Bestandteilen.
Einen grossen Einfluss auf eine plastikfreie Erde haben wir selbst. Und zwar, indem wir darauf verzichten, Kunststoffabfälle achtlos in unserem Grünabfall oder der Natur zu entsorgen. Schliesslich kommt das am Schluss wieder uns selbst zugute. Getreu dem Motto: Was man sät, wird man ernten.
Wenn du möglichst fremdstofffrei Kräuter anpflanzen möchtest, empfehlen die Hersteller folgende Produkte:
Übrigens: Meine Geschichte mit der Kräuter- und Aussaaterde ist noch nicht zu Ende. Wenn du mir folgst, erfährst du bald, mit welchem weiteren Problem ich noch zu kämpfen hatte. In der Zwischenzeit kannst du mir in den Kommentaren gerne verraten, welche Erfahrungen du schon mit Plastik in Pflanzenerde gemacht hast.
Titelfoto: Darina SchweizerIch mag alles, was vier Beine oder Wurzeln hat. Zwischen Buchseiten blicke ich in menschliche Abgründe – und an Berge äusserst ungern: Die verdecken nur die Aussicht aufs Meer. Frische Luft gibt's auch auf Leuchttürmen.